Staatsgefährdung

Der Hungerstreik der rund 1 000 Gefangenen in dem römischen Gefängnis Rebibbia (s. Jungle World, Nr. 44) dauerte am vergangenen Wochenende weiter an, ebenso der Hungerstreik der wegen angeblichen Mordes an dem Polizisten Calabresi zu mehr als 20 Jahren Gefängnis verurteilten ehemaligen Lotta Continua-Mitglieder Sofri, Pietrostefani und Bompressi. Mitte vergangener Woche wurden rund 160 000 Unterschriften dem Staatspräsidenten Scalfaro übergeben. Dieser verweigerte sich mit der bemerkenswerten Begründung, daß "eine Begnadigung so kurz nach dem endgültigen Urteil" bedeutete, daß der Staatspräsident den Fall anders beurteilte als das höchste Gericht, und sich so über das Gericht hinwegsetzen würde. Die Begnadigung würde in diesem Fall das Prinzip der Gewaltenteilung außer Kraft setzen und eine "offensichtliche Gefahr" für die Ordnung des Staates darstellen. Rossana Rossanda reduzierte in Il manifesto das Amtsitalienisch Scalfaros auf seinen Kern: Solange sich Sofri und die anderen nicht schuldig bekennen und damit den skandalösesten Prozeß der neueren Geschichte Italiens nachträglich rechtfertigten - mit einem Urteil, das sich lediglich auf die Aussagen eines zweifelhaften Kronzeugen stützte - gibt es auch keine Begnadigung.