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Neue Regierung in Polen: Die Katholiken wollen sich "allem Schlechten entgegenstellen" - vor allem den Juden

Seit Ende vergangener Woche hat Polen ein neues Regierungskabinett. Das rechtskonservative Wahlbündnis Solidarität (AWS), stärkste Partei im neuen polnischen Unterhaus, dem Sejm, teilte Mitte vergangener Woche auf einer Pressekonferenz mit, die Koalitionsregierung aus AWS und der liberalen Freiheitsunion (UW) unter Premier Jerzy Buzek (AWS) sei nun "arbeitsbereit". Elf Ministerien werden künftig von der AWS geleitet, sechs von der UW. Dazu kommen weitere vier AWS-Minister ohne Geschäftsbereich. Marian Krzaklewski, von seinen Freunden liebevoll "Duce" genannt, wurde Fraktionsvorsitzender der AWS im Sejm. Die Vereidigung durch Staatspräsident Aleksander Kwasniewski erfolgte zwei Tage später.

Vorausgegangen war ein wochenlanger Streit um Ministerposten und den gemeinsamen Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Dieser konnte - nachdem beide Parteien sich zuvor gegenseitig mit patriotischen Bekenntnissen zu überbieten versucht hatten - am 20. Oktober der Öffentlichkeit präsentiert werden: Als wichtige Aufgaben für die nächste Zeit werden darin die "Hebung des allgemeinen Lebensstandards", die "Stärkung der Familie in Gesetz und Gesellschaft" und die "Belebung der Konjunktur" genannt. Die Präambel des Vertrags gibt dafür den ideologischen Rahmen vor: "Patriotismus und Christentum sind die Wurzeln der polnischen Zivilisation", heißt es dort.

Die Aufteilung der verschiedenen Ministerien zwischen AWS und UW einerseits, AWS-intern andererseits, dauerte noch länger: Vor allem der rechte AWS-Flügel meldete Ansprüche auf Repräsentation im neuen Kabinett an, um den UW-Liberalen und dem als Protestanten denunzierten Premier Buzek innerhalb der Regierung "die Bewahrung katholischer Identität" entgegenzusetzen. Der sozialdemokratischen Opposition hatte der AWS-Abgeordnete Piotr Krotul bereits eine Woche zuvor gezeigt, was in der kommenden Legislaturperiode im Vordergrund stehen soll. Er brachte nachts über dem Eingang des Sejm - ohne vom Parlament beauftragt zu sein - ein Kreuz an. Über den katholisch-fundamentalistischen Radiosender Radio Maryia hatte Krotul dies zuvor angekündigt.

Krotul wird von Radio Maryia zu den 60 "wahrhaft gläubigen Katholiken" innerhalb der knapp über 200 Mitglieder zählenden AWS-Fraktion im Sejm gezählt. Wahrhaft gläubig heißt, den Katholizismus offensiv zu vertreten, denn kaum einer der anderen 140 AWS-Abgeordneten gehört einer anderen Konfession an. Radio Maryia gibt bei dieser katholischen Offensive das Programm vor. Gegen Europa und alles Fremde, Neue, Ungläubige hetzt Pater Rydzyk, Frontmann der verschworenen Gemeinschaft "Familie Maryia", jeden Abend vor seinem Massenpublikum. Fünf bis sechs Millionen Polen hören ihm dabei im Durchchnitt zu. Sie stellen gleichermaßen einen beträchtlichen Teil der Wählerbasis des Wahlbündnisses Solidarnosc. Führende AWS-Politiker kommen nicht daran vorbei, den Hörern der katholischen Welle Rede und Antwort zu stehen. Anfang vergangener Woche, die Koalitionsverhandlungen liefen noch, war AWS-Chef Marian "Duce" Krzaklewski dran: "Sieben Ministerien für die Freiheitsunion! Das ist der siebenarmige jüdische Leuchter ...", mußte Krzaklewski in der langen Radionacht von Radio Maryia die antisemitischen Haßtiraden einer älteren Hörerin über sich ergehen lassen. Fast alle Anrufer bestanden darauf, den "vaterlandslosen und kosmopolitischen" Koalitionspartner UW mit "unwichtigen Ressorts" wie den Ministerien für Gesundheit und Kultur "abzuspeisen".

"Die jüdische Minderheit in unserer Regierung können wir nicht akzeptieren, denn das Volk fürchtet sie", hatte Henryk Jankowski, katholischer Pfarrer der Brigittenkirche in Gdansk, in seiner Predigt bereits am vorangegangenen Sonntag die antisemitische Hetze eröffnet. Auch er findet immer wieder die Worte, die seine Schäfchen von ihm hören wollen. Gegen den Vorschlag der UW, den aus ihren Reihen kommenden bisherigen Sejm-Kommissar für Auswärtiges, Bronislaw Geremek, zum künftigen Außenminister Polens zu machen, fand der Antisemit von Gottes Gnaden deutliche Worte: "Die Union der Un-Freiheit", besonders aber der "Jude" Geremek, habe "kein Recht, im Namen unseres Volkes zu sprechen". "Wir müssen uns allem Schlechten entgegenstellen, jener Arroganz, die Bronislaw Geremek im Fernsehen bezeugt hat, obwohl er gar nicht Außenminister ist und es auch nicht sein sollte", lieferte Jankowski gegenüber der Nachrichtenagentur PAP einen Tag später die Begründung nach.

Henryk Jankowski, der seit Jahren als Beichtvater von Polens Ex-Präsident Lech Walesa fungiert, ist bereits seit 1995 bekennender Antisemit. In einer Predigt hatte er damals die Regierungsmitglieder einer links-bürgerlichen Koalition aufgefordert, "offen zu bekennen, ob sie aus Moskau oder Israel" kämen. Dies sei wichtig, so erklärte er kurze Zeit später, da der Davidstern "als Symbol der Unterdrückung nicht nur im Hakenkreuz, sondern auch in Hammer und Sichel enthalten" sei. Kurz zuvor hatte Radio Maryia wieder einmal die Richtung vorgegeben: Bei den Wahlen im gleichen Jahr war die liberal-konservative Kandidatin Hanna Gronkiewicz-Waltz von Pater Rydzyk über den Äther als "Freimaurerin" und "Jüdin" bezeichnet worden. Nach Ausstrahlung der Sendung erhielt sie bei Meinungsumfragen schlechtere Werte als je zuvor. Nicht nur demoskopische Untersuchungen weisen auf die Verbreitung von antisemitischen Einstellungen bei einem großen Teil der polnischen Bevölkerung hin. Auch daß ein von Jankowski publiziertes Buch seit 1996 auf den Bestsellerlisten steht, ist dafür ein deutliches Zeichen. Der Titel des Buches: "Es gibt nichts, wofür ich mich zu entschuldigen hätte".

Trotz der oben genannten Widerstände ist Geremek mittlerweile polnischer Außenminister geworden. "Mit Bauchschmerzen", wie Gabriele Lesser in der taz vom 24. Oktober berichtet, habe die AWS-Führung schließlich doch noch zugestimmt. Sie hatte zuvor gezögert. Nicht etwa weil Geremek Jude sei, nein, er sei schlicht und einfach "zu intelligent" für diesen Job, wurde behauptet. Allerdings sei inzwischen die Kandidatur Geremeks mit einem "Katholiken reinster polnischer Herkunft" abgesprochen, beruhigte Krzaklewski mit einem deutlichen Verweis auf den Vatikan die aufgeregten Hörer von Radio Maryia in der vergangenen Woche.

Auch die vom Ausland seit diesem Jahr in Aussicht gestellte Nato- und EU-Mitgliedschaft dürfte dazu beigetragen haben, daß sowohl das Außen- als auch das Verteidigungsministerium in die Verantwortung der UW übergegangen sind. Nicht ohne Gegenleistung: Den katholischen Ultras in der AWS wurde Rechnung getragen; Ryszard Czarnecki, Mitglied der "Familie Maryia" und dementsprechend europaskeptisch eingestellt, darf für die nächsten vier Jahre als Europaminister amtieren. Zudem wird Alicja Grzeskowiak, Kämpferin für das "ungeborene Leben" und Professorin für Strafrecht, Senatspräsidentin. Auch sie hat den Segen von Papst Johannes Paul II. Dieser zeichnete sie 1991 mit dem Orden "Pro Ecclesia et Pontifice" aus.