Alles geht einmal zu Ende

Wirtschaftskrise und Opposition rütteln am Thron des indonesischen Präsidenten

Eigentlich ist Indonesien ein reiches Land. Bedeutende Bodenschätze, so Erdöl, Zinn, Nickel, Bauxit und Kupfer, werden hier gefördert. Doch die aktuelle wirtschaftliche Situation ist äußerst schlecht, allein in der Bauwirtschaft sollen seit Sommer letzten Jahres vier oder fünf Millionen Menschen ihre Arbeit verloren haben. Kaum verabschiedet, war auch der neue Staatshaushalt Indonesiens überholt, weil die Landeswährung Rupiah gegenüber dem US-Dollar enorm an Wert verlor. Hatte das Kabinett der südostasiatischen Inselrepublik den Haushaltsplan auf der Basis von 4 000 Rupiah pro Dollar berechnet, war die begehrte US-Währung tags darauf nur noch für das Doppelte zu bekommen.

Mitursache dafür ist der Haushaltsplan selbst. Dieser sieht eine Erhöhung der Staatsausgaben um fast ein Drittel sowie eine Neuverschuldung von 5,5 Milliarden Mark vor. Der Internationale Währungsfonds (IWF), bei dem Staatspräsident Suharto im Oktober Finanzhilfen von umgerechnet knapp 78 Milliarden Mark erbat, verlangt im Gegenzug für seine Kredite, ohne ein Defizit ins kommende Haushaltsjahr zu gehen. Sonst würde es seitens des IWF nicht einen Cent geben. Für den 14. Januar wurde der IWF-Direktor Michel Camdessus in Jakarta erwartet. Im Vorfeld der Visiste kündigte die indonesische Regierung am Sonntag den Stopp von 15 prestigeträchtigen Bauprojekten an.

Ob der seit 1965 herrschende Suharto auch weiterhin die Geschicke des Landes lenken wird, ist unklar. Im März steht nämlich die Präsidentenkür an, für die der 76jährige General zum siebten Mal antreten will. Die kritischen Stimmen gegen den Präsidenten mehren sich aber, und die Opposition formiert sich bereits. Ahmien Rais, Anführer der islamischen Organisation Muhammadiya, will sich gegen Suharto um die Gunst des tausendköpfigen Volkskongresses bewerben, dessen einzige Aufgabe es ist, alle fünf Jahre den Staatschef zu bestimmen. Verbündet hat er sich dazu mit Abdurrahman Wahid von der ebenfalls islamischen Nahdlatul Ulama und der von dem Forschungs- und Technologieminister Habibie mitgegründeten Organisation islamischer Intellektueller. Gemeinsam wettern sie gegen die Säkularisierung des Landes und gegen Suharto, dem sie "moralische Dekadenz, Korruption, Vetternwirtschaft und Raffgier" vorwerfen. Zur Unterstützung des 53 Jahre alten Rais sollte auch Megawati Sukarnoputri gewonnen werden. Sie ist die Tochter des Suharto-Vorgängers Sukarno, der bis 1965 für eine präsidial "gelenkte Demokratie" eintrat. Sukarnoputri erklärte sich aber am vergangenen Sonnabend selbst bereit, "die Führung unseres Volkes zu übernehmen, wenn dies der Wille des Volkes ist". Suharto würde dem Land nur Schaden zufügen. Die Sukarno-Tochter gilt als Erzfeindin des Diktators sowie der Militärs und der Regierungspartei "Funktionale Gruppen" (GOLKAR), ohne die Suhartos Herrschaft gar nicht möglich wäre. Mehrmals hat die Armee Oppositionsbewegungen gegen Suharto mit einem Blutbad beendet.

Auch jetzt wurden die Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Auf den Straßen der wichtigsten Orte patrouillieren seitdem Soldaten und Polizisten. Mit einer Kombination aus Abschrekkung und Beruhigung versucht Suharto, das Land unter Kontrolle zu bringen. Feisal Tanjung, oberster Befehlshaber der Streitkräfte, ließ gegenüber der offiziellen Nachrichtenagentur Antara durchblicken, die Armee werde Störungen der Präsidentenwahl im März auf gar keinen Fall dulden. Am 10. Februar wollen Regierung und Armeeführung zusammentreffen, um sich auf sogenannte "Notmaßnahmen" zu einigen. Suharto selbst wies anläßlich der Verabschiedung des Staatshaushalts Gerüchte über seinen schlechten Gesundheitszustand zurück - angeblich soll er einen Schlaganfall gehabt haben - und forderte die Bevölkerung auf, "einen kühlen und klaren Kopf zu bewahren".

Gegenüber der Tageszeitung International Herald Tribune dementierte ein Sprecher des Außenministerium noch am Freitag, daß Panik im Land herrsche. Gleichzeitig stiegen die Preise für Nahrungsmittel, u.a. für Reis, um bis zu 30 Prozent, und die Geschäfte wurden aus Angst vor weiteren Preiserhöhungen nahezu leergekauft. Der Versuch des staatlichen Fernsehens, durch die Ausstrahlung von Bildern gefüllter Lebensmittelabteilungen die Menschen zu beruhigen, scheiterte: Am Sonnabend wurde in der Hauptstadt Jakarta ein Markt regelrecht gestürmt. Die Armee droht nun jenen, die "lebenwichtige Güter horten", mit harten Strafen. Nach dem geltenden "Anti-Subversions-Gesetz" wäre dafür sogar die Todesstrafe möglich.

Gewaltsame Zusammenstöße gab es am 5. Januar bereits in Bandung. Aus Protest gegen eine Polizeirazzia zur Unterbindung des "illegalen" Straßenhandels, attackierten die Betroffenen chinesische Geschäftsinhaber. Schon Ende 1980 hatte es in dem Inselstaat Ausschreitungen gegen die chinesische Minderheit gegeben. Suharto selbst hatte bei Amtsantritt 1965 eine Hetzkampagne gegen die damals knapp drei Millionen Chinesen in Indonesien angezettelt. Dem Präsidenten galten sie als potentielle Sympathisanten eines angeblich kommunistischen Putsches gegen Amtsvorgänger Sukarno. Für Suharto ein Vorwand, de facto den Ausnahmezustand im Land zu verhängen. Etwa eine halbe Million Menschen wurden damals von der Armee umgebracht, die Kommunistische Partei ist seit 1966 verboten.

Angesichts einer Auslandsverschuldung von geschätzten 200 Milliarden Mark und des zu erwartenden Verarmungsschubes unter den über 200 Millionen Bewohnern Indonesiens ist auch die politische Zukunft unklar. Dazu wird sicher auch beitragen, daß jene Indonesier, die bisher im benachbarten Malaysia als "Gastarbeiter" tätig waren, wegen der dortigen Wirtschaftskrise des Landes verwiesen werden.

Glaubt man Kim Dae Jung, der im Februar in Südkorea das Präsidentenamt übernehmen wird, so ist die Situation in Ostasien allein der Fixierung "auf wirtschaftliches Wachstum" zuzuschreiben. Nach Suharto könnte es demnach nur besser werden. Den Islamisten Rais wird diese Einschätzung freuen.