Elmar Schmähling

»Ach, Sie waren gar kein richtiger Kapitän?«

Elmar Schmähling soll bei der Bundestagswahl im Berliner Bezirk Mitte/Prenzlauer Berg für die PDS ein Direktmandat erlangen und der Partei damit den Wiedereinzug ins Parlament sichern. Der 61jährige Schmähling war Flottillenadmiral der Bundeswehr und von 1980 bis 1984 Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Nach dem Regierungswechsel in Bonn mußte Schmähling die Kommandobrücke verlassen. Er übernahm das Amt für Studien und Übungen der Bundeswehr. 1990 wurde er ohne Nennung von Gründen durch den damaligen Verteidigungsminister Stoltenberg in den Ruhestand versetzt. Grund dürfte Schmählings Engagement in der Friedensbewegung gewesen sein. Er gründete mit anderen Soldaten die Initiative Darmstädter Signal gegen die Nato-Aufrüstung und fordert seit Jahren nicht nur einen Rüstungsstopp, sondern den schrittweisen Abbau der gesamten Bundeswehr.
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Werden Sie nun nach Ihrer Karriere als Bundeswehrsoldat Parteisoldat?

Nein. Ich kandidiere auf der Offenen Liste der PDS. Ich habe mir vorgenommen, nie in eine Partei einzutreten. Das liegt nicht an der PDS.

Warum haben Sie es nicht bei der SPD oder den Grünen versucht?

Weil SPD und etwas weniger auch die Grünen inzwischen eine Politik vertreten, die ich nicht mehr akzeptieren kann. Die SPD hat in den letzten Jahren ihre Positionen in der Friedenspolitik aufgegeben. Sie steht jetzt voll hinter der Nato und der Nato-Erweiterung, und sie hat mitgemacht bei dem Aufgeben wichtigster Bürgerrechte, wie jetzt zuletzt beim Großen Lauschangriff. Bei den Grünen gibt es noch einige linke Positionen, sie sind aber schwach und bröckeln. So wie ich die Lage einschätze, werden die Grünen, um an der Regierung beteiligt zu werden, im September diese letzten linken Positionen - wie eine andere Sicherheitsstruktur statt Nato und keine militärischen Einsätze der Bundeswehr im Ausland - aufgeben.

Aber eine rot-grüne Regierung würden Sie in Bonn trotzdem mitwählen?

Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Jedenfalls denke ich, daß die jetzige Regierung nicht mehr weitermachen soll, denn sie hat keine Konzepte, die anstehenden Probleme in unserem Land zu lösen. Dabei schaue ich aber nicht mit großer Euphorie auf das, was die SPD anzubieten hat. Es ist schlicht das kleinere Übel.

Auch in der PDS-Bundestagsgruppe gab es Stimmen, die eine Beteiligung der Bundeswehr an Blauhelmeinsätzen der Uno zumindest für diskutabel hielten.

Ich habe in den letzten Jahren viele Papiere der PDS gelesen. Die Positionen, die ich kenne, sind eigentlich klar und eindeutig: Entmilitarisierung der Gesellschaft und der Politik überhaupt. Es mag sein, daß der eine oder andere dort auch pragmatische Vorstellungen hat, das ist o.k. Was mir gefällt, ist, daß die PDS keinen Druck auf ihre Gruppenmitglieder im Bundestag ausübt.

Sollten einzelne ihrer künftigen Fraktions- oder Gruppenmitglieder für Auslandseinsätze der Bundeswehr stimmen, kehren Sie der PDS dann den Rücken?

Nein. Ich halte es für eine ausgesprochene Perversion, daß von Abgeordneten des Deutschen Bundestags erwartet wird, jeweils mit ihrer Partei zu stimmen. Es macht mir überhaupt nichts aus, wenn Abgeordnete in dieser oder jener Frage eine andere Position vertreten als die Partei. Ich nehme das auch für mich in Anspruch.

Gibt es Programmpunkte der PDS, mit denen Sie nicht übereinstimmen?

Soweit ich das nach dem ersten groben Überfliegen des Programms sagen kann: nein.

Sie haben mal gesagt, die Bundeswehr von heute sei nicht mehr die, in die sie damals eingetreten seien...

Es hat sich der Geist geändert. Die Bundeswehr hat ja tatsächlich den Versuch gemacht, eine ganz neue Armee zu sein, nämlich insofern, daß jeder Soldat zuerst Staatsbürger ist. Die bürgerlichen Rechte waren in dieser Armee tatsächlich aufgrund des Soldatengesetzes nur insoweit eingeschränkt, als dies für den Dienst unbedingt erforderlich war. Ein Soldat hatte das Recht, seine Meinung in der Öffentlichkeit jederzeit frei zu äußern. Das Prinzip des Staatsbürgers in Uniform ist nach und nach auf den Müllhaufen geworfen worden. Die Bundeswehr will seit dem Ende des Kalten Krieges eine "ganz normale" Armee sein, zu der es eben auch gehört, daß sie außerhalb von Verteidigung militärische Macht darstellt und sich an militärischen Einsätzen beteiligen will. Auf so einer Grundlage könnte ich nicht mehr Soldat sein. Nur Verteidigung war die legitime und legale Aufgabe für eine westdeutsche Armee.

Es gibt ja durchaus Leute, die ihre staatsbürgerlichen Rechte in der Bundeswehr ausüben und sich mit ihren politischen Anschauungen zu Wort melden, nämlich Rechtsextremisten

Ja, die Aussicht, daß die Bundeswehr auch bei Abenteuereinsätzen oder richtigen Kampfeinsätzen aktiv wird, macht sie zu einem attraktiven Betätigungsfeld für Rechtsextremisten. Soldaten, die sich im Spektrum der Verfassung bewegen, können meinetwegen auch konservative Gedanken äußern, wenn es aber um rechtsextremistische, also erklärtermaßen verfassungsfeindliche Positionen geht, dann kann das nicht geduldet werden.

Sind Sie für die Abschaffung der Wehrpflicht, und unterstützen Sie die Idee einer Berufsarmee?

Die Wehrpflicht muß weg. Sie ist ein Instrument, um einen Staat verteidigungsfähig zu machen im Falle eines Angriffs. Es gibt aber absehbar keine Bedrohung für dieses Land. Die Wehrpflicht kostet die Menschen im Land zudem sehr viel Geld, abgesehen von der persönlichen Belämmerei der jungen Männer. Aber ich bin auch nicht für eine Berufsarmee, weil die noch viel mehr Bestandsicherung machen muß. Wer den Beruf Soldat wählt, der sucht dort auch seine Berufszufriedenheit. Das heißt, alles, was seinen Beruf aufwertet, wie größere, bessere Waffen, ist für einen Berufssoldaten erstrebenswert.

Also die ganze Armee abschaffen?

Ich plädiere in der Tat für einen dritten Weg neben Wehrpflicht und Berufsarmee, nämlich für eine Übergangsarmee aus Freiwilligen, die nur kurze Zeit in der Bundeswehr dienen und dann wieder in ihren eigentlichen Beruf zurückkehren. Übergangsarmee nenne ich das deshalb, weil am Ende des Übergangs Null-Armee stehen muß.

Sie selbst haben beim Militär und im Geheimdienst eine sehr steile Karriere gemacht. Braucht es dafür nicht eine Reihe von Sekundärtugenden, die mit Ihrem linken Anspruch nicht zu vereinbaren sind?

Ich bin Soldat geworden, weil ich zur See fahren wollte. Ich habe im nachhinein festgestellt, daß ich nicht der Typ Mensch bin, der sich in einer Armee wohlfühlt. Gleichwohl habe ich bei der Seefahrt sehr viel Befriedigung gefunden. Es sind dabei, egal ob auf einem weiß- oder graublaugestrichenen Wasserfahrzeug, sehr viele interessante Funktionen auszuüben. Die Seefahrt war sehr reizvoll, das habe ich auch nie bereut.

Das Spiel aus Disziplin, Gehorsam, Autorität, Untergebenheit hat Sie nicht gestört?

Ich habe mich nie an solche Dinge gehalten. Natürlich habe ich als Soldat die Befehle ausgeführt, das war für mich aber nichts anderes, als die Anweisungen eines Meisters oder Vorgesetzten in einem Unternehmen auszuführen. Befehle, die mit dem Soldatengesetz nicht vereinbar waren, habe ich nicht ausgeführt. Unsinnigkeiten habe ich von Anfang an immer angeprangert. Schon in den sechziger Jahren habe ich mich in Veröffentlichungen zum Beispiel über das unsinnige Bordzeremoniell ausgelassen, bei dem Matrosen wie im 19. Jahrhundert behandelt werden - Strammstehen, wenn ein Offizier an Bord kommt und so'n Kokolores.

Als ehemaliger MAD-Chef kennen Sie auch die Arbeit von Geheimdiensten bestens. Was halten Sie von MAD, BND, VS und Staatsschutz?

Gar nichts. Diese Institutionen müssen weltweit abgeschafft werden, weil sie unnötig sind. Sie schaffen sich ihre Aufgaben selber. Sie lassen sich nicht kontrollieren und sind deswegen immer wieder Ausgangspunkt für Unrecht, für kriminelle Handlungen. Sie sind auch nicht erforderlich, weil die Informationen, die ein Staat über einen anderen haben will, auch über den diplomatischen Dienst zu bekommen sind. Dazu kommt, daß Geheimdienste mit üblen Methoden arbeiten, sie nutzen etwa menschliche Schwächen aus, sie setzen auf Verrat und stiften dazu an. Alles Dinge, die unmoralisch und daher nicht zu akzeptieren sind.

Glauben Sie, daß Sie als Wessi in Ostberlin eine Chance haben, gewählt zu werden?

Ja, sonst würde ich nicht kandidieren. Ich glaube es auch deswegen, weil ich schon vor der Wende in der ehemaligen DDR für Glaubwürdigkeit stand. Ich habe ja mitten im Kalten Krieg in den achtziger Jahren offen meine Meinung über diese idiotische Hochrüstung und die ebenso idiotische Blockkonfrontation geäußert und dadurch berufliche Nachteile in Kauf genommen. Das ist damals auch in den DDR-Medien positiv aufgenommen worden. Ich glaube, ich habe in den neuen Bundesländern mehr Anhänger als in den alten. Ich bin zudem ein Mann, der es gewohnt ist, sich einzuarbeiten. Ich werde mir in den kommenden Monaten sehr große Mühe geben, die Menschen vor Ort und ihre Sorgen und Nöte kennenzulernen.

Was ist eigentlich eine Flottille?

Eine kleine Flotte. Nein, es ist ein Organisationsbegriff für die Zusammenfassung von Schiffen. In der Bundesmarine ist die Flottille eine Zusammenfassung gleichartiger Schiffe. Es gab also eine Zerstörerflottille, eine U-Boot-Flottille, eine Minensuchflottille und so weiter.

Und was macht man so als Flottillenadmiral den ganzen Tag?

Das sind ja eher historische Bezeichnungen. Als Flottillenadmiral ist man Angehöriger des gehobenen Managements in der Armee, und zwar hauptsächlich an Land.

Ach, so ein richtiger Kapitän waren Sie gar nicht?

Ich war ein Erster Offizier auf einem Zerstörer, aber kein Kommandant. Auch als Flottillenadmiral hatte ich kein Kommando, das mit Schiffen direkt zu tun hatte.

Und Ihre Liebe, die See? Haben Sie die nicht vermißt?

Das Wasser zieht mich nach wie vor magisch an.

Sind Sie schon mal auf der Spree gepaddelt?

Nein, noch nicht. Aber ich bin schon geschwommen in Berlin.

In der Spree?

Nein, im Wannsee. Und auf so 'nem Bötchen bin ich da auch schon mitgefahren, längere Strecken.