Halluzinierte RAF-PKK-Connection

Bundesanwaltschaft läßt sechs Wohnungen und linke Projekte durchsuchen

Seit Jahren läßt die RAF so gut wie nichts mehr von sich hören. Niemand geht ernsthaft davon aus, daß sich die verbliebenen Reste der Stadtguerilla-Gruppe sowie deren politisches Umfeld derzeit noch mit bewaffneten Interventionen beschäftigen. Und auch von der PKK sind in Deutschland wohl kaum mehr militante Angriffe zu erwarten, seit Parteichef Abdullah "Apo" Öcalan regelmäßig mit dem Unionsrechtsaußen Heinrich Lummer über die deutsch-kurdische Zukunft plaudert.

Im Gegenteil: Selbst Generalbundesanwalt Kay Nehm will in der Kurdischen Arbeiterpartei keine terroristische Vereinigung mehr erkennen. Wenn sich die Karlsruher Beamten also trotzdem aufmachen, um einer vermeintlichen RAF-Nachwuchsorganisation auf die Spur zu kommen, die auch noch mit den Kurden gemeinsame Sache macht, dann führt der oberste Strafverfolger anderes im Schilde.

Wohlinformierte Kreise wußten denn auch gleich, was zu sagen war, als am 5. Februar auf der Suche nach jener neugeschaffenen Combo sechs Wohnungen und Büroräume in Köln und Hamburg durchwühlt wurden. So berichtete das Hamburger Abendblatt von "unbestätigten ersten Informationen", nach denen die "neue linke Terrorgruppe Anschläge auf öffentliche Gebäude, Behörden und Ämter" geplant haben soll. Von einem "Stich ins Wespennest" sprach Die Welt nach dem morgendlichen Besuch der Beamten in der Hamburger Brigittenstraße 5, der "B 5", die zunehmend

"der extremen Linken" als Kommunikationszentrum diene. Dezent verweist das Springer-Blatt noch darauf, daß dort beispielsweise das linke Internet-Projekte Nadir sowie die Kurdistan-Solidarität Hamburg beheimatet sind. Naheliegend also, daß der ebenfalls heimgesuchte Kölner kurdische Rechtshilfeverein Azadi in der Aktion der Karlsruher Bundesanwaltschaft (BAW) den Versuch sieht, die bundesweite Zusammenarbeit von Kurdistan-Solidaritätsgruppen zu behindern und "internationalistisches Engagement" zu diffamieren.

Die BAW hat allerdings alle Mühe, die Aktion, bei der niemand verhaftet, aber zahlreiches Arbeitsmaterial beschlagnahmt wurde, zu begründen. Einen "Anfangsverdacht" habe es gegeben, erklärt Sprecherin Frauke Scheuten der Jungle World, aber "keine Anzeichen für geplante Aktionen". Also nichts? "Ein bißchen mehr als Vermutungen, keine bedeutsame Sache."

Über die vermeintliche RAF-PKK-Connection hüllt sich die Behörde in Schweigen. Man kann allerdings mit Sicherheit davon ausgehen, daß die Fahnder erneut auf jene angeschimmelte Geschichte zurückgreifen, mit der in den vergangenen Jahren regelmäßig Linke in Frankfurt am Main von Staatschutzbeamten heimgesucht wurden: 1995 beschlagnahmten deutsche Beamte einen Brief, in dem die seit mehreren Jahren abgetauchte Andrea Wolf geschrieben haben soll, daß eine militante antiimperialistisch orientierte Gruppe aufgebaut werden müßte. Die ehemalige Frankfurterin, die nach dem Willen der Bundesanwaltschaft am RAF-Anschlag auf den Knastneubau in Weiterstadt 1993 beteiligt gewesen sein soll, hält sich, so hat Onkelchen Öcalan verraten, bei der kurdischen Guerilla auf.

Nun dürfte nicht nur der PKK-Chef wenig Interesse daran haben, sich seinen Annäherungskurs an die deutsche Regierung durch halluzinierte RAF-PKK-Kommandos verderben zu lassen. Auch beim Verfassungsschutz hört man den Namen Andrea Wolf wahrscheinlich nicht gerne. Schließlich hat sie im Herbst vergangenen Jahres der RAF vorgeworfen, die Gruppe habe bislang verschwiegen, daß der V-Mann Klaus Steinmetz schon vorzeitig über den Anschlag in Weiterstadt informiert gewesen war. Eine Antwort auf diesen Vorwurf ist bislang nicht nur die RAF, sondern auch der Verfassungsschutz schuldig geblieben.

An diese Leiche im Kölner Geheimdienstkeller zu erinnern, dürfte einigen Bundesanwälten in Karlsruhe allemal ins Konzept passen. Schließlich sind die beiden Sicherheitsbehörden doch gerade in Sachen "Terrorfahndung" traditionell zerstritten. Ein dezenter Hinweis kann da manchmal hilfreich sein. Schließlich stehen demnächst mindestens zwei Prozesse gegen angeblich ehemalige Mitglieder von RAF und Rote Zora an. Dort wird sich zeigen, ob sich das Verurteilungsinteresse einiger Bundesanwälte gegen das Konzept des Verfassungsschutzes durchsetzen kann, das jenen Straffreiheit in Aussicht gestellt hat, die nach Absprachen mit dem Geheimdienst freiwillig aus der Illegalität zurückgekehrt sind.