Offensiv in La Défense

General Denis Sassou-Nguesso hat in Kongo-Brazzaville die Macht übernommen - mit Hilfe der angolanischen Armee und des französischen Öl-Konzerns ELF Aquitaine

General Denis Sassou-Nguesso hat im Verlauf der letzten Woche faktisch die Macht im afrikanischen Staat Kongo-Brazzaville übernommen, den er bereits zwischen 1979 und 1992 als diktatorisch regierender Chef eines Ein-Parteien-Regimes führte. Die Hauptstadt Brazzaville wartete am Wochenende auf den Einzug des neuen und alten "starken Mannes". Sassou Nguesso hatte 1969 den marxistisch-leninistischen Parti Congolais du Travail (PCT, Kongolesiche Partei der Arbeit) gegründet, der bis Anfang der neunziger Jahre die Macht innehatte. Als Verteidigungsminister hatte Sassou-Nguesso zudem 1979 den damaligen Präsidenten Yhombi-Opango gestürzt.

1992 auf demokratischem Wege abgewählt, hatte er sich zunächst in seinen Geburtsort Oyo zurückgezogen, drei Jahre später in sein Luxus-Appartement nach Paris. Im Januar dieses Jahres kehrte er nach Kongo-Brazzaville zurück, um an der Präsidentschaftswahl im Juli teizunehmen. Ab Anfang Juni verwandelte sich der Wahlkampf jedoch in einen militärischen Konflikt zwischen den "Kobra"-Milizen des Herausforderers und den "Zulu"-Milizen seines 1992 gewählten Nachfolgers, des Amtsinhabers Pascal Lissouba. Das Kräftemessen gewonnen hat nunmehr Sassou-Nguesso mit Hilfe der Armee des Nachbarstaats Angola, die vom Süden her in Kongo-Brazzaville einmarschiert ist.

Die Regierung Angolas hat am Mittwoch vergangener Woche diese Unterstützung einer Bürgerkriegspartei offiziell bestätigt. In einer Botschaft an UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte sie, daß sie infolge von Grenzverletzungen durch die bis dahin amtierende Regierung ihr Recht wahrgenommen habe, "die Aggressoren zu verfolgen". Der Sieger Sassou-Nguesso rechtfertigte seinerseits die angolanische Hilfe damit, die Gegenseite unter Führung von Präsident Lissouba sei von der Unita unterstützt worden, der Guerillaorganisation des Jonas Savimbi, der seit über 20 Jahren die Regierung in der angolanischen Hauptstadt Luanda bekämpft.

Der Konflikt zwischen der Unita und Luanda geht auf die Jahre der Unabhängigkeit (1974/75) zurück, als die marxistisch orientierte Bewegung MPLA nach der Niederlage der portugiesischen Kolonialmacht Kurs auf ein Bündnis mit der Sowjetunion und Kuba nahm. Die Unita wurde über lange Zeit durch die US-Amerikaner, ihre westlichen Verbündeten und das südafrikanische Apartheid-Regime unterstützt.

Handelt es sich also um einen Nachfolgekonflikt des Kalten Krieges zwischen "freier Welt" und sozialistischem Lager, um einen Bürgerkrieg entlang einer groben Links-Rechts-Frontlinie? Keineswegs: Die Konflikte sowohl innerhalb Angolas als auch in Kongo-Brazzaville haben schon seit Jahren den Charakter eines Systemkonflikts verloren und sind stattdessen zum Stellvertreterkonflikt zwischen zwei westlichen Mächten geworden, die ihre jeweiligen Einflußsphären in Afrika neu abstecken: Frankreich und die USA. Dabei spielt der französische Ölkonzern ELF eine Schlüsselrolle. Der Konzern betreibt - mit eigenen Spionagediensten ausgerüstet und in vielen afrikanischen Ländern bei weitem größter Wirtschaftsfaktor - einen Großteil der (verdeckten) Pariser Außenpolitik auf dem Kontinent.

Der ehemalige ELF-Vorstandsvorsitzende Loik Le Floch-Prigent, der 1996 wegen einer Korruptionsaffäre für ein halbes Jahr in Untersuchungshaft wanderte, ließ - vermutlich aus "Rache" gegen den französischen Staat - in der Zeitschrift Express vom 12. Dezember 1996 eine Reihe von Enthüllungen über die Rolle des ELF-Konzerns veröffentlichen. Dort schrieb er unter anderem, im Bürgerkriegsland Angola sei es Aufgabe von ELF, "das Gleichgewicht zwischen MPLA-Präsident Dos Santos und Savimbi aufrechtzuerhalten, damit keiner von beiden gewinnen kann".

Schon Anfang Dezember war in der Zeitschrift, L'Evénément du Jeudi unter dem Titel "Waffenhändler im Dienste von ELF" zu lesen: "Im Sommer 1993 wechselten die USA ihren Bündnispartner und unterstützten fortan Dos Santos", der nach dem Fall der Berliner Mauer plötzlich "brav geworden war", sprich: der sich zum Postmarxisten gewandelt hatte. Und weiter: "Frankreich bevorzugte weiterhin die Unita. Der ehemalige Chef von ELF, Loik le Floch-Prigent, hat sich sogar zweimal direkt mit Jonas Savimbi getroffen. Ein schlechtes Kalkül: Der starke Mann war Dos Santos. Im Oktober 1993 nimmt die Unita, die ihre jüngste Wahlniederlage nicht akzeptiert, die Waffen wieder auf und besetzt zwei Drittel des Landes. Dos Santos benötigt Waffen und wendet sich an die französische Regierung, die sehr verunsichert ist. Dos Santos zu Hilfe zu kommen bedeutet, mit Savimbi einen Verbündeten gegen sich aufzubringen, den man lange Jahre mit militärischem Material beliefert hatte. Nichts zu tun bedeutet, den Amerikanern das Feld zu überlassen, die mit Vergnügen Dos Santos militärischen Beistand leisten werden. Wenn man aber Dos Santos diskret hilft, ohne daß Frankreich offiziell in Erscheinung tritt, kann man auf beiden Spielfeldern gewinnen."

In der jüngsten Krise gab Frankreich der angolanischen Regierung grünes Licht für eine Intervention in Kongo-Brazzaville, dessen Territorium unter militärischer Bewachung Frankreichs steht und über das ELF die höchste Kontrolle ausübt. Le Monde vom 11. Juni dieses Jahres hatte kurz nach Ausbruch der Krise berichtet, daß seit Beginn der Kämpfe im ELF-Turm von La Défense, dem Wolkenkratzer-Viertel bei Paris, ein Krisenstab eingerichtet sei, der die kongolesische Situation ständig verfolge und "Kontakt mit den Leuten vor Ort halte". ELF entschied sich jedoch dagegen, den amtierenden Präsidenten halten zu wollen, dessen politischer und militärischer Herausforderer - so La Tribune vom 10. Juni - für seine Kampagne "erstaunliche Unterstützung von bestimmten Milieus des RPR", also der neogaullistischen Partei von Präsident Chirac und des damaligen Regierungschefs Juppé, erhalten habe. Den Grund für die französiche Neigung zugunsten von Sassou-Nguesso resümiert ein anonymer französischer Berater vor Ort im Figaro vom 17. Oktober: "Wir ziehen es vor, mit einem General mit strukturierten Ideen zu diskutieren als mit Pascal Lissouba, dem unklaren Genetikprofessor mit den unvorhersehbaren Reaktionen."

Vorausgegangen war 1992/93 ein Konflikt zwischen Lissouba, dessen Wahlkampf kurz zuvor von ELF finanziert worden war, und dem Konzern. Es ging um finanzielle Konditionen für den kongolesischen Staat, der von seiner Schuldenlast erdrückt wurde. Die im Juni 1997 angelaufene französische Operation "Pelikan" beschränkte sich darauf, rund 5 600 ausländische Staatsbürger zu evakuieren und die Kampfparteien ansonsten sich selbst zu überlassen. Le Figaro kommentierte das Ende Juni als einen Kurs "hin zur Selbstverwaltung der Krisen". Anders gesagt: Lissouba war fallengelassen worden. Als er Anfang September in seiner Funktion als Staatspräsident nach Paris kam, wurde er von Frankreichs Staatschef Chirac nicht empfangen.

Die angolanische Intervention gab Präsident Lissouba schließlich den Rest. Frankreich hatte am Donnerstag vergangener Woche seine Fallschirmjäger in Gabun in Alarmzustand versetzt, aber nicht eingegriffen. Wie Antoine Glaser, Autor eines Buches über die französische Afrikapolitik, gegenüber Le Parisien Mitte Oktober erklärte, hat man in Paris damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, in Kongo-Brazzaville und in Angola: "Des doppelten Spiels mit den Rebellen der Unita beschuldigt, hatte Frankreich Schwierigkeiten in Angola. Gigantische Ölvorkommen wurden indes in tiefen Gewässern nahe der angolanischen Enklave Cabinda entdeckt. Diese Ölvorkommen sind zwischen ELF und der amerikanischen Gesellschaft Chevron umstritten." Und weiter: "Wenn Frankreich Lissouba unterstützt hätte, hätte es sofort die angolanische Intervention als ausländische Einmischung auf befreundetem Territorium angeprangert."

Nachzutragen bleibt, daß die jüngsten Ereignisse in Kongo-Brazzaville zwischen 4 000 und 5 000 Tote gefordert haben.