Politik im Schwimmbecken

Die sportliche Geschichte Israels wurde bisher geprägt von Ausschlüssen, Kontaktverweigerung und, genauso schlimm, viel gutem Willen

Meine erste Begegnung mit dem israelischen Sport hatte ich 1979. Damals war ich 15 und ein leidlich guter Wettkampfschwimmer, aber an irgendwelche Meisterschaften war nicht zu denken. Dafür kraulte und schmetterte ich einfach zu schlecht - bis der Deutsche Schwimmverband eine Reise nach Israel organisierte. In Deutschland suchte man dafür keine guten Sportler aus, sondern politisch aufgeschlossene. Immerhin, da konnte ich mithalten. Beim Yad Vashem-Besuch blieb also die befürchtete Blamage aus, im Schwimmbecken aber nicht. Denn gegen die israelische Jugendnationalmannschaft hatten wir, das angebliche Auswahlteam, keine Chance. Unsere Gastgeber waren enttäuscht, denn sie wollten ihren Sportlern einen Vergleich mit dem besten deutschen Schwimmnachwuchs verschaffen, angereist waren aber nur solche Flaschen wie ich.

So ganz untypisch war unsere Reise nicht. Die Sportgeschichte des nunmehr 50jährigen Staates ist nämlich von zweierlei Dingen geprägt, die beide mit Israel selbst nichts zu tun haben: Fürsorglichkeit, die den Sport nicht ernst nimmt und der unbedingte Wille zum Ausschluß israelischer Sportler von internationalen Wettkämpfen. Gelang es den israelischen Sportverbänden und der Regierung unter David Ben-Gurion in den Anfangsjahren noch, vollwertiges Mitglied der verschiedenen asiatischen und Weltsport-Verbände wie beispielsweise dem IOC zu werden, setzten schon 1962 die Probleme ein. Da waren die Asienspiele nach Jakarta vergeben worden, doch die indonesische Regierung weigerte sich, die israelische Delegation ins Land zu lassen. Hintergrund war, daß die arabischen Nachbarstaaten Israels, die sich in den fünfziger Jahren nicht um Sportpolitik gekümmert hatten, plötzlich Nationalteams zu großen Wettkämpfen schickten und politisch dafür Sorge tragen wollten, daß ihre Athleten in der Fremde nicht auf Israelis trafen. Bei den Asienspielen in Teheran weigerten sich schon etliche Teams, gegen die dort angereisten Israelis anzutreten. Daraufhin schloß man Israel einfach aus den meisten asiatischen Verbänden aus und hatte seine Ruhe. Nur wenige israelische Sportverbände hatten in den fünfziger Jahren die Politik der Regierung, in Asien integriert zu werden, nicht mitverfolgt, sondern gleich eine sportliche Europäisierung gesucht. Das waren vor allem die Basket- und die Volleyballer, die auch sehr erfolgreich waren. Die Fußballer, die 1970 noch als Vertreter Asiens an der Weltmeisterschaft in Mexiko teilgenommen hatten, mußten sich plötzlich in der Ozeaniengruppe mit Australien und Neuseeland für WMs und Olympische Spiele qualifizieren. Gegen ihre Versuche, beim europäischen Dachverband Uefa unterzukommen, sprach sich die Sowjetunion aus, die ihrerseits alle unvermeidlichen Sportkontakte zu dem kleinen Mittelmeerstaat auf neutralem Boden, meistens in Belgien, austrug. Die Europäisierung des israelischen Sports setzte erst nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers ein, seither sind die meisten israelischen Sportverbände Mitglied des jeweiligen europäischen Verbandes.

Die islamischen und sozialistischen Länder (mit nur wenigen Ausnahmen) verweigerten Sportkontakte zu Israel. Und die Kontakte zu anderen Ländern nutzten sportlich gesehen nichts. An 13 Olympiaden nahm Israel bislang teil, doch das Ergebnis sind gerade drei Medaillen. Gründe, warum Israel zwar in der Mikroelektronik und im Export Weltklasse ist, aber nicht im Sport, gibt es so recht keine, Anstrengungen, das zu ändern, aber viele. 1996, vor den Olympischen Spielen in Atlanta, hatte Israel von allen Teilnehmernationen die höchste Siegprämie ausgelobt: Umgerechnet 250 000 Mark hätte ein israelischer Olympiasieger erhalten, wenn es denn einen gegeben hätte. Die Hoffnungen lagen auf den eingewanderten Russen, unter denen etliche Spitzensportler und -trainer waren. Vier Jahre zuvor, in Barcelona, hatte es tatsächlich die allererste olympische Medaille für Israel gegeben: Die Judoka Yael Arad gewann Silber, aber zum großen Erstaunen der israelischen Öffentlichkeit war Frau Arad gar keine Russin. Sie war so gut im Judo, daß ihr auch die israelische Sportförderung, die nur auf sowjetisches Know-how setzte, nichts anhaben konnte.

In Israel glaubte man dennoch fest an einen Aufschwung, der sich 1996 fortsetzen sollte. Hatte man in Barcelona nämlich mit zwei Medaillen - außer der silbernen von Yael Arad gab es noch eine bronzene für einen männlichen Judoka - unerwartet in der Nationenwertung vor Mexiko und Argentinien rangiert, so erreichte man 1996 nur eine Medaille im Segeln, was bekanntlich auch keine russische Spezialität ist. Also verhängte die Regierung gegen die israelischen Sportfunktionäre die Höchststrafe, nämlich eine staatliche Kommission, die seither alles unternimmt, um dem Sport zu Erfolgen zu verhelfen: Trainer bezahlen, Sportstätten bauen - und Sportler aus der ganzen Welt zu Vergleichswettkämpfen einladen. Wer zu so etwas anreist, weiß ich seit meinem 15. Lebensjahr.