Mit Teewasserpolitik zum Sozialismus

PDS und DKP führen in Hamburg gemeinsam Wahlkampf. Für eine bessere Arbeitsmoral, aber gegen das System

Auf einem Podium steht ein DKP-Sprecher, im Hintergrund rote Fahnen und das Partei-Signet auf schwarz-rot-goldenem Grund. Ein Porträt von Teddy Thälmann grüßt von der Stirnwand, als Saaldekoration dienen Wahlplakate - Plakate zweier Parteien. Der KP-Sprecher ruft zur Wahl der PDS/ Linken Liste in die Bürgerschaft auf; er stellt Thea Rann vor, die DKP-Kandidatin auf der PDS-Liste, die im Publikum sitzt. Vor 150 Leuten sprechen anschließend Heinz Marohn für die Kommunistische Plattform der PDS und Manfred Sohn für den Parteivorstand der DKP.

Die Vorträge harmonieren mit dem traditionellen Arrangement. In altbackener Rhetorik wenden sich Marohn und Sohn ans Publikum wie an eine DKP-Mitgliederversammlung, betonen den Schulterschluß von KommunistInnen in DKP und PDS, loben die sich ergänzenden Kandidaturen. Marohn geißelt die Ungleichheit in der BRD, die sich verschärfenden sozialen Gegensätze. Mehrmals fordert er: "Das System muß weg!" Doch der Ostberliner vergißt auch nicht, die Machtlosigkeit der PDS-BezirksbürgermeisterInnen gegenüber den Weisungen des Berliner Senates zu erwähnen. Er kommt zum Hauptkonflikt in der PDS: Wenn man sich nicht in Parlamentsarbeit verlieren wolle, dürfe der Sozialismus als Ziel nicht vergessen werden. Darunter versteht Marohn die sozialen Interessen der "breiten Mehrheit".

Als Kommunist, meint Sohn, müsse man gute "Teewasserpolitik" machen - also soziale Interessenvertretung - um akzeptiert zu werden und den Sozialismus propagieren zu können. Von der Verteidigung der sozialpartnerschaftlichen Teilhabe am Profit schlägt Sohn den Bogen zum ungeklärten Endziel Sozialismus. Ganz der aktive Personalrat, schildert er die Deregulierung der sozialen Standards, den Klassenkampf von oben. BDI-Chef Olaf Henkel, der gefordert hat, das "System zu zerschlagen", wird nicht bestraft, während Egon Krenz als ehemaliger DDR-Chef ins Gefängnis einfährt: Das System ist entlarvt.

Bei Marohn hat "das System" für den Kapitalismus gestanden, Sohn meint damit den Sozialstaat, den er verteidigen will. Das fällt aber niemandem weiter auf. Die Radikalität beider Redner erschöpft sich darin, sozialreformerische Politik zu propagieren und den Sozialismus unvermittelt hintenan zu hängen. Traditionsbewußt wird noch eins draufgesattelt: Nächstes Jahr gibt es 150 Jahre Kommunistisches Manifest zu feiern, das "kein Gramm von seinem politischen Gewicht verloren hat" (Marohn), außerdem wäre 1998 Brecht 100 geworden (Sohn). Schöne Jahrestage, aber was ist eigentlich mit den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen, die sich genau am Tag der Veranstaltung zum fünften Mal jähren? Sie markieren zweifellos eine Zäsur - erstmals war linkes Agieren gegen die Mehrheit der Bevölkerung unmöglich. Aber was ist das schon gegen 150 Jahre Manifest?

Traditionslinks wird an diesem Abend vor allem die eigene Identität gepflegt. Der auf die Verteilungsungerechtigkeit reduzierte "Hauptwiderspruch" Arbeit-Kapital schwebt als guter Geist über allen Wassern. Schon im UZ-Extrablatt zur Hamburg-Wahl hat Thea Rann unter der Überschrift "Hamburg ist schön" die ArbeiterInnen gelobt, die "mit ihrer Arbeitsmoral diese Werte geschaffen haben". In der Diskussion kommentiert sie nun die Kandidatur der Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands: "Arbeiten wollten doch alle, bis auf diese Partei, die sagt 'Arbeit ist Scheiße' und 'Saufen! Saufen! Saufen!', und daß die nicht arbeiten wollen, ist ja auch nur gesellschaftlich bedingt." Der Stolz auf das Geleistete tritt an die Stelle der Marxschen Kritik der Lohnarbeit, die Arbeiterklasse wird in eins gesetzt mit dem revolutionären Subjekt, jenem schlafenden Riesen. Die Herausforderung, Entwicklungen der nationalen Formierung, des Patriarchats, des Rassismus in eine zeitgemäße Klassenanalyse einzuarbeiten, wird ignoriert: Gewarnt wird vor den Kandidaten der Nazi-Parteien, die Rechtsentwicklung der bürgerlichen Parteien wird erwähnt, "seid wachsam".

Manfred Sohn freute sich, daß sich die DKP "von dem Debakel von 1989 erholt hat und sogar wieder wächst". 1989, das heißt für ihn Zusammenbruch der DDR und Massenaustritte aus DKP, SDAJ und MSB. Aber Hauptsache, die Partei ist da, und jetzt ist sie sogar wieder im Wahlkampf: Bald werde niemand mehr fragen: "DKP, gibt's die noch?"

Stimmung kommt auf, als ein Besucher die DDR als faschistoid bezeichnet. Da fühlen sich viele in ihrer Identität getroffen, die Empörung ist groß - zu Recht. Doch die Auseinandersetzung mit dem Zwischenrufer gerät schnell zur Beteuerung der eigenen Verbundenheit mit der DDR. Mit der verkürzten Kapitalismuskritik des Podiums setzt man sich dann gar nicht mehr auseinander.