"Dr. Monika Lindt" bei RTL

Intime Gesten

Es gibt Fernsehserien, bei denen ist von Anfang an völlig unklar, an welches Zielpublikum sie sich wenden. Dazu gehört der letzte Woche auf RTL gestartete Vielteiler "Dr. Monika Lindt - Ärztin, Mutter, Geliebte" . Aber Mütter, berufstätige Frauen und Geliebte fallen bereits als Quotenbringer aus, denn Mutter-, Geliebte-, und Berufstätig-Sein geht nämlich ganz anders als in der Serie dargestellt wird. So handelt es sich möglicherweise bei "Dr. Monika Lindt" um ein Spezialprogramm für Freunde beschränkter Gesichtsausdrücke, von denen Ursela Monn vier beherrscht: Glücklich lächeln, drohend-böse gukken, aufgeregt die Augen aufreißen und sorgenvoll fremder Leute Köpfe tätscheln.

"Dr. Monika Lindt" ist ein ausgesprochenes Kopftätschel-Programm, ständig patscht irgendwer irgendwem auf dem Kopf herum. Das ist, so lernt man schon im Psychologie-Anfängerkurs, eine ganz besonders intime Geste, weswegen man normalerweise dem Kopfpatscher in die Eier tritt. In der Serie jedoch haben sich alle lieb, selbst der böse Rechtsanwalt, der Frau Doktor aus der Praxis vertreiben will, wird unter Lindts Einfluß zum netten Menschen. Denn die Geschichte der Ärztin Monika wendet sich an diejenigen unter uns, die in den fünfziger Jahren stehengeblieben sind. Solche Zuschauer lieben wahrscheinlich die Geschichte der alleinstehenden tapferen Frau, die nicht etwa arbeitet, weil sie Geld dafür bekommt, sondern, um ihre beiden Kinder durchzubringen, und natürlich auch deswegen, weil ihre Patienten sie brauchen - immer. "Wenn es schlimmer wird, rufen Sie an - haben Sie meine Privatnummer?"

Dabei sind dies die Neunziger. Falls man überhaupt ausreichend versichert ist, um zum Arzt gehen zu können, ruft man bei schweren Krankheiten auf keinen Fall den Hausarzt zu Hause an, sondern fährt gleich ins Krankenhaus. Aber die Fifties-Randgruppe hat natürlich das Recht auf eigens für sie gemachte Unterhaltung, und die bekommt sie in "Dr. Monika Lindt" auch.

Denn die Freunde der Fünfziger stehen ungemein auf die netten kleinen Geschichten, die noch vor wenigen Jahrzehnten ganze Zeitschriften füllten, seit längerer Zeit jedoch selbst in Hör Zu, dem Zentralorgan der Schnarchnasen-Bewegung, nicht mehr vorkommen. Damals erschienen sie in Rubriken wie "Mein lustigstes Erlebnis" oder "Huch, wie habe ich mich erschrocken", in "Dr. Monika Lindt" wurden sie nun verfilmt. Die lustige Episode etwa, in der Kinderärztin Dr. Lindt es tatsächlich wagt, in das Glas mit Lakritze zu greifen, über das die gestrenge, aber grundgütige ältere Sprechstundenhilfe wacht: "Finger weg!" sagt die drohend, verpaßt der Frau Doktor einen schelmischen Klaps auf die vorwitzigen Finger und erklärt: "Die sind nur für unsere kleinen Patienten!" Oder der witzige Moment, in dem Frau Lindts Sohn, der kleine, aufgeweckte Andi, die "Gebrauchsanweisung" gleichermaßen niedlich wie rührend "Gebrauchsverweisung" nennt - diese wunderschönen, bewegenden Szenen werden nur noch von den Episoden übertrumpft, in denen das Mischlingshündchen der Familie seinen Auftritt hat.

Und so geht es wohl weiter: Der schwanzwackelnde Kamerad stibitzt in einer der nächsten Folgen bestimmt den Sonntagsbraten vom gedeckten Tisch, aber ernstlich böse wird ihm natürlich niemand sein. Andi wird lustige Aussprüche tun, die Sprechstundenhilfe die Frau Doktor zurechtweisen, und die wird gucken.

"Dr. Monika Lindt", RTL, donnerstags, 20.15 Uhr