AJC-Büro in Berlin eröffnet

Botschaft für Deutschland

Im letzten Jahr machte das American Jewish Committee (AJC) mit ganzseitigen Anzeigen in US-amerikanischen Zeitungen von sich reden: "Raten Sie, welchem von diesen beiden Männern die deutsche Regierung eine Rente zahlt?" fragte ein Text neben den Fotos zweier älterer Herren. Eines zeigte einen osteuropäischen Holocaust-Überlebenden, das andere einen alten Nazi.

Kein Wunder also, daß die mit Gala-Diner und Bundespräsidenten-Empfang begangene Eröffnung des AJC-Europa-Büros letzte Woche in Berlin von der deutschen Öffentlichkeit mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Hatte das Komitee doch nicht nur mit diplomatischen, sondern auch mit politischen Mitteln erfolgreich Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, damit in den Verhandlungen mit der Jewish Claims Conference endlich eine Entschädigungsregelung für die Überlebenden des Holocaust in Osteuropa zustande kommen konnte.

Das AJC arbeitet heute in Form amerikanischer Lobby-Organisationen, einer Mischung aus politischer Pressure Group und Stiftung, vergleichbar mit den Parteienstiftungen in Deutschland. Als staatlich unabhängiger Verband fördert das Komitee Stipendiaten und will vor allem durch die Ausweitungen seiner Austauschprogramme zu einer Annäherung zwischen amerikanischen Juden und Deutschen beitragen. Im Berliner Büro soll deshalb eine wissenschaftliche Bibliothek zum amerikanischen Judentum entstehen.

Schon kurz nach 1945 hatte das AJC begonnen, Kontakte in die Westzonen und die spätere Bundesrepublik aufzubauen. 1906 gegründet, ist das AJC die älteste und größte politische Interessenvertretung der US-amerikanischen Juden. Gegen den Ausschluß der Juden aus zahlreichen Universitäten, Clubs, Vereinigungen und der Politik entwickelte sich das AJC schnell zu einer mächtigen Organisation derer, denen gesellschaftliche Teilhabe verweigert wurde. Gerade diese Tatsache erscheint jedoch dem antisemitischen Ressentiment als Bestätigung der Weltverschwörungsprojektion - und das nicht trotz, sondern wegen des öffentlichen Charakters der Institution. Zu den Vorurtelen hat nicht zuletzt die erfolgreiche Interessenvertretung, wie im Falle der Entschädigungsregelung für jüdische Überlebende in Osteuropa, beigetragen. Zumal mit Eugene DuBow auch ein prominenter Anti-Nazi-Aktivist Direktor der Einrichtung wird und Juden das Büro finanzieren, die aus Nazi-Deutschland fliehen mußten.

Die Vertreter des AJC wiesen darauf hin, daß ihre Organisation an der Entwicklung des deutsch-jüdischen Verhältnisses Anteil nehmen und von Berlin aus die jüdischen Gemeinden Osteuropas unterstützen, also eine Art "Botschaft" sein wolle. Von Berlins Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) über Außenminister Klaus Kinkel (FDP) bis hin zu Bundespräsident Roman Herzog waren alle Offiziellen bemüht, von der "Bereicherung" zu sprechen, die das Büro bedeute.

Die wie bei einer Botschaftseröffnung ausgetauschten diplomatischen Floskeln konnten jedoch nicht darüber hinweg täuschen, daß ein Grund für die Eröffnung auch in den Befürchtungen amerikanischer Juden über die jüngsten Entwicklungen in Deutschland liegt. Nicht zuletzt die Hartleibigkeit der Bundesregierung in Sachen Entschädigung hat bei vielen von ihnen den Eindruck erweckt, daß die Rechtsentwicklung nicht nur auf den rechtsextremistischen Straßenterror im Osten beschränkt ist.