Dietrich Schulze-Marmeling

»Es gibt beim FC Bayern ein rechtes Milieu«

Der Club habe keine rechtsextremen Fans, betont das Management des FC Bayern München. Und wenn es eventuell doch Probleme gibt, dann waren es eben keine Bayern-Fans. Blättert man in den Fanzines herum, stellt sich das allerdings ganz anders dar. "Ajax ist bekannterweise ein 'Judenclub'", heißt es beispielsweise in dem Fanzine Sauerland-Echo. Von solchen Parolen distanziert sich der Verein offiziell, der politische Hintergrund nazistischer Symbole wird geleugnet. Als Lothar Matthäus auf dem Münchener Oktoberfest einen Niederländer anpöbelte ("Dich haben sie beim Adolf wohl vergessen"), war das nur ein Ausrutscher. Aber auch in der Vereinsspitze ist man für reaktionäre Parolen zu haben. Dietrich Schulze-Marmeling, Autor des Buches "Die Bayern. Vom Klub zum Konzern" (Verlag Die Werkstatt), über die Strategie des um sein Image besorgten Vereins, den Rechtsextremismus seiner Fans herunterzuspielen.

Sie haben ein recht freundliches Buch über den FC Bayern München geschrieben, darin befassen Sie sich gerade mal auf zweieinhalb Seiten mit rechten Fans des deutschen Fußballrekordmeisters, und trotzdem haben Sie Ärger. Es gibt sogar Morddrohungen.

Ja. Merkwürdigerweise habe ich mit diesem Kapitel offensichtlich in ein Wespennest gestochen. Ich schreibe dort vor allem vom Besuch eines Bundesligaspiels der Bayern beim VfL Bochum, zu dem die Bayern ja eine Fanfreundschaft unterhalten. Dort war ich zusammen mit der F-Jugend des TuS Altenberge hingefahren, die ich in meiner Freizeit betreue, und was ich dort auf den Rängen erlebte, gehörte zum Übelsten, was ich je in einem Bundesligastadion gesehen habe. Rauchbomben, Nebelkerzen, und dazu Gesänge wie "Ajax ist ein Judenclub", "SS, SA, Bavaria", "Wer soll unser Führer sein? Carsten Jancker".

Der Fan-Betreuer des FC Bayern, Raimond Aumann, sagt, daß der Club kein Fanproblem hat.

Das habe ich auch lange geglaubt. Zum einen ist der Verein selbst in den zwanziger, dreißiger Jahren als "Judenclub" bezeichnet worden, zum anderen ging ich, als ich das Buch schrieb, noch davon aus, daß andere Vereine ein wesentlich größeres Problem mit rechtsradikalen Fans haben. Das glaube ich mittlerweile nicht mehr. Damit will ich nicht alle der über 1 500 offiziellen Fanclubs denunzieren, aber einige strammrechte gibt es schon.

Bekommt die Clubführung die nicht in den Griff, oder will sie sie nicht in den Griff bekommen?

Es klingt paradox, aber beides ist richtig. Nach außen sagt Manager Uli Hoeneß, daß man kein Fanproblem hat. Und wenn man es ihm nachweist, sagt er, daß das ja gar keine Bayern-Fans seien, die sich so aufgeführt haben. Gleichwohl weiß ich, daß er und sein Fan-Beauftragter Aumann sich sehr genau umhören, was die Szene gerade so treibt. Ein früherer Mitarbeiter von Aumann ist Mitglied des Fanclubs "Red Munich", den ich als einen der übelsten in dieser Szene ansehe. Ich habe auch Informationen, daß Hoeneß schon mal Fans dieses Clubs mit Eintrittskarten versorgt.

Wie erklären Sie sich das?

Ich glaube nicht, daß Hoeneß das tut, um Nazis zu unterstützen. So eine Vermutung wäre absurd. Ich denke vielmehr, daß er so etwas unternimmt, um die Fans zu domestizieren. Er will sie durch onkelhaftes Verhalten zu anständigen Bayern-Fans erziehen. Aber davon soll niemand etwas mitbekommen. Es bleibt in der Familie.

Das erinnert mich an die Art und Weise, wie die CSU mit den Republikanern umspringt.

Ja, vielleicht.

Warum bezeichnen die Fans den Stürmer Carsten Jancker als ihren Führer?

Das liegt nur daran, daß er kurze Haare hat, andere Anhaltspunkte gibt es nicht. Jancker hat sich noch nie in irgendeiner Weise geäußert, die Rückschlüsse auf rechtes Denken zuließe. Interessanterweise hat der Kicker vor kurzem gemeldet, Hoeneß habe Jancker angewiesen, sich die Haare wachsen zu lassen.

Der FC Bayern ist ja in der letzten Woche auch durch Rassismus-Vorwürfe eines grünen Stadtrats aus München gegen Torwart Oliver Kahn ins Gerede gekommen. Schießen sich jetzt alle auf den FC ein?

So erscheint das vielleicht den Bayern. Aber meines Erachtens ist an den Vorwürfen gegen Kahn nichts dran. Kahn selbst hat sich in der Vergangenheit schon oft genug kritisch zum Rassismus geäußert. Jetzt soll er, so hat der Herr Fricke von den Münchner Grünen ja gehört, dem Stuttgarter Stürmer Jonathan Akpoborie "Nigger, Nigger, Nigger" zugebrüllt haben. Aber sogar Akpoborie hat das nicht gehört und nimmt Kahn in Schutz.

Sie haben eben gesagt, daß der FC Bayern früher als "Judenclub" beschimpft wurde. Wie das?

Das ist eine lange Geschichte. Von 1919 bis 1933 war Kurt Landauer der Präsident des Vereins, der, anders als beispielsweise der TSV 1860 München, als bürgerlicher Club galt. Landauer war ein jüdischer Kaufmann. In seiner Jugend hatte er beim FC Bayern gespielt, und in seiner Zeit als Präsident setzte er konsequent die Jugendförderung durch, womit langfristig der Verein zu den besten Clubs Deutschlands wurde. 1932 wurde Bayern erstmals deutscher Meister. 1933 mußte Landauer von seinem Präsidentenamt zurücktreten, er war im KZ Dachau interniert, konnte aber 1939 in die Schweiz emigrieren. Dort erhielt er übrigens 1940 Besuch von der gesamten Bayern-Elf, die nach ihrer Rückkehr von der NS-Führung gerüffelt wurde. Nach dem Krieg, von 1947 bis 1951, war Landauer übrigens noch mal Bayern-Präsident.

Gleichwohl gilt der FC Bayern als, wie es oft heißt, "Deutsche Bank der Bundesliga", als arrogant und überheblich, der Club kauft die Liga leer und spielt, um einen Ausdruck von Ihnen zu benutzen, langweiligen "Angestelltenfußball".

Das ist ja kein Widerspruch. Es ist interessanterweise nicht nur oft so, daß in großen Städten zwei große Vereine existieren, von denen der eine eher proletarischer, der andere eher bürgerlicher Herkunft ist. Es ist auch oft so, daß sich in dem als bürgerlich gescholtenen Club eine Tradition liberalen Judentums findet, und daß der Antikapitalismus der Anhänger des proletarischen Clubs sich oft auch antisemitisch äußert. So einfach ist die Fußballwelt halt nicht.

Zu den Schlagzeilen, die der FC Bayern in den letzten Wochen machte, gehört ja auch die sogenannte Alditüten-Aktion. Beim Championsleague-Spiel Mitte September gegen Besiktas Istanbul wurden lauter Plastiktüten hochgehalten und dazu gesungen: "Ihr könnt zum Aldi fahren". Auch das ist doch ein Hinweis, daß der FC Bayern ein Problem mit rechten Fans hat, oder?

Selbstverständlich hat er ein Problem damit. Nach dieser Alditüten-Aktion gab es ja von Manager Hoeneß eine Erklärung, die sich eher so anhörte, als sei der Firma Aldi ein Schaden entstanden. Gleichwohl gibt es Hinweise darauf, daß über Fan-Betreuer Aumann und Manager Hoeneß auf die Fans, die diese Aktion initiiert haben, eingewirkt wurde, damit sie beim nächsten Spiel ein Transparent mit der Aufschrift "Entschuldigung, Besiktas Istanbul" aushängen.

Dann wirkt das paternalistische Befrieden doch?

Nein. Das funktioniert nur oberflächlich. Die Vereinsspitze sagt denen was und droht mit Stadionverbot, Ausschluß aus dem offiziellen Fanregister oder ähnlichem. Und dann murren die Fans und hängen halt das Plakat hin.

Da stellt sich doch die Frage, warum Sie einen 500-Seiten-Schinken über die Bayern schreiben und das Problem des Rechtsextremismus unter den Fans so kurz kommt.

Hätte ich gewußt, was ich mittlerweile weiß, wäre das Kapitel nicht so klein ausgefallen. Vielleicht habe ich zu lange der Rhetorik geglaubt, daß der FC Bayern kein Fanproblem hat.

Hatten Sie eigentlich während der Recherchen zu Ihrem Buch und auch danach noch Kontakt zur Bayernspitze?

Ja, aber keinen sehr ausgeprägten. Briefe, die ich an Uli Hoeneß schreibe, werden nicht beantwortet. Ich habe jetzt gehört, daß man bei Bayern davon ausgeht, daß ich einen Spion oder so etwas in der Geschäftsstelle sitzen habe. Das ist natürlich absurd, beschreibt aber, so denke ich, ganz gut, wie sehr man sich dort einigelt und von allen verfolgt wähnt.

Wo kommen denn Ihre Informationen her?

Einen Spion habe ich nicht. Ich werte die Fanzines aus, was schon sehr aussagekräftig ist. Ich habe ein recht umfangreiches Bayern-Archiv, und natürlich kenne ich in München einige Leute, die sich mit mir unterhalten.

Der Führung des FC Bayern wird ja eine Nähe zur CSU nachgesagt. Edmund Stoiber ist Verwaltungsratsvorsitzender des Vereins, und Uli Hoeneß macht aus seiner Sympathie für die CSU keinen Hehl...

Ja, vor diesem Hintergrund muß man das auch sehen. Der FC Bayern kultiviert ja eine besonders unangenehme Ellenbogenmentalität. Ich erinnere an den Ausspruch von Uli Hoeneß zur Münchner Debatte um einen Stadionneubau: "Von den Hinterbänklern sollte man paar an die Wand knallen." Oder Präsident Franz Beckenbauer, der gesagt hat, Gegner der DFB-Bewerbung um die Fußball-WM seien "Feinde Deutschlands". Die Liste ist lang. Es gibt beim FC Bayern ein spezifisch hemdsärmeliges rechtes Milieu, das recht unangenehm daher kommt.

Als Lothar Matthäus auf dem Oktoberfest einmal einem Niederländer zurief: "Dich haben sie beim Adolf wohl vergessen", wollten die Bayern dies so regeln, wie sie auch ihre Fanprobleme zu regeln versuchen. Der Niederländer wurde nach München eingeladen. Da der aber keine Lust hatte, bei einem teuren Abendessen eventuelle Mißverständnisse auszuräumen, klappte die Befriedung in dem Fall nicht. Oder ich erinnere an den Skandal, als im offiziellen Bayern-Jahrbuch der Spieler Mehmet Scholl mit dem Satz zitiert wurde: "Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt." Später stellte sich heraus, daß Pressesprecher Markus Hörwick den Satz für Scholl einfach in diesen Fragebogen reingeschrieben hatte, weil man so etwas im Bayern-Milieu halt lustig findet.

Ist Ihr Buch also zu freundlich gegenüber den Bayern ausgefallen?

Ja. Mich beschleicht das Gefühl, bei meinen Recherchen etwas Wesentliches übersehen zu haben. Denn die geringe Sensibilität dieses Vereins gegenüber bestimmten Themen ist ja sehr bemerkenswert.

Wenn die da oben, von der Vorstandsetage, vom An-die-Wand-Klatschen, vom Grüne-aufhängen etc. so lässig daherreden, muß man sich vielleicht nicht wundern, wenn die Szene ihre eigenen Sprüche auch unproblematisch findet.