Eoghan Mac Cormaic

Die Loyalisten werden mit uns reden müssen

In dieser Woche werden in Belfast die Friedensgespräche der nordirischen Parteien fortgesetzt. Eoghan Mac Cormaic, der wegen Polizistenmordes von 1976 bis 1991 im Zuchthaus saß, gehört heute der Führung von Sinn Féin an, die die katholischen Republikaner vertritt. - Am 30. Januar 1972 erschossen die Briten im nordirischen Derry 14 Katholiken, die gegen die willkürliche Internierungspraxis der Briten demonstrierten. Eine Untersuchungskommission unter Lord Widgery kam damals zu dem Schluß, daß die britischen Truppen von Demonstranten beschossen worden seien. Neue Dokumente jedoch belegen, daß das Feuer zuerst von den Briten eröffnet worden war. Premierminister Tony Blair hat im Januar 1998 angekündigt, daß der "Bloody Sunday" neu untersucht wird.

Der britische Premierminister Tony Blair glaubt nicht, daß er in seiner Lebenszeit noch ein vereinigtes Irland erleben wird

Wir sind überzeugt, daß Tony Blair das noch erleben wird, er ist doch noch kein alter Mann. Unsere Strategie sieht vor, in dieser Generation ein vereinigtes Irland zu verwirklichen. Im Jahr 1998 jährt sich der erste republikanische Aufstand zum zweihundertsten Mal, und wir werden die Gelegenheit dazu nutzen, dieser Generation zu zeigen, daß der Republikanismus die einzige Lösung für das Land ist.

Die derzeit in Belfast stattfindenden Friedensgespräche der nordirischen Parteien befassen sich mit den geplanten gemeinsamen Institutionen in Nordirland, darunter eine nach dem Verhältniswahlrecht gewählte nordirische Versammlung. Diese Vorschläge sind in republikanischen Kreisen auf heftige Kritik gestoßen, da die Institutionalisierung eines nordirischen Parlamentes als Bestätigung für die permanente Teilung Irlands angesehen wird. Welche Vorteile verspricht sich Sinn Féin davon, mit der größten protestantischen Partei, der Ulster Unionist Party (UUP), über die auch bei den Republikanern umstrittene Versammlung zu reden?

Für eine ausschließlich auf Nordirland bezogene Lösung, wie sie ja von den Unionisten favorisiert wird, gibt es weder gute Gründe noch eine Basis innerhalb der irischen Bevölkerung. Das würde die weitergehende Teilung der Insel zur Folge haben. Wir müssen versuchen, alle anderen Parteien davon zu überzeugen, daß unser Ziel, ein vereinigtes Irland zu schaffen, die einzige Garantie für den Frieden ist. Ob uns das gelingen wird, können wir nur herausfinden, wenn direkte Gespräche zwischen Sinn Féin und der UUP stattfinden. Ich hoffe, daß die Unionisten die ihnen übertragene Verantwortung gegenüber ihren Wählern wahrnehmen und mit Sinn Féin zu verhandeln bereit sind. Würden beide Seiten miteinander reden, wären Fortschritte im Friedensprozeß möglich. Es muß auch im alltäglichen Leben der Bevölkerung zu greifbaren Fortschritten kommen.

Deswegen nehmen wir die jetzige Verhandlungsrunde in Belfast auch zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß es eine Reihe von Problemen zu lösen gilt, die momentan aber nicht thematisiert werden, so z.B. der Mangel an Vertrauen und gegenseitigem Respekt zwischen Protestanten und Katholiken, das fehlende Recht der Republikaner, ihre Kinder in der gälischen Kultur erziehen zu lassen, und natürlich die Freilassung politischer Gefangener. Wichtigster Punkt für uns ist jedoch die Auseinandersetzung mit den Versuchen, erneut ein nordirisches Parlament ins Leben zu rufen. Eine solche Institution ist 1972 schon einmal gescheitert.

Die britische Regierung hat eine neue Untersuchung des Massakers vom 30. Januar 1972 im nordirischen Derry angeordnet. Die Wahrheit über den "Bloody Sunday" soll, so Blair, den Weg zur Versöhnung in Nordirland ebnen helfen.

Das ist ein kleiner Schritt in Richtung des nötigen Schuldeingeständnisses seitens der britischen Regierung gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen. Wie ernst Blairs Ankündigung gemeint ist, wird sich z. B. schon daran ablesen lassen, wie weit der Untersuchungsauftrag gehen wird.

Am 27. Januar präsentierten die britische und die irische Regierung ein neues Diskussionspapier, das eine Tendenz erkennen ließ, dem Gesamt-Irischen Rat exekutive Gewalt zuzugestehen. Dieses Papier bezog sich direkt auf das sogenannte Rahmendokument von 1995, in dem für Dublin und Ulster gemeinsame Institutionen vorgeschlagen wurden. Auf einer anschließenden Pressekonferenz zerriß UUP-Sprecher Jeffrey Donaldson demonstrativ ein Exemplar des Rahmendokuments, weil es nach Meinung der UUP Dublin zu viel Kompetenz einräumen würde. Kein gutes Zeichen für Gespräche zwischen UUP und Sinn Féin.

Der UUP, glaube ich, fehlt es an Mut. Ihr Führer David Trimble muß endlich zu seinem Anspruch stehen, die Interessen aller Unionisten Nordirlands vertreten, nicht nur die seiner Partei.

Trimble steht in einer historischen Verantwortung, ähnlich wie die Verhandlungsführer der weißen Minderheit, die in Gesprächen mit dem African National Congress (ANC) den friedlichen Machtwechsel in Südafrika vorbereiteten.

Nach dem jüngsten loyalistischen Mordanschlag hat die protestantische Loyalist Volunteer Force (LVF) in einer Erklärung am 30. Januar angekündigt, nur noch gezielte Anschläge auf prominente Republikaner zu verüben, die "normalen" Katholiken aber nicht mehr anzugreifen.

Einen Unterschied zu machen zwischen sogenannten normalen und nicht normalen Katholiken ist widerlich. Wenn die Terroristen der LVF sich z.B. heute abend ins Auto setzen, um einen Katholiken zu erschießen, werden sie den Mord rechtfertigen mit der Behauptung, daß das Opfer ein Republikaner sei. Republikaner bleiben weiterhin ein Ziel loyalistischer Angriffe. Trotz der Erklärung der LVF gibt es keine Zeichen für eine Deeskalation der Situation. Der Terror der letzten vier Wochen richtete sich ausschließlich gegen katholische Nationalisten, nicht gegen die republikanische Bewegung.

Sowohl die britische als auch die irische Regierung haben, um die Ängste der nationalistischen Bevölkerung zu entschärfen, vorgeschlagen, Sicherheitsmechanismen in Form einer "abgewogenen Mehrheit" in das projektierte nordirische Parlament einzubauen. Alle umstrittenen Gesetzesänderungen sollen zuerst von einem durch alle Parteien legitimierten Rat ratifiziert werden. Jede Entscheidung dieses Rates muß einstimmig sein.

Alle Vorschläge, die sich auf das Rahmendokument beziehen, haben wir bisher abgelehnt - aus gutem Grund. Unserer Ansicht nach bieten diese Vorschläge keine Lösung für den Konflikt in Nordirland. Was nun die Allparteien-Gespräche angeht, teilen wir die Meinung, daß alle Gruppierungen ihre Einwände und Positionen deutlich machen müssen, damit es zu Fortschritten kommen kann. Zur Zeit wollen die Unionisten nicht verhandeln, ihr einziger Beitrag zu den Friedensgesprächen ist die Weigerung, eine Änderung des Status quo überhaupt zu diskutieren. Ohne Gespräche zwischen der UUP unter Trimble und Sinn Féin aber wird es keine friedliche Lösung für Nordirland geben. Die Geschichte zeigt, daß dem Unionismus und der von seinen Anhängern praktizierten Demokratie nicht zu trauen ist. Der Stadtrat von Belfast ist das beste Beispiel: Bei den letzten Kommunalwahlen wurde Sinn Féin stärkste Partei, übernahm aber in keinem einzigen Unterausschuß den Vorsitz. Die vorgeschlagene abgewogene Mehrheit wird die Unionisten nicht daran hindern, Sinn Féin und damit die republikanischen Wähler weiterhin von alltäglichen Entscheidungen auszuschließen.

Wird es der republikanischen Bewegung gelingen, die bisherige Geschlossenheit zu bewahren, wenn es doch zur Konstitution eines solchen Parlaments kommen sollte?

Wir werden ein Abkommen als vernünftigen Schritt für Nordirland bewerten, einen Schritt auf der Suche nach einer friedlichen Lösung. Wir sind glücklich, daß die Bewegung Geschlossenheit zeigt, Sinn Féin hat immer noch die breite Unterstützung der republikanischen Anhänger hinsichtlich der momentanen Strategie in den Friedensgesprächen.

Wird Sinn Féin nicht Probleme haben, mögliche Kompromisse als notwendige Schritte auf dem Weg zum vereinigten Irland zu verkaufen?

Noch ist ungewiß, ob sich mit der für Mai geplanten Volksabstimmung die Lage ändern wird. Es ist klar, daß ein Allparteien-Konsens nötig für die geplante Abstimmung ist. Es ist aber auch klar, daß nur ein Abkommen, das die Interessen der Republikaner angemessen vertritt, die Unterstützung Sinn Féins bekommen wird. Momentan sind wir optimistisch. Die Gespräche letzte Woche in London, die jetzt in Belfast fortgesetzt werden, bewerten wir positiv. Die Unionisten müssen jetzt nach vorne schauen, nicht zurück, die Gedanken müssen den zukünftigen Generationen Nordirlands gelten, nicht einem 300 Jahre alten Krieg.