Soviele Verbände wie Abkürzungen

Worauf der Schwergewichtsboxer Axel Schulz warten muß, um doch noch Weltmeister zu werden

Alle sind Weltmeister, außer Axel. Im Profiboxen werden soviele Titel vergeben wie bei Miß-Wahlen. Nicht mal Insider kennen die genaue Zahl der existierenden Weltboxverbände. Zwölf bis 15 sollen es sein. Sicher ist nur, daß es drei wichtige gibt - WBC, WBA und IBF - dann gibt es noch zwei, die man analog zur Weltmarktstellung der südostasiatischen Schwellenländer als Tigerverbände bezeichnen könnte - WBO und WBU -, und daß noch weitere existieren, für die sich aber weder Publikum noch Fernsehanstalten interessieren.

Weltboxverbände gibt es beinahe soviele wie man sich sinnvolle Abkürzungen rund um das Boxen überlegen kann. WBC steht für World Boxing Council, WBA für World Boxing Association, IBF für International Boxing Federation, WBO für World Boxing Organization und WBU, fast hätt' man's geahnt, für World Boxing Union. Die unbedeutenden tragen Namen wie IBC, IBA, IBO, WBF oder WAA, deren Namen man sich nun leicht zusammensetzen kann. Und der einzige etwas schwieriger zu dechiffrierende, weil nach Wiederaufbereitungsanlage klingende Club, die WAA, ausgeschrieben: World Athletic Association, wird zwar in den meisten Listen noch geführt, hat sich aber Ende der achtziger Jahre aufgelöst. Daß es diesen Verband gab, hat für deutsche Freunde des Boxsports eine Besonderheit: Der frühere Superfedergewichtler René Weller ist bis heute ungeschlagener WAA-Weltmeister und wird es wohl bleiben.

Axel Schulz hingegen, Schwergewichtler aus Frankfurt/Oder, der am vergangenen Samstag eigentlich um den Europameistertitel boxen wollte, was ihm aber vom Verband untersagt wurde, hat bekanntlich schon drei Anläufe auf einen Weltmeistertitel hinter sich, die alle drei scheiterten. Gegen George Foreman, Fran ç ois Botha und Michael Moorer verlor er, und nun gehört er zu den wenigen Profiboxern, so scheint es auf den ersten Blick, die keinen Titel besitzen.

Läßt man die Operettenverbände weg und zählt nur die wichtigen fünf, gibt es vier Schwergewichts- und vier Halbschwergewichtsweltmeister. Evander Holyfield hält den schweren Titel der WBA und der IBF, Lennox Lewis den der WBC, ein hierzulande beinahe völlig unbekannter Mann namens Corrie Sanders ist Champ der WBU, und Herbie Hyde ist Schwergewichtsweltmeister der in Deutschland etwas bekannteren WBO. Um diesen Titel will und wird demnächst der Frankfurter Willi "de Ox" Fischer kämpfen. Axel Schulz aber, vom Fernsehsender RTL immer noch als die deutsche Schwergewichtshoffnung verkauft, ist auf den Weltranglisten der Verbände nirgends unter den Top Ten zu finden. Einzig die WBC führt ihn überhaupt noch, und zwar als 13.

Bei den wenigen Durchblickern in Deutschland orientiert sich das Interesse daher auf Graciano Rocchigiani und das Halbschwergewicht. Der hat am 21. März in Berlin seinen Kampf um den Titel der WBC, der sportlich höherwertig ist als der der IBF, die Henry Maske als Weltmeister führte. Der WBC-Titel ist zur Zeit vakant, weil einer der besten Boxer der Gegenwart, Roy Jones jr., ihn abgelegt hat; der IBF-Titel gehört Reggie Johnson, den man hier kaum kennt, WBA-Weltmeister ist Lou del Valle, und Titelträger der WBU ist Frank Tate. Der Deutsche Dariusz Michalczewski, der eine Weile drei Titel besaß, hält zur Zeit nur noch den der WBO, die anderen hat er niedergelegt.

Diese vielen Weltverbände haben immerhin eins gemeinsam: Sie wollen Axel Schulz nicht als Weltmeister haben. Ansonsten können sie sich nicht leiden und sind jeweils in unterschiedlichen Ländern und bei unterschiedlichen Fernsehanstalten präsent. Als der bedeutendste gilt die WBA, die 1962 gegründet wurde und aus der NBA, der National Boxing Organization, hervorging. Aus Ärger über die Dominanz der weißen US-Boxpromoter gründeten südamerikanische Boxer und Manager 1964 die WBC. Konflikte innerhalb von US-Promotern führten 1984 zu einer erneuten Abspaltung von der WBA: die IBF wurde vom früheren WBA-Präsidenten Robert W. Lee ins Leben gerufen.

Europäische Promoter gründeten 1988 die WBO, weil auch sie ihre Weltmeister haben wollten. Um das einfache und lukrative Ziel ein wenig zu bemänteln, findet sich in der WBO-Satzung das angebliche Ziel der "Vermittlung von Würde, Demokratie und Ehre". Die wichtigste Fachzeitung der Welt, die in New York erscheinende The Ring, führt aber bis zum heutigen Tage die WBO-Listen nicht auf, weil zu unwichtig. Nur hierzulande wird die WBO zu den großen Weltverbänden gezählt. RTL spricht beispielsweise von den "Großen Vier". Die WBU hingegen, etwa zur gleichen Zeit wie die WBO gegründet, ist, weil die WBO hauptsächlich von den Deutschen dominiert wird, von englischen Promotern und Ex-Boxern bestimmt. Sie leistet sich immerhin als Aushängeschild George Foreman, bis zum letzten Jahr noch deren Schwergewichtsweltmeister.

Das Verbändechaos, das Ausdruck der Anarchie des Boxmarktes ist, hat auch schon die noch recht junge Disziplin des Frauenprofiboxens erreicht. Zwei Verbände, die WIBF (Women's International Boxing Federation) und die IFBA (International Female Boxing Association) gibt es. Im Grunde zeigen die Frauen den Männern nur, daß man mit vier Buchstaben noch viel mehr Weltverbandsabkürzungen zustande bringt als mit dreien. Wenn es aber erst eine International Federation of Men's World Boxing (IFMWB) gibt, dann hat auch Axel seinen Titel.