Keine Lust auf Gold

Um den Protest gegen ein geplantes Goldbergwerk einzudämmen, verhängte Griechenlands Regierung den Ausnahmezustand

Erheblicher Sachschaden entstand am 10. Dezember im Athener Stadtteil Kolonaki bei einem Bombenanschlag gegen die Entwicklungsministerin Vasso Papandreou. Der Anschlag, zu dem sich die Gruppe Militante Guerilla Formation bekannte, steht offenbar im Zusammenhang mit einem geplanten Goldabbauprojekt.

Demonstrationen, Straßenschlachten, umgestürzte Polizeifahrzeuge, Brandanschläge, Verhaftungen und Ausgangssperre, so stellt sich die Situation der letzten Wochen in den Dörfern der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki dar. Knapp 1 000 Polizisten aus ganz Griechenland - untergebracht in den unausgelasteten Hotels - versuchen mehrere Gemeinden im Nordosten des beliebten Urlaubsgebietes unter Kontrolle zu halten. Denn die Bevölkerung protestiert gegen Versuche des kanadischen Multis TVX Gold, mittels seiner griechischen Tochtergesellschaft TVX Hellas Gold in den Bergen Chalkidikis nach Gold zu schürfen. Umweltschutzgruppen und die ortsansässige Bevölkerung befürchten schwere Umweltbelastungen und starke Einbrüche im Tourismusgeschäft.

Vorläufiger Höhepunkt war die Verhängung eines absoluten Ausgangs- und Versammlungsverbotes durch den Polizeipräsidenten Chalkidikis, Nikos Athanassopoulos, am 24. November über die Dörfer Olympiada, Barbara und Slavros. Bei Protestversammlungen der Bevölkerung kam es zu etlichen Verhaftungen. Dabei nahmen Sondereinsatzkommandos unter anderem drei Rentner fest und warfen ihnen vor, ein aus über 100 Molotow-Cocktails bestehendes "Waffenlager" angelegt zu haben. Auch Nikos Mitsios, der Bürgermeister von Olympiada, wurde von der Polizei erst einmal eingesperrt.

Am Tag darauf wurden die Verbote allerdings schon wieder aufgehoben und die Inhaftierten freigelassen, da deutlich geworden war, daß die Bevölkerung sich daran nicht halten würde. Deren Durchsetzung hätte Schußwaffengebrauch und das wiederum die Gefahr eines Bürgerkrieges bedeutet. Ein "Kampfkomitee der Gemeinden am strimonischen Golf" hatte sich außerdem in einem Hilferuf an die griechische Öffentlichkeit gewandt und betont, daß die Zeit der Militärjunta in ihre Dörfer zurückgekehrt sei: "Wir befinden uns hier im Belagerungszustand." Die Region stehe unter "Kriegsrecht", heißt es: "Wir fordern die Intervention aller demokratischen politischen Stellen. Beschützt uns und helft uns, unser Problem friedlich zu lösen." Um der polizeilichen Belagerung zu entkommen und eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, fand zudem am 6. Dezember eine Großdemonstration in der nordgriechischen Metropole Thessaloniki statt.

Der Konflikt um den Abbau des Edelmetalls begann vor zwei Jahren. Die regierende Panhellenische Sozialistische Partei (Pasok) hatte im Dezember 1995 Land in der Nähe von Olympiada - übrigens der Geburtsort des Philosophen Aristoteles - an die TVX Hellas Gold verkauft. Schon damals machten die Bewohner der umliegenden Dörfer deutlich, daß sie eine Goldgewinnung auf keinen Fall dulden würden. Dabei ist ein Großteil der dortigen Bevölkerung beim Bergbauunternehmen TVX Hellas beschäftigt. Der Konzern betreibt in der Gegend noch Bergwerke zur Gewinnung von Blei und Zink und droht mit Schließung dieser Betriebe, sollte der Widerstand gegen die geplante Goldgewinnung nicht beendet werden. Die Bevölkerung belagerte dennoch mehr als zehn Monate lang ununterbrochen das Firmengelände, um die Anlieferung der Baumaschinen zu verhindern, was zum Teil auch gelang. Die im September letzten Jahres wiedergewählte Pasok-Regierung, um den Ruf des Landes als "modernem Wirtschaftsstandort" besorgt, kündigte direkt nach den Wahlen an, daß der Vertrag mit TVX Hellas auf jeden Fall erfüllt werde.

Die Firma stellte der Regierung ein Ultimatum: Würden bis zum 23. Oktober keine Maschinen auf das Gelände gebracht werden können, würden alle Bergwerke der näheren Umgebung geschlossen. Die daraufhin in die Region entsandten Sondereinsatzkommandos prügelten am 17. Oktober tatsächlich einen Lastwagen durch die Blockade. An heftigen Straßenschlachten mit den Polizeitruppen beteiligten sich etwa 2 500 Leute, so daß die Regierung sich zu Verhandlungen gezwungen sah. Die Pasok-Vermittler handelten einen Baustopp für den Zeitraum von neuen Umweltverträglichkeitsprüfungen aus. Während der von unabhängigen Fachleuten durchgeführten Prüfungen sollte die Bevölkerung im Gegenzug den freien Zugang zum Gelände garantieren.

Bis zum Ende der Sommersaison dieses Jahres blieb es daraufhin einigermaßen ruhig, schließlich hatten beide Seiten kein Interesse, die Auseinandersetzung in der touristisch geprägten Region voranzutreiben. Danach wurden allerdings in den leerstehenden Hotels knapp 1 000 Polizisten einquartiert. Im November eskalierte der Konflikt, nachdem TVX Hellas Probebohrungen auf dem Gelände durchgeführt hatte - ein Verstoß gegen die Abmachung vom Vorjahr. Am 9. November zog daraufhin eine Demonstration Richtung Gelände, unter anderem wurden Firmengerätschaften angezündet. Nachts darauf verhaftete die Polizei fünf Ortsvorsteher der umliegenden Dörfer und führte sie im Schlafanzug vor den Staatsanwalt. Dieser wirft ihnen Verkehrbehinderung, Beschädigung fremden Eigentums, Bedrohung, Beleidigung, Körperverletzung, illegalen Waffenbesitz sowie Waffenbenutzung vor. TVX Hellas entließ am 11. November fünf Arbeiter unter dem Vorwurf der "Rädelsführerschaft" und der Beteiligung am Brandanschlag.

Für die Regierung erklärte die Staatssekretärin im Entwicklungsministerium, Anna Diamantopoulo, es sei "noch nicht sicher, welchen genauen Standort die Untersuchungskommission für die Goldgewinnungsanlage" benennen werde. "Die Ergebnisse der Studie", soviel verriet Diamantopoulo allerdings, "werden am 20. November vorliegen". Tatsächlich liegt das Dokument der Expertenkomission seit dem angekündigten Termin in den Schreibtischschubladen der Regierung. Das Ergebnis wollte sie bisher jedoch nicht veröffentlichen. Einem Firmensprecher von TVX Hellas Gold, der sich bereits über "das schlechte Arbeitsklima in der Region" bei der Regierung beschwert hatte, sagte Diamantopoulo vorher jedenfalls zu, das Kabinett stehe "zu seiner Entscheidung und dem Beschluß des Parlaments".