Ostfront gegen Traumpaar

In Nagano benehmen sich nicht nur die deutschen Sportler schlecht, sondern auch die Reporter

Wann immer sich eine deutsche Reisegruppe ins Ausland aufmacht, gibt das Anlaß zu Besorgnis. Im Sport ist das auch nicht anders. Allerdings wird da nur auf deutsche Hools, oder was man dafür hält, geachtet, die deswegen von Polizisten begleitet werden, welche ihretwegen im Vorfeld ständig Konferenzen mit ihren ausländischen Kollegen abgehalten haben. Schon bevor die vermutlichen Gewalttäter abreisten, erscheinen Zeitungsberichte und Fernsehbeiträge, in denen man sich ausführlich Sorgen über ihr zu erwartendes Auftreten und den daraus resultierenden Schaden macht.

Bloß daran, daß man eigentlich auch auf die Sportler aufpassen sollte, denkt in der Regel niemand. In Nagano war schon sehr schnell klar, daß die Deutschen auch diesmal wieder kein Fettnäpfchen auslassen würden.

Denn der deutsche Funktionär und sein Sportler trauen dem Ausländer nicht, und schon gar nicht dem, was er ißt. Deswegen reiste der Olympiakader auch mit eigenem Koch und eigenen Lebensmitteln nach Japan. Diese Verpflegungsfrage hatte in den siebziger Jahren z.B. bei einem Europapokalspiel der Münchener Bayern bei Dynamo Dresden noch für beträchtliche Irritationen gesorgt, mittlerweile scheinen sich die Gastgeber daran gewöhnt zu haben.

Auch das gewohnheitsmäßig schlechte Benehmen deutscher Sportler scheint in der Regel einfach hingenommen zu werden, manchmal allerdings wird es dann doch bestraft. Jochen Behles hochnäsiger Erklärung, daß die Japaner eh keine Ahnung vom Langlaufen hätten, folgte das Langlauf-Staffelrennen, in dem eben diese ahnungslosen Japaner einen Platz noch vor der deutschen Equipe belegten.

Ein weiterer Grund zum Meckern ist für die Sportler traditionell die Unterbringung. Bei der Winterolympiade erklärten zwar die meisten deutschen Athleten, mit ihren Unterkünften sehr zufrieden zu sein, aber das hielt nicht lange vor. Der erste, der sich beschwerte, war der Skispinger Dieter Thoma, allerdings erst, nachdem er den Wettbewerb erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Danach zeigte er sich jedoch sehr unzufrieden mit den Betten und dem ganzen anderen Rest, und es war niemand da, der ihn über gutes Benehmen aufgeklärt hätte.

Wer auch? Denn eigentlich brauchten nicht nur die deutschen Sportler ständige Betreuung, sondern auch die mitgereisten Reporter. Die neigten schon vor der Olympiade dazu, Japan auf ein Land der Sushi-Esser und verbissen Arbeitenden zu reduzieren und ließen schon in den ersten Wettbewerbstagen kein Klischee aus. Als sich der kenianische Skilangläufer während des Trainings im Wald verirrte, wurde dies begeistert in die Berichterstattung aufgenommen, denn "Exoten" mag der Sportreporter immer besonders gern. Und natürlich ausländische Sportler, die Deutsch sprechen können, weil ihnen im Wintersport auch nichts anderes übrigbleibt. "In den alpinen Sportarten ist die Umgangssprache Deutsch, das mag einem nun passen oder nicht!" stellen Fernsehreporter immer wieder begeistert fest, um gleich darauf etwas gequält dreinschauende Finnen, Italiener oder Norweger zum Kunststückchenmachen vors Mikrophon zu zerren.

Aber es gibt auch böse Ausländer, und das sind die, die den deutschen Sportlern keine Goldmedaillen gönnen. Nach der Kür des Eisklunstlaufpaares Mandy Wötzel und Ingo Steuer, von der deutschen Presse schon vor ihrem Auftritt zu Goldfavoriten erklärt, war der ARD-Kommentator Daniel Weis völlig sicher, daß die "überragende" Vorstellung mit dem ersten Platz enden mußte. Auf Eurosport erklärte der englische Kommentator zur gleichen Zeit, daß dies eine ziemlich langweilige Vorstellung gewesen sei, mit Gold müsse man deswegen nicht rechnen.

So geschah es dann auch, Wötzel / Steuer, "unser Eis-Traumpaar" (B.Z.), wurden nur Dritte. Aber nicht wegen ihrer eher durchschnittlichen Leistungen, sondern, so Daniel Weis: "Die ehemalige Ostfront hat gemeinsam den Westen ausgebremst. Das war wie früher im Kalten Krieg, so läuft das anscheinend immer noch" - schlechte deutsche Leistungen kommen in der Welt des Sports nämlich einfach nicht vor.