Coup du monde

Erst nach Intervention der EU-Kommission waren die französischen WM-Organisatoren bereit, Karten auch ins Ausland zu verkaufen

"Ein Fest rund um den Sport" solle die Fußball-WM in Frankreich werden, so erklärte es jedenfalls Premierminister Lionel Jospin Anfang März dieses Jahres. Schon am Tag vor dem Eröffnungsspiel werde ganz Paris feiern. Das soll natürlich auch Touristen anlocken, denn rund um eine Fußball-WM gibt es viel Geld zu verdienen. Unter dem Motto "Bonjour 98, France accueille le monde" ("Frankreich begrüßt die Welt") führte das Tourismusministerium daher zahlreiche Aktionen durch, das Außenministerium warb mit dem Slogan "Allons-en France 98" ("Auf nach Frankreich 98"). Blöd nur, daß die Welt kaum Chancen hat, zum Fußballgucken nach Frankreich zu reisen, denn Ausländern Eintrittskarten zu verkaufen, kam in den Plänen des WM-Organisationskomitees CFO eigentlich nicht vor. 2,5 Millionen Eintrittskarten waren zu vergeben. 600 000 davon sind für Sponsoren der Weltmeisterschaft und wichtige Personen wie die Bürgermeister und die Polizeichefs der Departements reserviert. 3 60 000 Tickets gingen an die französischen Sportverbände und -vereine, 110 000 sind für Jugendliche und Behinderte aus Frankreich reserviert.

137 000 Karten wurden für Veranstalter zurückgelegt, die sie im Paket mit teuren Pauschalreisen anbieten wollen. Die meisten Fußballfans aber wollen keine Busreise mit Stadtrundfahrt, Hotelaufenthalt und ein bißchen Kicken-Gucken inklusive. Sie fahren meistens mit dem eigenen Auto, übernachten auf Campingplätzen und sind ganz insgesamt kein besonders gutes Geschäft, denn viele bringen ihre eigene Verpflegung mit.

Für solche Fans, so planten die Organisatoren ursprünglich, sollte es ungefähr eine halbe Million Karten im freien Verkauf geben. Das hörte sich erstmal gut an, aber Tickets zu bestellen, so fanden die Fans europaweit schnell heraus, war eigentlich unmöglich.

Die zentrale Reservierungsstelle in Paris war vom Ausland aus nicht telefonisch zu erreichen, wer seine Karte über das Internet bestellen wollte, mußte schon für den Zugang eine Gebühr von 350 Francs bezahlen. Wer angesichts dieser Schwierigkeiten nicht aufgab, der erhielt trotzdem nicht unbedingt eines der begehrten Tickets, denn Einzelkarten wurden nur an Personen abgegeben, die eine Adresse in Frankreich angeben konnten.

Nach zahlreichen Protesten von Fans aus ganz Europa beschäftigte sich schließlich die EU mit dem Fall. Karel van Miert, Wettbewerbskommissar der EU-Kommission, nannte schon nach kurzer Prüfung das Vorgehen des CFO "grob unsportlich" und erklärte, EU-Bürger würden diskriminiert, die französische Kartenvergabe-Praxis sei mit dem europäischen Binnenmarkt "nicht vereinbar". Falls der CFO nicht damit aufhöre, "rechtswidrig den freien Markt zu behindern", drohte van Miert rechtliche Konsequenzen an. Damit standen nicht nur die Organisatoren, sondern auch der Fußball-Weltverband Fifa und die nationalen Fußballverbände blöd da, denn die hatten das Reglement für die Kartenvergabe lange zuvor geprüft und offiziell abgesegnet. Am 20. Februar forderte van Miert in einem Brief das Organisationskomitee auf, innerhalb einer Zweiwochen-Frist ein "faires System" zu entwickeln. Der CFO reagierte nicht.

Am 24. März schließlich gab die Europäische Kommission bekannt, daß sie nun ein Verfahren gegen den CFO einleiten werde. Der hatte tags zuvor lediglich in einigen Punkten eingelenkt und erklärt, jeweils 60 000 Karten an die nationalen Fußballverbände abzugeben, 10 000 mehr als ursprünglich geplant, und angekündigt, daß Fans aus dem Europäischen Wirtschaftsraum EWR, der die EU-Staaten sowie Norwegen, Liechtenstein und Island umfaßt, keine französische Adresse mehr nachweisen müssen, um Tickets zu erhalten. Dazu sollen Telefonnummern geschaltet werden, die auch aus dem Ausland erreichbar sind, weiter werde der CFO in im EWR veröffentlichten Zeitungsanzeigen erklären, wie man an Tickets kommt.

100 000 Karten ausschließlich für Nicht-Franzosen, wie von der EU gefordert, will der Veranstalter jedoch nicht abgeben, die Tickets sollen auch von französischen Fans geordert werden können. Van Miert zeigte sich nicht begeistert von dieser Regelung und nannte sie "eine kleine Kompensation für eine große Diskriminierung" - schließlich entspricht die Zahl gerade fünf Prozent aller Karten, die frei verkauft werden, im Gegensatz dazu standen 25 Prozent des Kontingents für Vips und Sponsoren zur Verfügung.

Gleichzeitig beharrte er darauf, ein Verfahren gegen den CFO anzustrengen. Zu möglichen Geldbußen sagte van Miert, die Kommission könne erst dann Beträge festlegen, wenn alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft seien, Experten rechnen jedoch schon mit einer Strafe in Höhe von zehn Prozent des Umsatzes.

Über den hat der EU-Kommissar eigenen Angaben nach noch keinen exakten Überblick, "wir wissen nicht, wieviele Tickets nicht korrekt verkauft wurden", erklärte er, man gehe aber von ungefähr einem Drittel aus. Die EU erwies sich immerhin als lernwillig: Van Miert erklärte, in Zukunft bei ähnlichen Fußball-Großereignissen rechtzeitig zu prüfen, ob alle Fans gleiche Chancen auf Eintrittskarten haben.

Die Karten, die jetzt vom CFO den nationalen Fußballverbänden zugesprochen wurden, werden größtenteils den Fans zugute kommen. In Norwegen wird eine Art Lotterie veranstaltet, sieben Tage lang werden die Bestellungen telefonisch angenommen, bis zum 25. April will der Verband dann die glücklichen Kartenbesitzer benachrichtigen.

In Deutschland darf nicht jeder, der gerne zur WM möchte, mit Karten rechnen, denn der DFB führt eine Schwarze Liste, um Hools auszuschließen. Gegen die besonders hart vorzugehen, hatte die französische Polizei schon lange angekündigt, wahrscheinlich auch, um potentielle Gewalttäter abzuschrecken und von einer Reise nach Frankreich abzuhalten.

Dabei haben die deutschen Hools, ebenso wie ihre Kollegen aus Großbritannien, den Niederlanden und anderen Ländern, schon längst ihre Karten. Sie profitierten ausgerechnet von dem Verteilungssystem, das Franzosen bevorzugte: "Wir kennen uns ja schließlich untereinander, französische Kumpels haben für uns einfach Karten mitbesorgt."