Zum Tod von Bella Abzug

Die Gründerin

Auf der Friedensdemonstration gegen Atomwaffen 1982 in New York traf ich sie das erste Mal. Vor dem UNO-Gebäude spricht mich diese große, füllige Frau mit breitem Hut an und will wissen, was auf meinem Sticker steht: "Aufstehen für den Frieden". Und immer, wenn wir uns später auf internationalen Frauenkonferenzen oder in den Fluren der UNO inmitten von Schlips-und Kofferträgern trafen, rief sie schon auf 15 Metern Abstand: "Aufstehen für den Frieden".

Bella Abzug, die mit den großen Hüten und der lauten Stimme, war eine typische New Yorkerin, sie hatte alles das, was die aus den US-amerikanischen Provinzen nicht mögen oder als großstädtisch und übertrieben empfinden: Sie war radikal, in den Traditionen des radikalen demokratischen Amerika.

1921 als Tochter russisch-jüdischer Immigranten in New York geboren, wagte sie schon früh, sich patriarchalen Traditionen und Dogmen zu widersetzen. So forderte sie von den Rabbis und ihrer Familie ein, den Kaddisch, das jüdische Totengebet, in der Synagoge zu sprechen, als ihr Vater gestorben war - ein Ritual, das den Söhnen vorbehalten war. Nachdem sie geschafft hatte, sich als eine der ersten Jurastudentinnen an der Columbia University zu immatrikulieren, wurde sie eine der jungen Rechtsanwältinnen der Civil Rights-Bewegung. Bereits in den fünfziger Jahren gründete sie die Frauenorganisation Women Strike for Peace, die mit bisweilen sehr witzigen Aktionen gegen Atomtests protestierte und 1963 im Schulterschluß mit anderen Organisationen sowie Teilen der Demokratischen Partei das erste Atomteststopp-Abkommen erreichte.

Ihren Mann lernte sie in einem Bus in der Bronx kennen, als sie beide zu einem Konzert von Yehudi Menuhin fahren wollten. Martin Abzug, mit dem sie zwei Kinder hatte, unterstützte seine Frau auf ihrem politischen Weg, der sie zunächst in die New Yorker Öffentlichkeit führte, später in die Uno. 1970, nach der Ermordung Martin Luther Kings und Kennedys, kandidierte Bella Abzug für die Demokratische Partei und zog unter Präsident Carter in das House of Congress ein.

Als Abgeordnete wurde sie Mitinitiatorin des Womens Liberation Movement, zu dem ihre Freundin Gloria Steinem, die die erste feministische Zeitschrift in den USA gründete, die Schriftstellerin Kate Millet, Phillis Chesler, Grace Paley und Tausende Studentinnen gehörten. Bella Abzug war wunderbar ungeduldig und anspruchsvoll dabei. Als Angestellte im Abrüstungsdepartment von Carter insistierte sie auf Kürzung des Rüstungshaushaltes und Umschichtungen zugunsten von Frauen und sozial Schwachen. Ihre Karriere mußte sie dort nach kurzer Zeit beenden.

Aber sie machte außerparlamentarisch und mit großen Kampagnen und Frauennetzwerken weiter. 1991 rief sie mit einigen Freundinnen und Studentinnen die Weltfrauenkonferenz in Miami ins Leben, bei der Parlamentarierinnen, Juristinnen, Umweltschützerinnen und Feministinnen aus aller Welt zusammenkamen, um Einfluß auf die Rio-Konferenz zu nehmen und gemeinsame Kampagnen zum Thema Frauen und Entwicklung zu entwerfen. Daraus ist die weltweite Organisation von Frauenumweltnetzwerken WEDO entstanden, die in ihren letzten beiden Jahren die Kampagne gegen den Brustkrebs organisierte. Das besondere Talent von Bella Abzug, den feministischen Aspekt in jedes politische Thema einzubringen und dabei gleichzeitig für Zehntausende von Frauen im Fernsehen, auf der Straße, in der Schule, beim Gesundheitsamt verständlich zu sein, kam in dieser Kampagne voll zum Tragen.

Bella Abzug starb am 31. März.