Ganz normale Kriminelle

Mit der Darmstädter AG "Ausländische Intensivtäter" können Algerier schneller abgeschoben werden

"Wir haben uns mit dieser Gruppe von Straftätern einfach nur an die bundesweiten Sammeltransporte angehängt", frohlockte Heiner Jerofsky, Sprecher im Darmstädter Polizeipräsidium, über den Coup seiner Behörde. In Polizeibussen waren vergangene Woche rund hundert Algerier aus dem ganzen Bundesgebiet nach Bielefeld gekarrt worden, dem Zielort der "Sammeltransporte". Anlaß für die rege Reisetätigkeit: Algerische Untersuchungs- und Strafhäftlinge mußten bei einer zentralen Vorführung im Generalkonsulat des nordafrikanischen Landes Rede und Antwort über Herkunft und Identität stehen. Unter ihnen auch zwölf Häftlinge aus Darmstadt, deren Identität die Ende letzten Jahres eingerichtete Arbeitsgruppe "Ausländische Intensivtäter" auf diesem Weg herausfinden lassen wollte - mit dem Ziel, sie schneller abschieben zu können.

Dreh- und Angelpunkt für das intensive Bemühen der von Mitarbeitern der kommunalen Ausländerbehörde und des Polizeipräsidiums geführten Darmstädter Arbeitsgruppe ist die unklare Identität vieler straffällig gewordenen Migranten und Migrantinnen. Schließlich kann, wer keinen Paß hat, nicht abgeschoben werden. Gelingt es den Behörden während der Abschiebehaft nicht, die Identität des Häftlings zu klären, seine Papiere zu finden und das Heimatland zur Einwilligung in die Abschiebung zu bewegen, muß er wieder auf freien Fuß gesetzt werden.

Um das zu verhindern, gehen die Darmstädter Behörden auf Geheiß der Stadtoberen um den SPD-Bürgermeister Horst Knechtel neue Wege. Unabhängig davon, ob eine Straftat einer der Polizei bekannten Person zugerechnet werden kann oder nicht, so Polizeisprecher Jerofsky gegenüber Jungle World, "haben wir uns die Täter mit den häufigsten Fällen herausgepickt", um sie zügiger abschieben zu können. Kurzerhand sucht sich die AG "Ausländische Intensivtäter" also selbst die Opfer aus, die gerade opportun erscheinen. Die Auswahl der Personen, erläutert Jerofsky, richte sich nach Anzahl und Schwere der von ihnen verübten Fälle sowie nach deren ausländerrechtlichem Status. "Die werden wir nun nach und nach abarbeiten." Erster Erfolg der Arbeitsgruppe war die Reise nach Bielefeld: Nach der Unterredung mit den algerischen Behörden steht nun zumindest einer bereits einmal gescheiterten Abschiebung nichts mehr im Weg.

Das Interesse im Bürgermeisteramt ist offensichtlich: Abschiebungen zu beschleunigen, koste es, was es wolle. Im vermeintlichen Kampf gegen "kriminelle Ausländer" werden dabei alle humanitären Grundsätze über Bord geworfen. Bedenken über Abschiebungen in Bürgerkriegsländer wie Algerien werden schlichtweg ignoriert. Schließlich handele es sich nicht um Fundamentalisten, die um ihr Leben zu fürchten hätten, sondern um "ganz normale Kriminelle".

"Sekundär ist es", so weiß man im Amt des Stadtvorstehers, "ob die Abschiebungen mit sozialdemokratischen Gedankengut vereinbar sind." Die Kommune sei in erster Linie den Gesetzen verpflichtet. Volle Unterstützung erfährt die Darmstädter Linie dabei aus dem hessischen Innenministerium, die mit Gerhard Bökel ebenfalls von einem Sozialdemokraten geleitet wird. In den vergangenen Monaten hatte er zwar immer wieder gefordert, einen bundeseinheitlichen Abschiebestopp für algerische Flüchtlinge zu verhängen - um dann aber bei der Innenministerkonferenz regelmäßig einzuknicken und sich der restriktiven Haltung der Bundesregierung anzupassen.

Damit die Darmstädter Gangart verteidigt werden kann, hält man sich in der Wiesbadener Regierung an zweierlei: Zum einen an die Berichte des Auswärtigen Amts, die ungeachtet der Massaker in Algerien von Monat zu Monat neue, "sichere" Regionen für abgeschobene Flüchtlinge nachweisen, zum anderen an die Trennung von Migranten in "kriminelle" und "gesetzestreue Ausländer". Demnach, so ein Ministeriumssprecher, habe die Abschiebung eines Algeriers, der in Frankfurt oder Darmstadt mit Drogen gehandelt hat, nichts gemein mit dem "berechtigten Anspruch algerischer Asylanten hier auf Schutz vor Verfolgung dort". Dringendste Aufgabe der staatlichen Behörden sei es deshalb nicht, sich um die Sicherheit der Abgeschobenen in Algerien zu kümmern, sondern den "Strafanspruch des Staates" durchzusetzen. Dazu könne man den Kollegen in Darmstadt nur gratulieren.