Auf Teufel komm raus

Die beiden Süd-Sender der ARD, der SDR und der SWF, fusionieren zur zweitgrößten Regionalanstalt

Als Hermann Fünfgeld und Peter Voß, die Intendanten von SDR und SWF, auf der Landesgartenschau in Böblingen am 9. August einen Baum pflanzten, wußte keiner so genau, ob der gemeinsame Dienst an der Natur zu einer Männerfreundschaft führte. Bekannt ist hingegen, daß die beiden Herren fünf Tage später einen Vorschlag zur Fusion ihrer Häuser veröffentlichten.Erwin Teufel (CDU) und Kurt Beck (SPD), die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, unterzeichneten am 31. Mai 1997 den Staatsvertrag zur Gründung des Südwestrundfunks (SWR), die Parlamente erledigten ihre Hausaufgaben ebenfalls im Schnelldurchgang. Teufel jubelte, hatte er doch einen Vertrag durchgesetzt, der mit seinen detaillierten Angaben zur Programmgestaltung und der hohen Zahl der Rundfunkräte aus dem Staatsbetrieb die heißgeliebte Rundfunkfreiheit deutlich einschränkt.

Der CDU-Funker und ehemalige ZDF-Frontkommentator Voß, dem das FAZ-Magazin "politische Grundsatztreue" bescheinigte, weil er etwa während des Golfkrieges gegen die wachsende Zahl der Kriegsdienstverweigerer polemisiert hatte, will als Intendant des südwestdeutschen Megasenders deutliche Veränderungen in den Programmen durchsetzen. Der SDR wolle manches besser machen, als es SDR und SWF bisher für sich allein konnten.

Am 1. Januar ist der mit rund 4 300 Mitarbeitern nach dem WDR zweitgrößte Sender im ARD-Verbund in seine Gründungsphase getreten. Im Oktober soll die Fusion abgeschlossen sein; der SWR, der ein Gebührenaufkommen von 1,6 Milliarden Mark pro Jahr aufbrauchen darf, wird auf Sendung gehen. Die Diskussion um die Zukunft der Programmgestaltung hat begonnen. In den Arbeitskreisen der einzelnen Ressorts werden seit Wochen die Richtlinien festgelegt. Mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich. Dermaßen unterschiedlich sind die Senderprofile von SDR und SWF, daß die Fusion des "Spätzlesenders" und der "Firma Feinkost Zipp" auch über die Gründungsphase hinaus noch einige Konfusion verursachen wird. Die längeren Textstrecken des SDR, wie sie beispielsweise im "Eckpunkt" mit persönlichen Erzählungen aus der bizarren und manchmal auch nur schrecklichen Alltagswelt gepflegt werden, sind beim ehemaligen Konkurrenten nicht besonders beliebt. Während man im SWF auf eine wellenorientierte Sendestruktur setzt, bevorzugt der SDR insbesondere im ersten und zweiten Programm ein von den Fachredaktionen ausgerichtetes Format. Immerhin, so werden sich die Mitarbeiter auf beiden Seiten denken, wird es zunächst keine fusionsbedingten Kündigungen geben. Die Personalstruktur soll durch die sogenannte "natürliche Fluktuation" ausgedünnt werden. Aber so schnell werden auch Radioleute nicht alt: 600 Stellen müssen im Laufe der nächsten Jahre abgebaut werden, was vor allem bedeutet, daß kaum Nachwuchskräfte eingestellt werden. Die Redakteure werden sich in den Doppelredaktionen eine Weile auf den Geist gehen, die vielen Sekretärinnen werden sich langweilen, so daß die Empfindsamen bald schon freiwillig den Hut nehmen. Andere werden erst gar nicht umziehen wollen, was nach der neuen Standortverteilung aber nötig sein wird. Das ist Arbeitsmarktpolitik auf die öffentlich-rechtliche Art.

Der SWR wird laut Staatsvertrag auf drei Hauptsitze aufgeteilt. Aus Stuttgart, wo der Intendant residieren soll, werden die Redaktionen für die aktuelle Landesberichterstattung für Hörfunk und Fernsehen, die Innenpolitik, die Wirtschaft und der Sport sitzen, in Baden-Baden hocken die Kulturarbeiter des zweiten Kanals und die Blödler der Popwelle SWR 3, in Mainz wird das regionale Landesprogramm ausgebaut. Zweifelhaft, ob eine solche Sendergliederung zu den erhofften Einsparungen führt. Die Standortdebatte ist jedenfalls noch längst nicht beendet. Im Gegenteil. "Wenn die Kulturredaktion in Baden-Baden sitzt, aktuelle Sendungen aber in Stuttgart produziert werden, frage ich mich, von welchem Ort die aktuellen Kulturberichte gesendet werden. Aber auch das werden wir lösen", frotzelt Peter Boudgoust, Finanzdirektor und Justitiar des SDR sowie fleißiger Fusionsorganisator. Sein Motto: "Go and see!" Besonders verärgert sind die Macher vom SDR 3, dem "Programm für den Wilden Süden". Die Popwelle wird zwar als regionales Fenster im SWR 3 weiterhin bestehen, doch ansonsten werden die Schwarzwald-Elche aus Baden-Baden das Kommando für den Jugendfunk übernehmen, sieht man einmal von diversen SDR-Erfindungen wie dem Multimediaprojekt "Das Ding" ab. Selbst die im Schwabenland so populäre SDR 3-Sendung "Leute" steht zur Disposition. Daß die Gespräche mit den Stars und Sternchen wegfallen könnten, hat in Stuttgart, wo die Promis bekanntlich nicht gerade häufig gastieren, sogar zu Bürgerprotesten auf der Straße und Leserbriefschlachten in den lokalen Blättern geführt.

Seit Einführung des dualen Systems ist die ARD in Bedrängnis geraten: Die Privatstationen treiben die Preise für Film- und Übertragungsrechte in die Höhe, das Werbeaufkommen der öffentlich-rechtlichen Sender ist festgelegt, und die Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühren scheiterte am Veto der vereinigten Neoliberalen. Während das ZDF sich auf die bundesweite Fernsehproduktion beschränkt, haben die bimedialen ARD-Anstalten regionale und überregionale Aufgaben wahrzunehmen. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber hat mehrfach angekündigt, daß er den Finanzausgleich ab dem Jahr 2000 aufkündigen werde. Damit wäre das Ende von kleineren Sendern wie Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk besiegelt und die alte ARD-Gemeinschaft aufgelöst.

Seitdem der SDR einen Jahresüberschuß für 1996 von 6,3 Millionen Mark verkünden konnte und Fünfgeld erklärte, daß der "SWR deutlich wettbewerbsfähiger sein werde", gilt die Fusion auch sozialdemokratischen Zweiflern als Anstoß für eine Neuordnung der öffentlich-rechtlichen Medien. Alle bereiten sich auf den sogenannten freien Markt vor. Der Hörfunk wird entweder Staats- oder Dudelfunk, die ARD wird sich aus finanziellen Gründen mit der regionalen Nische im TV begnügen müssen, während das Zweite Deutsche Fernsehen zum ersten Fernsehkanal im Lande mutiert. Als wär's ein Schelmenstück von Adenauer.