Zwei Männer und kein Plan

Das einzig Gute am Kampf um das Amt des Fifa-Präsidenten: Egidius Braun hat sich nicht beworben

Wenn in einem Monat der 82jährige Fifa-Präsident Joao Havelange sein Amt nach 24 Jahren niederlegt, dann haben die Delegierten bei der Entscheidung über seinen Nachfolger die Wahl zwischen Pest und Cholera. Es stehen sich gegenüber: der Schwede Lennart Johansson, gern auch als "Handlanger der Deutschen" bezeichnet, und der Schweizer Joseph Blatter, genannt "die Marionette Havelanges". Beide versprechen, den Weltverband reformieren zu wollen, was nach 24 Jahren Alleinherrschaft von Joao Havelange, "dem guten Freund aller Diktatoren von Videla bis Abacha" (taz) dringend notwendig erscheint, aber konkrete Pläne legten weder Johansson noch Blatter bislang vor, es blieb bei populistischen Beteuerungen.

Im nun offen ausgebrochenen Wahlkampf im Weltverband geht es nicht in erster Linie um die Fußballwelt, sondern um Fußball-Europa. Das, im mächtigen Verband Uefa organisiert, unterstützt Johansson, weil es sich von ihm als neuem Fifa-Präsidenten wieder mehr Einfluß, Macht und Geld verspricht. Denn die Europäer geraten immer wieder unter Druck: Nachdem sich bei den letzten Fußball-Weltmeisterschaften deutlich abgezeichnet hatte, daß auch in anderen Ländern als Deutschland, England und Frankreich gut gekickt wird, hatte besonders der afrikanische Verband darauf gedrängt, die WM-Teilnehmerländer neu aufzuschlüsseln. Aus afrikanischen und asiatischen Ländern sollten sich mehr Mannschaften qualifizieren können, was nicht etwa zum freiwilligen Rückzug der Europäer führte, sondern dazu, daß an der WM in Frankreich mehr Nationen teilnehmen als jemals zuvor. Auch dem Anspruch der Europäer, mindestens alle acht Jahre die Fußball-WM austragen zu dürfen, halten die kickerischen Realitäten nicht stand. Während sowohl Deutschland als auch England die WM im Jahr 2006 ausrichten wollen und in ihren Medien nicht nur den Eindruck erwecken, der jeweils andere habe sich hinterrücks beworben und sei daher mindestens moralisch im Unrecht, sondern auch den, daß eine Entscheidung nur zugunsten eines dieser Länder fallen kann, sprach sich Havelange vehement für Südafrika als Gastgeber aus.

Und durchkreuzte damit die so schön ausgedachten Pläne der Europa-Lobbyisten. Die hatten, dem Druck der Verbände der anderen Kontinente angeblich nachgebend, vorgeschlagen, ab dem Jahr 2010 die WM im Rotationsverfahren jeweils in Asien, Afrika, Amerika und Europa stattfinden zu lassen, wollten 2006 allerdings noch schnell eine WM auf dem eigenen Kontinent abhalten und dann acht Jahre später, 2014, schon wieder eine. Havelanges Eintreten für den Bewerber Südafrika verdarb jedoch alle diese europäischen Tricksereien gründlich.

Das war nicht das erste Mal: Vor vier Jahren hatte er schon zwei von der Uefa vorgelegte Reformpapiere vehement abgelehnt. Im ersten war es vordergründig um Transparenz und Liberalisierung in der Fifa gegangen, tatsächlich sollte der Uefa jedoch durch eine Veränderung der Sitzverteilung mehr Einfluß gegeben werden. Im zweiten Papier hatten die Europäer Vorschläge zur zukünftigen Vermarktung von Weltmeisterschaften gemacht, in denen es auch darum ging, die am besten abschneidenden Teilnehmerländer stärker an den TV-Geldern zu beteiligen. Die Europäer auch bei diesem simpel klingenden Plan zu übervorteilen, gelang der Uefa mühelos: Nach ihren Vorstellungen sollten die Länder, in denen viel Geld für die Fernsehübertragungsrechte bezahlt wurde, auch prozentual mehr bekommen. "Motto: Mehr Reichtum den Reichen. Sprich: den Europäern", kommentierte die taz.

So ist klar, daß Havelanges Mitarbeiter Joseph Blatter, seit 18 Jahren unter ihm Fifa-Generalsekretär, bei den Europäern äußerst unbeliebt ist. Seine Reformpläne sind ebenso populistisch wie die von Johansson, der jüngst erklärte: "Wenn ich Präsident bin, werde ich das Kartenverteilungs-System bei Weltmeisterschaften verändern!" - wenn man Blatter gefragt hätte, hätte er sicher Ähnliches gesagt, denn mit dem Kartenverkauf für die WM in Frankreich (vgl. Jungle World, Nr. 13/98) plus Auswirkungen wie den in niederländischen Metropolen zusammengebrochenen Telefonnetzen und stundenlang nicht erreichbaren skandinavischen Firmen kann niemand ernsthaft zufrieden sein - auch nicht Männer wie Blatter und Johansson, die dem System ursprünglich zugestimmt hatten. Gegenüber den Europäern scheint Populist Blatter überdies schon eingeknickt zu sein, denn einige seiner Reformvorschläge sind direkt aus den beiden Reformpapieren der Uefa entnommen.

So müssen sich die Delegierten am 8. Juni zwischen zwei Männern und keinem Programm entscheiden. Das ist nicht schön, aber es hätte schlimmer kommen können. DFB-Präsident Egidius Braun ("Funktionär ist für mich kein Schimpfwort") hätte sich auch zur Wahl stellen können. Der "praktizierende und sozial engagierte Katholik" (Munzinger-Archiv) würde wahrscheinlich noch mehr Unsinn reden als von den beiden Kandidaten zu erwarten ist. In einem Interview mit der Bild-Zeitung forderte er auf eine Frage des Blattes nach dem Bosman-Urteil, das "auch eine Ausländer-Schwemme zur Folge" habe, gleich die Annektierung der Niederlande: "Ich bezweifle, daß ein Sousa nach Dortmund gepaßt hätte. Ob Schalke nun Wilmots oder einen Bayern verpflichtet, da sehe ich keinen Unterschied, der ist kein Fremder, der paßt von der Mentalität."