Angelika Beier

»Ja klar, Kohl muß weg«

Die französischen Demonstranten seien nur eine "militante Randgruppe", hat ein Vertreter des Arbeitslosenverbandes kürzlich erklärt. Sehen Sie das ähnlich?

Mit Sicherheit nicht. Es handelt sich in der Mehrheit um Langzeitarbeitslose und Jugendliche, die keine Leistungen bekommen. Viele sind CGT-Mitglieder, die in den örtlichen Komitees mitarbeiten.

Wieso ist in Frankreich möglich, was hier unmöglich scheint - daß Arbeitslose eine starke politische Bewegung auf die Beine stellen?

In Frankreich trat eine neue Regierung an, die die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur Priorität erklärte - nun gibt es zumindest die Chance, daß sie einige Forderungen der Arbeitslosenbewegung umsetzen könnte. Das ist natürlich motivierender, als nach 15 Jahren CDU-Regierung festzustellen: Hier passiert nichts, im Gegenteil, es wird immer schlimmer. In diesem gesellschaftlichen Klima ist es schwierig, die Leute auf die Straße zu bringen. Mit den Gesetzesverschärfungen seit Jahresbeginn ändert sich das, denn sie bedeuten Disziplinierung und Schikane - es sind reine ordnungspolitische Maßnahmen. Irgendwann werden die Leute vielleicht denken: Jetzt reicht es.

Was ist am 5. Februar geplant?

Der Aktionstag findet zwar bundesweit statt, die Gruppen sollen sich jedoch dezentrale Aktionen vor Ort ausdenken. Man könnte z.B. angesichts der nun vorgeschriebenen Meldepflicht und des Bewerbungszwanges im neuen Sozialgesetzbuch die Eingänge der Arbeitsämter mit Bewerbungsschreiben zukleistern - oder sie zu besetzen, um zu zeigen, daß man rund um die Uhr verfügbar ist.

Wer koordiniert die Aktionen?

Wir haben uns als gewerkschaftliche Arbeitslosengruppen mit dem Arbeitslosenverband, den Sozialhilfe- und Erwerbsloseninitiativen verständigt. Am meisten hat uns überrascht, daß sich sofort viele Einzelgewerkschaften angeschlossen haben.

Gegen was richtet sich der Protest?

Wir kritisieren vor allem die Untätigkeit der Bundesregierung und die mangelnde Beschäftigungspolitik

Das ist doch ein alter Hut ...

Dadurch wird die Kritik ja nicht falsch. Konkret geht es um die Abschaffung der Bewerbungs- und der Meldepflicht und eine Rücknahme der neuen Verordnungen. Forderungen wie die nach 300 Mark mehr Arbeitslosengeld im Monat wurden bisher von den Initiativen nicht gestellt. Es wird allerdings seit langem über eine soziale Absicherung diskutiert, die deutlich über dem Sozialhilfesatz liegt.

Reduziert sich ein einzelner Aktionstag nicht nur auf das Medienereignis?

Proteste und Spontaneität kann man nicht verordnen. Wir müssen sehen, was sich daraus entwickelt. Wenn die Stigmatisierung der Arbeitslosen so groß ist, daß sich die Menschen nicht trauen, an die Öffentlichkeit zu gehen, ist das kurzfristig kaum zu ändern. In Frankreich gibt es eine viel größere Akzeptanz - bis zu 80 Prozent der Bevölkerung unterstützen die Aktionen der Arbeitslosen.

In Deutschland herrscht die Meinung vor, wer Arbeit will, der findet auch eine. Ich kann mir aber vorstellen, daß es nicht bei einer einmaligen Aktion bleibt. Unsere Idee ist, zumindest einmal im Monat, wenn die neuen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben werden, Aktionen zu machen - bis zur Bundestagswahl. Und kurz vor der Wahl dann eine große gemeinsame Demo in Berlin.

Arbeitslose als Wahlkampftruppe von Rot-Grün?

Ja klar, Kohl muß weg. Ob Rot-Grün dann wirklich was verändert und eine neue Politik wagt, werden wir sehen. Es wäre zumindest eine Chance.

Angelika Beier arbeitet in der Koordierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen in Bielefeld