Joachim Herrmann

»Kohl sollte sich um Deutschland kümmern«

Der Erlanger CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Herrmann, Jurist, Jahrgang 1956, römisch-katholisch, verheiratet, 3 Kinder, Hauptmann d.R., 1979/80 Landesvorsitzender des RCDS in Bayern, 1987 bis 1991 stellvertretender Bundesvorsitzender der JU, 1992 bis 1997 Syndikus der Siemens AG, Mitglied des Aufsichtsrates der Erlanger Stadt werke AG, ist stellvertretender Generalsekretär der CSU. Er wurde auf dem Fürther Parteitag im April 1997 Generalsekretär Bernd Protzner zur Seite gestellt. Herrmann ist verantwortlich für den Landtagswahlkampf seiner Partei in diesem Jahr.

Edmund Stoiber hat Helmut Kohl "taktische Fehler" vorgeworfen, die CSU-Spitze hat sich seiner Kritik angeschlossen. Welche Fehler hat Kohl gemacht?

Der Kanzler hat sehr viel Erfahrung und nimmt außenpolitisch auch sehr viele Termine wahr. Man hat aber vielfach den Eindruck, daß sich der Kanzler um die innenpolitischen Probleme zu wenig kümmert. Heute steht nicht mehr die Bedrohung aus dem Osten ganz oben auf der Themenliste, sondern die Arbeitslosigkeit. Hier wird ein persönlicher Einsatz des Bundeskanzlers vermißt. Bis zur Bundestagswahl sollte sich der Kanzler weniger intensiv um außenpolitische Fragen kümmern und sich mehr auf die Innenpolitik konzentrieren.

Stichwort Innenpolitik: Welche Themen sind das zum Beispiel?

Aus der Sicht der CSU ist die innere Sicherheit ein zentrales Thema. Das wird auch ein wichtiges Thema des Bundestagswahlkampfes werden. Bei der inneren Sicherheit muß die Regierungskoalition ein klares Profil bieten. Diesem klaren Profil ist momentan das Verhalten der FDP abträglich, wie sie bei der Diskussion um den Lauschangriff gezeigt hat.

Der große Lauschangriff ist von vielen Seiten als Angriff auf ein Grundrecht kritisiert worden. Welche Lücken gibt es noch in der inneren Sicherheit, nachdem dieses Grundrecht schon gekippt wurde?

Es geht nicht um Lücken, sondern um die Frage, wie wir wirksam gegen internationale Kriminalität vorgehen können. Zu diesem Zweck müssen die technischen Mittel ausgebaut werden, wie z.B. die akustische Überwachung. Die CSU fordert, daß man in Zukunft auch die Videoüberwachung von Wohnräumen vornehmen kann. Gerade das Thema Videoüberwachung werden wir weiter verfolgen. Allgemein geht es darum, daß wir eine gut ausgebildete und personell stärker besetzte Polizei brauchen. Wir müssen gegen die Kriminalität, die über die Ostgrenzen nach Deutschland hereinkommt, die Überwachung an den Grenzen und im Hinterland verstärken. Es müssen bundesweit, nicht nur in Bayern, verdachtsunabhängige Kontrollen in stark frequentierten Bereichen, z.B. auf Bahnhöfen und Autobahnen, erlaubt sein. Diese Themen wollen wir in den nächsten Monaten stärker voranbringen.

In Brandenburg wurde mit der Mega eine Eingreiftruppe geschaffen, die präventiv gegen rechtsextreme Gewalttäter vorgehen soll.

Ist das ein Vorbildmodell für Bayern?

In Bayern ist sowas kein Thema, weil es aufgrund der klaren Politik der CSU und des harten Eingreifens der Polizei bei weitem keine vergleichbare rechtsradikale Szene gibt. Ich bin über die starke Entwicklung eines rechtsradikalen Umfelds in den ostdeutschen Ländern, bis hinein zu bestimmten Vorkommnissen in der Bundeswehr, überrascht. Es ist durchaus bemerkenswert, daß Soldaten ostdeutscher Herkunft überdurchschnittlich häufig an den rechtsradikalen Vorkommnissen beteiligt sind. Deshalb sind auch die ostdeutschen Landesregierungen besonders gefordert.

Schröder hat die Niedersachsen-Wahl souverän gewonnen. Was haben die Sozialdemokraten den Christlichen voraus?

Schröder hat sich als Person sehr gut verkauft. Darüber hinaus war es ein geschickter Schachzug von Schröder, die Niedersachsen-Wahl zu einer Art Volksabstimmung über den SPD-Kanzlerkandidaten zu machen. Das hat mit erfolgreicher Politik aber wenig zu tun. Wir in Bayern können uns sehr gelassen dem Vergleich stellen. Betrachtet man die Landesebene, liegt Stoiber in den Werten weit vor seiner SPD-Herausforderin.

Schröder steht für Populismus, für Law-and-order und demonstriert ein strammes Standort-Bewußtsein. Kann die Koalition einen solchen Mann noch rechts überholen?

Man kann lange darüber philosophieren, wo Schröder politisch steht und wo man ihn dann überholen kann. Schröder ist ein Machtmensch, aber was er mit dieser Macht eigentlich anfangen will, das bleibt häufig im unklaren. Für die CSU geht es nicht darum, Schröder rechts zu überholen. Die CSU hat ein klares Profil, und bei der Frage nach konkreten Konzepten wird sich zeigen, daß Schröder nicht viel zu bieten hat.

Sie würden also Schröder auch als rechts einordnen?

Das ist schwierig zu sagen, weil Schröders Aussagen ausschließlich von den Stimmungslagen in den Meinungsumfragen abhängig sind. Schröder ist Populist, der wenig eigene Überzeugungen erkennen läßt.

Bayern hat angekündigt, den EU-Vertrag von Amsterdam nicht zu ratifizieren, weil dort ein Türchen für Zuwanderung offen bliebe.

Im Vertrag von Amsterdam wird festgelegt, daß die Zuständigkeit für das Ausländerrecht von den Nationalstaaten auf die europäische Ebene übergeht. Dabei gibt es allerdings das Problem, daß nach Deutschland mit Abstand die meisten Ausländer aus Staaten außerhalb des EU-Bereichs kommen. Deutschland ist von diesem Ausländerzuzug am stärksten betroffen. Das Ganze ist damit verbunden, daß wir hier die höchsten Leistungen zahlen. Deswegen ist es für viele besonders attraktiv, nach Deutschland zu kommen. Darum muß Deutschland aber auch die Ausländerfrage selbst noch regeln und dort eingreifen dürfen, und es ist völlig unakzeptabel, daß hier die Zuständigkeiten auf die Kommission übergehen. Schließlich dürfte in diesem Fall der deutsche Bundestag keine eigenen Regelungen mehr treffen. Das kann die CSU nicht akzeptieren, und Kohl hat in den letzten Monaten signalisiert, daß diesem Anliegen Rechnung getragen wird. Aber die CSU-Position wurde, soweit zu sehen ist, den EU-Partnern nicht in der wünschenswerten Deutlichkeit als deutscher Standpunkt mitgeteilt.

Stoiber hat das Wort von der Durchmischung und Durchrassung der Gesellschaft geprägt. Sie haben angesprochen, daß ...

Nein, nein. Das ist eine Äußerung, die er lediglich einmal getan hat und später ausdrücklich zurückgenommen hat. Das gehört weder zu seinem noch zu dem Vokabular der CSU.

Andersrum: Sie haben einen wuchtigen Flüchtlingsandrang nach Deutschland ausgemalt. Sehen Sie darin eine Gefahr?

In der Tat haben wir einen sehr hohen Ausländeranteil in Deutschland, und wir müssen darauf achten, daß hier keine Ghettos entstehen. Daß also keine Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Ausländern entstehen, wie wir das heute schon in Frankreich erleben. In Paris beispielsweise gibt es Ghettos von algerischen Zuwanderern, in die sich die Polizei abends nicht mehr hineintraut. Solche Zustände dürfen wir in Deutschland nicht entstehen lassen. Ein Beispiel auf regionaler Ebene: In Schulklassen mit 70 bis 80 Prozent Ausländeranteil, die es in München gibt, findet keine Integration mehr statt. Wer soll da wen integrieren, wenn es so viele Ausländer gibt? Da sagen wir klar: Die Zuwanderung nach Deutschland muß noch stärker begrenzt werden.

Wenn man schon solche Ängste hat, wäre es da nicht logischer, der Gefahr der Ghettoisierung durch verstärkte Integrationsanstrengungen zu begegnen?

Ausländer, die auf Dauer hier bleiben, weil sie einen entsprechenden rechtlichen Status haben, wollen wir durchaus integrieren. Wir müssen aber andererseits weiteren Zuzug noch drastischer begrenzen und außerdem Flüchtlinge, die nur vorübergehend hier sind, wieder zügig in ihre Herkunftsländer zurückführen.

Peter Gauweiler will ein Volksbegehren initiieren, um in der bayerischen Verfassung festschreiben zu können, daß Bayern kein Einwanderungsland ist.

Ein solches Volksbegehren macht keinen Sinn, weil Fragen des Ausländerrechts Sache des Bundes sind. Wir sollten dem Bürger nicht vortäuschen, daß wir da separat in Bayern was regeln könnten. Die politische Postion der CSU ist ohnehin klar: Bayern ist kein Einwanderungsland, und Deutschland kann auch keines sein. Es reicht aber nicht, diesen schönen Merksatz vor sich her zu tragen, sondern es braucht dementsprechende Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene und diese müssen dann auch konsequent vollzogen werden.