Knüppel in den Block

Der Prügeleinsatz einer belgischen Sondereinheit gegen Leverkusener Fans wird vom Verein nicht hingenommen

"Sie schlugen mit ihren Knüppeln wahllos auf alles ein, was ihnen in den Weg kam, Jugendliche, Frauen, ältere Männer." Also auch auf Reiner Calmund, der dies zu berichten weiß. Calmund, Manager des Fußballbundesligisten Bayer 04 Leverkusen, erlebte am Mittwochabend im Ottenstadion im belgischen Gent den "absoluten Wahnsinn". Nach dem 2:0-Sieg seiner Truppe mußte der beleibte Mann "das Schlimmste, was ich im Fußball jemals erlebt habe", anschauen.

Was den Manager beim Champions-league-Spiel gegen den Lierse SK so in Rage brachte, war der Einsatz der belgischen Polizei gegen seine etwa 800 mitgereisten Fans. Nach dem Spiel mußten die, wie vorab vereinbart, noch eine halbe Stunde in ihrem Fankäfig verharren, damit die belgischen Zuschauer unbedrängt das Stadion verlassen konnten. Nachdem die 30 Minuten vergangen war, warteten die Lev-Fans, wie im Fußball üblich, noch weitere zehn Minuten. Schließlich aber hatten sie genug, durch Rufe, Unmutslaute, Zäunerütteln gaben sie zu erkennen, daß nun auch sie endlich das kalte Stadion verlassen wollten, einige versuchten, den Zaun zu überklettern.

Daraufhin stürmte, nach übereinstimmenden Zeugenaussagen, eine "Rijkswacht" genannte Sondereinheit der belgischen Polizei mit zunächst etwa 20 Polizisten den Block. Auf alle vor ihre Knüppel kommenden Leverkusen-Fans schlug sie ein und benutzte, so berichten es zumindest Fans, Tränengas.

Zunächst kursierende Informationen, wonach Leverkusener Hooligans oder andere gewaltbereite Fans die Konfrontation mit der Polizei gesucht hätten, bzw., so ein anderes Gerücht, daß deutsche Fans belgische Supporter angegriffen hätten, wurden nicht bestätigt. Gleichwohl kommentierte die Berliner Zeitung: "Wer ist in einem Fanblock zu den Hooligans zu rechnen, und wer sucht nur das Vergnügen eines Fußballspiels? In Gent tauchten einige wenige Randalierer in der Masse der friedlichen Fans unter. Der Polizeieinsatz traf alle."

Von Hooligans und Ausschreitungen Leverkusener Fans sprechen jedoch weder die belgische Polizei noch Augenzeugen, übereinstimmend berichten sie davon, daß lediglich einige Fans versuchten, die Zäune zu überklettern.

Soweit die Fakten, die schon der belgischen Rijkswacht nicht zur Ehre gereichen. Was danach kommt, sind auseinandergehende Einschätzungen zwischen der Polizei und den Leverkusener Vereinsoffiziellen.

In einem Kommuniqué der Genter Polizei heißt es, daß neun Personen - sieben Fans und zwei Polizisten - leicht verletzt seien, 15 Personen seien vorläufig festgenommen worden. Der Bayer-Geschäftsführer, Kuno Wack, spricht von mindestens 20 Verletzten. Sie hätten "geblutet wie Ochsen".

Unklar ist auch noch, warum die Polizei verhinderte, daß Sanitäter die Verletzten versorgen konnten. Die Mitarbeiter des Roten Kreuzes hatten daraufhin Werbetafeln abgerissen und sich so von unten den Weg in den Block verschafft.

Manager Calmund kommentierte diesen Vorgang so: "Die Polizei ließ die Helfer nicht herein, obwohl die Leute blutend auf dem Boden lagen. So etwas gibt es nicht mal im Krieg."

Der Verein Bayer 04 Leverkusen übt sich nun auch allgemein in anklagender Rhetorik. Der Club hat Protestnoten an das belgische Innenministerium und den europäischen Fußballverband Uefa geschickt, will sogar die Bundesregierung einschalten und hat außerdem Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die beteiligten Polizisten eingelegt. Der Leverkusener Oberbürgermeister Walther Mende verschaffte der Angelegenheit noch einen offiziellen Anstrich, indem er den Fans juristischen Beistand zusicherte.

Zwar beeilte sich Calmund zu erklären, man wolle "hier keinen deutsch-belgischen Konflikt heraufbeschwören", fügte aber gleich hinzu, daß Belgien schließlich im Jahr 2000 Mitveranstalter der Europameisterschaft sei, "und ich denke, das ist Herausforderung genug, sich der Dinge gründlich anzunehmen. Das ist ein Wermutstropfen nicht nur für uns, sondern für den gesamten europäischen Fußball."

Durch den Einsatz der Rijkswacht-Einheit im Genter Stadion sind auch die Erinnerungen an die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion im Jahr 1985 lebendig geworden. Damals starben 39 Fans von Juventus Turin beim Europapokalfinale der Landesmeister gegen den FC Liverpool, als es einer überforderten Polizei nicht gelang die Fanblöcke auseinanderzuhalten und durch das Drängen der englischen Fans eine Mauer einstürzte.

Als Hintergrund für den aktuellen brutalen Einsatz der Rijkswacht vermuten belgische Medien einen Konflikt zwischen Polizei und der Sondereinheit. Letztere untersteht dem belgischen Innenministerium, während die Polizei den Kommunen untersteht.