Freitag, 06.09.2024 / 23:06 Uhr

ORF Gazabericht löst antisemitische Welle in Österreich aus

Bildquelle: Wikimedia Commons

Hier eine Erklärung der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens, die nur ein weiteres der vielen Beispiele ist, was gerade in Europa passiert:


„Die Menschheitsgeschichte ist voller Episoden, in denen antisemitische Lügen zu schlimmen Verbrechen gegen Jüdinnen und Juden führten. Sei es im Mittelalter, als behauptet wurde, Juden hätten Brunnen vergiftet oder vor und im Nationalsozialismus, als Juden alle erdenklich schlechten Eigenschaften unterstellt wurden“, führt Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), aus. Nicht immer sei eine Lüge sofort als solche zu erkennen. Zunächst komme sie als Gerücht daher, so Deutsch.

Das „Gerücht über den Juden“, wie es Theodor Adorno definierte, sei heute oft das „Gerücht über Israel“. Israel werde - als „Jude unter den Staaten“ gesehen - unentwegt alles Böse unterstellt. Die Folge ist ein massiver Anstieg von Anfeindungen und Übergriffen gegen Jüdinnen und Juden in aller Welt. In Österreich verzeichnete die Antisemitismus-Meldestelle der IKG seit dem Angriff der Hamas, bei dem 1.200 Menschen ermordet und mehr als 240 Geiseln nach Gaza verschleppt wurden, eine Verfünffachung entsprechender Vorfälle. Umso wichtiger ist ein seriöser und professioneller Journalismus. Ein Journalismus, der nicht unwidersprochen Narrative der Terrororganisation Hamas verbreitet. Doch genau das tat das ORF-Weltjournal am 4. September 2024. In einer bisher noch nie dagewesenen Dimension wurde Israel als das ultimativ Böse dargestellt und längst widerlegte Hamas-Propaganda verbreitet.

In einer ersten Sofortmaßnahme hat die Sicherheitsabteilung der IKG in Absprache mit Polizei und Verfassungsschutz die Schutzvorkehrungen für die jüdische Gemeinde evaluiert. Die ohnehin seit Oktober 2023 intensivierten Maßnahmen wurden durch weitere sichtbare und nicht sichtbare Maßnahmen verstärkt, noch bevor es in München zu einem Anschlag vor dem NS-Dokumentationszentrum und israelischen Generalkonsulats kam.

„Dieses Machwerk stellt eine Gefährdung für unsere Gemeinde dar. Es ist aber auch unjournalistisch und schadet dem Vertrauen der Menschen in den ORF, wo viele seriöse Journalistinnen und Journalisten täglich um beste, nämlich korrekte, Information bemüht sind. Gefährliche Sendungen wie nun das Weltjournal schaden auch dem Ansehen des gesamten Medienhauses. Das Vertrauen in die Auslandsberichterstattung ist nun auf einem Tiefststand angelangt. Es ist höchste Zeit, dass im ORF Gegenmaßnahmen gesetzt werden und auch im Weltjournal Objektivität und journalistische Redlichkeit einkehren“, so Deutsch.

Am 4. September 2024 war im Weltjournal auf ORF 2 die bisher skandalöseste Propaganda-Produktion über Israel und Gaza zu sehen. Produziert von bekannten Hamas-Unterstützern, und mit mindestens zwei Hamas-Apologeten in tragenden Rollen, wurden darin etliche Lügen über die Kriegsgeschehnisse im Gazastreifen verbreitet. In kürzester Zeit konnten bereits mehrere solcher Lügen und manipulativen Weglassungen von Kontext, die im Sinne der Hamas Wut gegen Israel erzeugen sollen, entlarvt werden:

Unterstellt wurde, dass Israel im Oktober 2023 Flüchtende bombardiert habe, die der Aufforderung Israels, den Norden des Gazastreifens Richtung Süden zu verlassen, gefolgt waren. 70 Menschen seien gestorben. Tatsächlich sind Menschen bei einem Vorfall auf einer Fluchtroute in der ersten Kriegstagen gewaltsam zu Tode gekommen. Das belegen verifizierte Videos. Allerdings bestreiten sowohl die Israel Defense Forces (IDF), vor und während des Vorfalls in besagter Gegend operiert zu haben als auch konnten internationale Redaktionen wie BBC, Sky News und Militärexperten keinen Beschuss durch die IDF feststellen. Dennoch wurde Israel im ORF-Weltjournal als hinterhältiger Mörder dargestellt, ganz im Sinne der Hamas. Dies erinnert an einen Vorfall vor dem Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza City im Oktober 2023. Unmittelbar nach einer Explosion vor dem Spital behauptete die Hamas, es seien 500 Menschen, überwiegend Kinder, bei einem Angriff Israels ums Leben gekommen. Weltweit wurde diese Behauptung unwidersprochen verbreitet, auch renommierte Medien begingen diesen fatalen journalistischen Fehler. Bereits am nächsten Morgen veröffentlichte die IDF zahlreiche Videoaufnahmen und Analysen, die belegten, dass Israel weder das Krankenhaus noch in seiner Peripherie operierte. Vielmehr wurde klar, auch von internationalen Analysten bestätigt, dass eine in Gaza Richtung Israel abgefeuerte Rakete auf dem Parkplatz des Spitals niedergegangen war. Es handelte sich um eine Rakete des Islamischen Jihad. Doch auch nach einigen halbherzigen Richtigstellungen in europäischen Medien blieb das „Gerücht über Israel“ im Bewusstsein zu vieler Menschen, antisemitische Übergriffe in ganz Europa die Folge.

Behauptet wurde, dass keine Belege für die terroristische Nutzung des Al-Shifa-Krankenhauses in Gaza City gefunden wurden. Das ist nicht nur unwahr, sondern erneut eine Lüge, denn es wurden mehrere Beweise für die terroristische Nutzung des Krankenhauses gefunden, darunter Waffen und mehr als 200 kampfbereite Terroristen. Vielmehr noch wurden aber in den Tunneln unterhalb des Spitals israelische Geiseln gefangen gehalten. Beweise dafür wurden ebenso veröffentlicht wie Aufnahmen aus der krankenhauseigenen Videoanlage, die zeigen, wie Geiseln am 7. Oktober von bewaffneten Männern in ziviler Kleidung in die Keller gebracht hatten. All dies wird in der „Dokumentation“ verschwiegen. 

Jede eingespielte Kampfansage israelischer Vertreter, die sich explizit gegen die Hamas und ihre Mitstreiter richtet, wird als Ansage gegen Gaza dargestellt. Bemühungen der israelischen Armee, nicht kämpfende Zivilisten im Gazastreifen aus Gefahrenzonen zu bringen, wird als reine Behauptung der IDF dargestellt. Dass die Hamas Menschen dazu drängt, die Evakuierungsaufforderungen Israels zu ignorieren und Fluchtwege mit Lastwägen und bewaffneten Kämpfern blockiert, wird vollends verschwiegen. Dass nicht nur am 7. Oktober, sondern bis heute Raketen aus dem Gazastreifen nach Israel abgefeuert werden, wird verschwiegen. Dass Hamas und Islamischer Jihad Raketen insbesondere aus zivilen Zonen abfeuern, wird verschwiegen. Dass Hamas Munition und Sprengmittel in unmittelbarer Nähe von Flüchtlingslagern hortet, wird verschwiegen. Dass Hamas-Mitglieder als palästinensische Journalisten tätig sind, wird verschwiegen. Stattdessen wird die Schuld für die Tötung von „Journalisten“ Israel zugewiesen. 
Deutsch: „Ich möchte unmissverständlich festhalten, dass es legitim, journalistisch geboten und auch menschlich notwendig ist, das Leid, das ein Krieg verursacht, zu dokumentieren und darüber zu berichten. Jedes Kind, das in einem Krieg zu Schaden kommt, ist ein Weltuntergang für sich. Doch die Schuld dafür, immer und immer wieder einer Seite, nämlich der jüdischen Seite, zu unterstellen, ist falsch und verbreitet Antisemitismus. Die Verbreitung dieser Hamas-Propaganda führt zu einer Gefährdung jüdischen Lebens weltweit. Dabei liegt die Verantwortung für jeden Toten, in Israel sowie im Gazastreifen, bei der Terrororganisation Hamas und ihren Verbündeten wie etwa dem Islamischen Jihad. Sie nehmen den Tod von Zivilisten im Gazastreifen nicht nur in Kauf, es gehört zu ihrer Strategie, wie Hamas-Vertreter mehrfach betonten. Jeder menschliche Mensch sehnt sich nach Frieden. Dieser kann schnell erreicht werden: Es braucht die sofortige Befreiung der Geiseln und die Entwaffnung der Hamas.“

In den ersten zwei Tagen nach Ausstrahlung dieser Hamas-Propaganda im Weltjournal verzeichnete die Antisemitismus-Meldestelle der IKG eine Zunahme von Hasspostings und dezidiert antisemitischen Schmierereien an Hauswänden; auch Gewaltaufrufe gegen Juden waren dabei. Ein Zusammenhang mit dem Weltjournal vom 4. September 2024 kann natürlich nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeschlossen werden.

Glücklicherweise ist der Angriff durch einen österreichischen Staatsbürger, mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund, vor dem NS-Dokumentationszentrum und dem israelischen Konsulat in München am 5. September 2024 gescheitert und es kamen keine Unschuldigen zu Schaden. Dennoch verschärft dieser Vorfall das Unsicherheitsgefühl auch in Österreich. Dass Redakteure des ORF-Weltjournal zu dieser Unsicherheit beitragen, kann nicht länger hingenommen werden. Richtigstellungen, strukturelle und personelle Konsequenzen sind dringend geboten.