Gerald Hahn

»Straftaten dürfen gar nicht erst stattfinden«

Mega ist das Kürzel für die neuste Waffe des brandenburgischen Innenministeriums gegen den Rechtsextremismus. Am 10. Februar stellte Innenminister Alwin Ziel die 40 Beamte zählenden "Mobilen Einsatztrupps gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit" der Öffentlichkeit vor. Gerald Hahn ist Leiter der Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamts Brandenburg und Chef der Mega.

Warum wurde die Mega gegründet?

Die Arbeit der brandenburgischen Polizei auf dem Gebiet der Bekämpfung des Rechtsextremismus ist eigentlich recht erfolgreich - was die Aufklärung angeht. Wir haben bei diesen Straftaten die relativ gute Aufklärungsquoten von 80 Prozent. Trotzdem ist es bisher nicht besonders gut gelungen, diese Straftaten zu verhindern. Deshalb wurde die Mega gegründet. Wir haben das Konzept, zu bestimmten Schwerpunktzeiten an bestimmten szenerelevanten Orten mit Polizeikräften präsent zu sein, damit potentielle Straftäter abgeschreckt werden.

Wie hat man sich denn so einen Einsatz der Mega vorzustellen?

Die Mega besteht aus fünf mobilen Einsatztrupps. Jeder Einsatztrupp ist normalerweise im Bereich eines Polizeipräsidiums unterwegs. Das sind acht Leute mit mindestens drei Fahrzeugen. Die Schwerpunktbestimmung - also zu welcher Zeit an welchem Ort die Kollegen eingesetzt werden - erfolgt von meiner Abteilung aus.

Was sind denn Schwerpunktzeiten?

Die absoluten Schwerpunkte sind die Nächte Freitag zu Sonnabend, Sonnabend zu Sonntag. Zur selben Kategorie gehören noch - auch wenn da etwas weniger los ist - die Nächte Sonntag zu Montag und Donnerstag zu Freitag. Es beginnt ungefähr um 18 Uhr und geht bis zwei oder drei, bis die letzten Kneipen geschlossen haben und die Leute sich auf dem Nachhauseweg befinden.

Es heißt, daß die Mega auch über einen eigenen Hubschrauber verfügt ...

Brandenburg ist ein Flächenland. Und wenn ein solcher Schwerpunkt sichtbar wird, dann müssen wir natürlich relativ schnell die Kräfte an einer bestimmten Stelle haben.

Die Mega gibt es offiziell seit einer Woche. Gab es schon erste Einsätze der Mega?

Es gab an dem vorigen Wochenende schon erste Einsätze und zwar in allen Präsidialbereichen. Schwerpunkte waren in Elsterwerda, Cottbus, Potsdam, Angermünde, Frankfurt, Fürstenwalde, Wittstock und Lögan.

Und mit welchem Ergebnis?

Es wurden durch meine Kräfte 281 Personen kontrolliert und ihre Identität festgestellt. Nach Abgleich mit den polizeilichen Dateien wurde festgestellt, daß zu 90 dieser 281 Personen polizeiliche Erkenntnisse vorlagen. Wir haben 85 Fahrzeuge kontrolliert und davon drei stillgelegt. Es wurden 22 Personen in Gewahrsam genommen, eine Person wurde vorläufig festgenommen und ein Haftbefehl vollstreckt. Es wurden 58 Platzverweise erteilt, 15 Straftaten festgestellt und fünf Ordnungswidrigkeiten.

Was für Straftaten waren das?

Das waren insbesondere sogenannte Propagandadelikte, also Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Hakenkreuze, Schmierereien und das Mitführen von solchen Symbolen oder das Zeigen vom Hitlergruß. Es wurden dann eine Reichskriegsflagge, Messer, Totschläger, Feuerwerkskörper, Propagandamaterial und Tonträger - das sind in der Regel CD von Skinheadbands mit volksverhetzenden Texten - beschlagnahmt bzw. sichergestellt.

Gab es denn einen speziellen Anlaß für den Einsatz in Angermünde ?

Angermünde stellt nach der Analyse, die wir hier im Staatsschutz betreiben, auf dem Gebiet Rechtsextremismus und auch der Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken einen Schwerpunkt dar. Zuletzt beispielsweise mit den beiden versuchten Brandanschlägen auf das Alternative Literaturcafé. An diesem Wochenende haben wir entdeckt, daß ein Überlebenstrainingscamp im Wald errichtet werden sollte. Die Leute sind vorläufig festgenommen worden.

Von welcher Organisation wurde das Camp denn ausgerichtet ?

Das kann man so nicht beantworten. Auffällig ist bei den Leuten, um die wir uns mit Mega kümmern, daß die eigentlich keiner festen Organisation und festen rechten Struktur angehören. Es ist überhaupt so, daß der organisierte Rechtsextremismus, wie wir ihn vor ein paar Jahren in Brandenburg noch ganz auffällig hatten, doch weitestgehend zurückgedrängt wurde.

Aber wenn eine Verbindung zu Organisationen besteht, um welche handelt es sich dann? Zu den Strukturen der aufgelösten Nationalen?

Ja, am ehesten noch zu den Kameradschaften, die noch bis vor kurzem unter dem Dach der Nationalen e.V. agierten. Diese Kameradschaften gibt es zum Großteil noch, nur der Dachverband ist aufgelöst.

Es gab ja 1994 die Sonderkommission gegen rechtsorientierte Gewalt (Rega). Was ist neu an der Mega?

Die Rega sollte die Strafverfolgung verbessern. Jetzt geht es darum, diese Straftaten erst gar nicht stattfinden zu lassen. Es muß aufhören, daß Leute Angst haben, den S-Bahnhof zu verlassen, weil sie Gefahr laufen, daß da jemand rumlungert, der sie anpöbelt, und wo dann aus der Gruppe heraus vielleicht eine Straftat begangen wird. Wir wollen denen auf die Füße treten, damit sie es sich überlegen, ob sie das überhaupt machen.

Die Soko Rega ist ziemlich oft gegen Linke vorgegangen. Hat die Mega auch noch einen Schwerpunkt linke Gewalt?

Erstmal ist die Ausrichtung eindeutig - in Richtung Zurückdrängung von Rechtsextremismus und fremdenfeindlicher Gewalt. Natürlich gibt es auch in Brandenburg Dinge im linksextremistischen Bereich, die zwar nicht unbedingt Probleme bereiten, aber auf die man aufmerksam schauen muß. Erstmal im Zusammenhang mit Rechts-Links-Auseinandersetzungen, wie man das im Bereich Angermünde sieht, und auch in anderen Bereichen, beispielsweise in Cottbus, in Guben oder auch in Eberswalde, wo auch Linke Front machen gegen faschistische Tendenzen und extremistische Tendenzen. Dann muß ich natürlich noch erwähnen, daß im linksextremistischen Bereich die Ausrichtung wohl noch etwas anders ist, das heißt, daß man Gewalt beispielsweise im Zusammenhang mit Atomtransporten ausübt, aber nicht gegen Personen, sondern gegen Sachen. Das sind aber keine Situationen, bei denen mit solchen außergewöhnlichen Mitteln wie der Mega reagiert werden müßte.

Sehen Sie denn die Gefahr, daß die JN/NPD in Zusammenarbeit mit den Nationalen ihre Strukturen im Land Brandenburg ausweiten ?

Dafür gibt es im Augenblick keine Hinweise. Gleichwohl sehe ich ihre Bestrebungen, durch populistische Losungen - zum Beispiel "Arbeit zuerst für Deutsche" - Leute heranzuziehen. Man versucht, die ja durchaus vorhandenen sozialen Probleme im Land Brandenburg zu nutzen.

Da muß man unterscheiden: Die, die am Bahnhof stehen, Bier trinken und wenn jemand vorbeikommt, der anders aussieht als sie selber, den dann niederschlagen, das sind zu einem Großteil nicht die gleichen Leute, die man im Auge haben muß, wenn es um organisierte Aktionen der JN und NPD geht. Die am Bahnhof sind nicht in jedem Fall Leute, die von dieser rechtsextremistischen Ideologie durchdrungen sind. Die rufen in ihrem Suff "Heil Hitler" und meinen auch, daß sie Rechte sind. Aber es sind andere als die, die ganz bewußt und zielgerichtet bei der JN und NPD Mitglieder werden.

Aber ich bin weit davon entfernt, das zu bagatellisieren. Ich will zwar nicht sagen, daß es ein heißes Frühjahr gegeben muß. Aber die Zahlen aus dem zurückliegenden Jahr sollten uns eine Warnung sein. Es gibt signifikante Termine, die in der rechten Szene auch ganz bewußt genutzt werden: Sommer- und Wintersonnenwendfeiern, Hitlers Geburtstag etc.

Ist die Mega denn auch gegründet worden, weil Sie davon ausgehen, daß es ein heißer Sommer wird ?

Ich gehe davon aus, daß es - und da brauchen wir nicht drumrum zu reden - im Bereich der rechtsextremistischen Straftaten und fremdenfeindlichen Gewalt eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr gegeben hat, und eine Fortsetzung dieser Entwicklung dürfen wir nicht zulassen. Insbesondere spektakuläre Einzelfälle sind nicht nur unerträglich, sie schaden auch dem Ansehen dieses Landes und müssen einfach beendet werden. Deshalb ist die bisherige Konzeption der Polizei durch diese Maßnahme Mega ergänzt worden. Und ich hoffe, daß sich damit mittelfristig diese spontanen, situativen rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierten Gewaltdelikte zurückdrängen lassen. Das ist mein Ziel.

Sehen Sie denn einen Zusammenhang zwischen einer gewaltbereiten rechten Szene und Jugendclubs, die explizit nur mit rechten Jugendlichen arbeiten? Sind das Sammelpunkte?

Man kann dieses Problem nicht alleine mit polizeilichen Mitteln bewältigen. Meiner Ansicht nach gehört auch eine vernünftige Jugendclubarbeit dazu. Es muß jemand auf die Jugendlichen zugehen und sich um sie kümmern, auch um die, die vielleicht nach Rechts abgedriftet sind. Aber das muß dann auch mit Konsequenz zu Ende gebracht werden. Nicht, daß die sich irgendwo sammeln - vielleicht zunächst in guter Absicht -, dann sind sie zwei Stunden unter einer gewissen Aufsicht, und dann gehen sie gemeinsam los und hinterher finden dann Straftaten statt.