Schnauze & Cigars

Backenbärtig, schmerbäuchig, sonnengebräunt, mit weißem Porsche und offener Hemdbrust: So tritt er uns entgegen, der Berliner Unternehmer. "Wat brauch' ick Stil", pflegte der Kaufmann in den goldenen Zeiten der Berlin-Förderung zu sagen: "Ick hab' Zaster." "Charme und Schnauze", freute sich der Rest der Republik (West).

Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Transfusion aus der Rumpfrepublik ist versiegt, und während die Abscheulichkeit der Neuköllner im ganzen Land zum Hauptgesprächsthema avanciert, tuschelt man sich in den Chefetagen zu, daß der Geschäftspartner aus der Hauptstadt keinen Deut besser sei. Nun, da der Brustbehaarte auch keinen Zaster mehr hat, stellt man fest, daß zwischen Charme und Schnauze ein Unterschied besteht. Also muß Stil her, dachten sich einige "Wirtschaftsjunioren im Verein Berliner Kaufleute und Industrieller". Stil, was fällt einem da - außer Backenbärten und weißen Sportwagen - ein? Elegante Hotels, teures Essen, alter Wein, und vor allem: Mordszigarren, zweidaumendicke, unterarmlange Dinger, "auf Jungmädchenschenkeln gerollt", haha!

Es wäre wohl beim Traum vom Stil geblieben, hätten sich nicht die Väter der Herren Wirtschaftsjunioren gleichfalls für diese Idee begeistert. Sie spendierten ihren Söhnen eine "Cigar-Lounge", bei der die jungen Herren regelmäßig schmauchen, fressen und saufen sollten, daß es nur so seine Art haben würde.

Würde. Denn: Wo die Väter schon keinen Stil etabliert haben, schaffen's die Söhne nimmermehr. Die Gänseleber schwimmt im Hotel Savoy in der Vinaigrette, die vom Salat herüberschwappt, "an" dem sie eigentlich hätte sein sollte. Die Kaiserschoten-Suppe verströmt ein Bouquet von Aromat, den korkenden Wein kommentiert der Kellner wortgleich mit dem zähen Kalbsbraten: "Kann ich mir nicht vorstellen."

Das gescheiterte Stil-Experiment geflissentlich übersehend, ziehen sich die Jungunternehmer auf den Zaster zurück. Am Rande erfährt man, was den berühmten Berliner Bausumpf am Leben erhält; ein Vertreter der Sicherheitsbranche verrät, daß man bei Karstadt am Hermannplatz viel leichter erwischt wird als im KaDeWe, um dann geschäftsmäßig schnell mit den Brüdern vom Studentencorps ein Bier zu stürzen, ex ist Pflicht. Je später der Abend, umso vertraulicher wird der Ton. Als die Spannung zwischen dem beharrlichen Duzen des Tischnachbarn und dem drängenden Wunsch des Berichterstatters, dem Namen des Nachbarn ein "von" hinzuzufügen, zu kulminieren droht, verlassen wir die Veranstaltung.

Die Zigarren, geliefert von "Whisky & Cigars" in der Friedrichstraße, waren übrigens kubanisch, gar nicht besonders dick und wirklich gut. Aber irgendwie schade war's doch drum.