Gedenkminute

"Dieser Weg ist der richtige für Berlin", sagte Innensenator Jörg Schönbohm am vergangenen Donnerstag, nachdem das "Jahrhundertprojekt" Bezirksreform endlich von der Großen Koalition abgesegnet worden war. Zwölf Bezirke soll es künftig nur noch geben, was in etwa der Anzahl der Tarifzonen bei der schon wieder teurer gewordenen BVG entspricht. Zwei Tage vor Schönbohms Wegweisung mußte aber noch ein Hindernis aus dem rechten Wege geräumt werden: Das letzte besetzte Haus Berlins in der Lichtenberger Pfarrstraße 104.

"Zeit für einen Nachruf!" sagen Sie? Aber die Abgesänge auf die Berliner Hausbesetzerbewegung sind doch schon so häufig aus den Schubladen gezerrt worden, seitdem der Schönbohm vor gut zwei Jahren sein Amt in der Hauptstadt, die nun erst recht eine werden sollte, angetreten hat.

Nachdem er in seinen ersten Amtsmonaten ein rasantes Tempo vorlegte, ließ er die Zügel schleifen. Rechnet man den Schnitt der Anfangszeit hoch, hätte Berlin nämlich schon im Mai 1997 hausbesetzerfrei sein müssen. Immer wieder folgten kurze Pausen, in denen sich der Schönbohm um Wagenburgen, Graffiti-Sprayer und S-Bahn-surfende BGS-Trupps kümmern mußte. Nun ist es endlich soweit, und niemand wundert sich. Warum auch? Der Mann macht seinen Job doch gut.

Zu gut, befürchten da schon einige, die in ihrer Mehrheit zahlende CDU-Mitglieder sind. Unter 99,8 Prozent Zustimmung blieb der "General", wie ihn Freunde und Feinde liebevoll nennen, beim vergangenen Landesparteitag nur, weil der reaktionäre Parteizirkel Union 2000 den Regierenden Bürgermeister nicht brüskieren wollte und sich vornehm zurückhielt. Will der Schönbohm etwa schon bei der Abgeordnetenhauswahl 1999 Diepgen beerben?

Überhaupt: Es sollte endlich mal jemand darüber etwas schreiben, daß man die Jahrtausendwende um ein paar Monate vorziehen sollte, damit sich keine Gruppierung, keine Werbeagentur, keine Partei und kein Gartengerätehersteller mehr das alberne Anhängsel "2000" in den Titel setzen kann. Sogar Talkmaster Christoph Schlingensief muß seinen Beitrag zur Bundestagswahl "Chance 2000" nennen. Man hält es nicht aus.

Aber zurück zur Pfarrstraße. Wie in solchen Fällen üblich wurde im frühen Morgengrauen und unter Verletzung elementarer Grundrechte vorgegangen. Das kennen wir ja. Aber daß jetzt dazu übergegangen wird, Hunde zu erschießen - in Berlin! - ist zumindest neu. Und so möchte ich - selbst ein Feind des Haustiers, jedoch in dieser Stunde von tiefer Toleranz durchdrungen - mit einer Gedenkminute für den Bullterrier Jason D. enden.