»Da hinten sehen wir Rostock«

Heimatkunde auf bunten Schautafeln: Die Politik der Wetterkarte

Wenn US-amerikanische Bands in den Achtzigern durch Deutschland tourten, dann zeigten sie sich immer besonders beeindruckt vom hiesigen nächtlichen Fernsehprogramm und den darin regelmäßig vorkommenden nackten Brüsten und Koiti-Fakes. Aber weil US-amerikanische Bands auch ganz gerne ihren Gesprächspartner etwas bieten, berichteten sie regelmäßig von der neuesten Errungenschaft in ihrer Heimat: Der Wetterkanal berichtete rund um die Uhr über das US-Wetter und erreiche damit durchaus akzeptable Einschaltquoten.

Nun leuchtet eine solche Einrichtung für die USA auch noch halbwegs ein, denn es handelt sich immerhin um ein großes Land mit viel unterschiedlichem Wetter, wo hin und wieder überdies auch Katastrophen wie Taifune, Blizzards und "Hurricanes" (Dylan) vorkommen.

In Deutschland wurde dem Wetterbericht hingegen jahrzehntelang kaum Bedeutung beigemessen, dabei gab es auch hier eine Katastrophe, die durch Fernseheinsatz hätte vielleicht weniger schlimm ausfallen können. 1962 weigerte sich das erste und einzige Programm, vor dem Sendeschluß noch eine Sturmflutwarnung für Norddeutschland zu verlesen. Zigtausende Fernsehzuschauer gingen ungewarnt schlafen, einige, so sind sich die Verantwortlichen noch heute sicher, hätten nicht ertrinken müssen.

Trotzdem begnügte man sich jahrelang mit zunächst aufgemalten, später computererstellten Wölkchen, aus denen Regen tröpfelte oder auch nicht, und das war im großen und ganzen auch schon das deutsche Wetter. Dann aber ging alles ganz schnell. Plötzlich wurde auch der Wetterbericht in den Quotenkampf mit einbezogen, es reichte nicht mehr, Regen und Sonnenschein zu prognostizieren, nein, die Moderatoren mußten entweder irgendwo in der Landschaft herumstehen oder gar lustige Sprüche machen. Und weil irgendein Sendeverantwortlicher der Abteilung Wetter einen Computer geschenkt hatte, mußte der nun auch eingesetzt werden, was zu enervierenden simulierten Wetterflügen ("Da hinten sehen wir Rostock, unter einer Wolkendecke") führte.

Dabei sind alle Wetterberichte vor allem eins: Beleg für Provinzzentrismus der übelsten Sorte. Denn in Berlin kann es krachend kalt oder knackend heiß sein, die Wetteransager sprechen trotzdem ungeachtet von milden Wintertagen oder angenehmen Temperaturen, bloß weil's in Mainzkölnsaarbrücken gerade wettertechnisch ganz nett ist. Umgekehrt ist ein Sommer nur dann ein Sommer, wenn in der Provinz die Sonne scheint.

Das war mal anders, damals, als die westdeutsche Wetterkarte immer auch eine politische war: Ein kleiner Klumpen im Osten gehörte stets dazu, Berlin halt, und das dortige Wetter wurde immer ausführlich mitreportiert. Die sogenannte Wiedervereinigung verkündete diese Karte auch schon sehr bald nach der sogenannten Wende: Irgendwann wurde die bislang so vertraute schlanke Silhouette fett, und das war der Osten, der nunmehr also dazugehören sollte - und dessen Wetter niemanden mehr interessiert.

Damit soll allerdings nun bald Schluß sein, und wie das geht, macht der Wetterkanal vor, der mindestens im Berliner Kabelnetz ausführlich senden darf. Der bringt nicht nur das derzeitige und das morgige Wetter, sondern auch das Wochenend-, Europa-, und Sieben-Tage-Wetter. Darüber hinaus laufen immer wieder die Temperaturen in ausgewählten Großstädten durch's Bild, und das klingt nicht nur so, als sei dies eine unglaublich langweilige Angelegenheit. Dabei geben sich die Wetterkanal-Verantwortlichen alle Mühe, wirklich jede Randgruppe für ihr Programm zu interessieren. Die Segler bekommen einen eigenen Wetterbericht, inklusive Wassertemperaturen, falls irgendwas schiefgeht und Windgeschwindigkeiten, darüber hinaus gibt ein eher globales Sportwetter, das sich mit Temperatur und Bewölkung bei anstehenden sportlichen Großereignissen beschäftigt und das Wetter zum aktuellen Event. Das wird manchmal aufgelockert durch kleine Filmchen oder Dias, wie zum Beispiel beim Oktoberfest-Wetter. Hier verbinden sich Anmoderation und Bildunterlegung (ein gerade angestochenes Bierfaß) zu einer lockeren Präsentation ohne störenden Firlefanz, den Oktoberfestbesuchern wird schlicht versichert, daß das Wetter in den nächsten Tagen dort "schön" sein wird. Und das reicht ja wohl auch völlig aus. Bei ausländischen Veranstaltungen, wie der Kirmes in Maaseik/Belgien, muß immerhin die knappe schriftliche Temperaturangabe reichen

Doch auch ausgesprochene Liebe zum Detail zeichnet den Wetterkanal aus. Das Berlin- respektive Lokal-Wetter wird so nicht einfach nur verkündet, sondern in die einzelnen Bezirke unterteilt, wobei durchaus unbeantwortete Fragen bleiben: Warum ist es in Tempelhof immer ca. 1,7 Grad wärmer als in Tegel?