Ein Preis für Reinhard Höppner

Rote Socken, Braune Stiefel

Würde 53 Jahre nach der Niederlage der Nazis an deutsche Politiker ein Preis für besondere Verdienste im Kampf gegen den Faschismus vergeben, in diesem Jahr müßte ihn Reinhard Höppner kriegen. Nicht als Ausgleich für das unsägliche Diktum des angesichts des drohenden Abstiegs immer mehr außer Rand und Band geratenden Pfarres Hintze, seine SPD sei wegen des Magdeburger Modells die eigentlich Schuldige am Einzug der "rechtsradikalen DVU" ins Magdeburger Parlament. Auch nicht deswegen, weil Höppner aus seiner Aversion gegen den tatsächlich ziemlich unangenehmen CDU-Kandidaten Christoph Bergner nie einen Hehl gemacht hat und uns den weiteren Anblick von dessen fahlem Antlitz - womöglich in der Rolle des sachsen-anhaltischen Innenministers - erspart hat.

Nein, das eigentliche Verdienst des Reinhard Höppner besteht darin, wie er den Bruch mit der christdemokratischen Delegation in den Magdeburger Koalitionsverhandlungen herbeigeführt hat. Zur Bedingung für die Weiterführung der Gespräche machte er eine Vereinbarung, "daß SPD, CDU und PDS im Landtag alle Möglichkeiten nutzen, um die Wirksamkeit der rechtsextremistischen DVU zu bekämpfen. Dazu werden zwischen den drei Fraktionen SPD, CDU und PDS verbindliche Absprachen getroffen."

Die klassische Form eines antifaschistischen Konsens also. Mit den Christdemokraten allerdings war selbst das nicht zu machen. Damit werde "die PDS als dritter gleichberechtigter Partner in feste parlamentarische Absprachen eingebunden", wozu die CDU nicht bereit sei. Will heißen: An der Haltung der bürgerlichen Konservativen zum Faschismus hat sich in den letzten siebzig Jahren nichts geändert. Haben sie zwischen Antifaschismus und Antikommunismus zu wählen, ist ihnen allemal das braune Hemd näher als die Hose. Faschisten bekämpfen sie nur dann, wenn sich das ohne Sozialisten machen läßt, und allein deswegen, weil sie auf die Stimmen der rechten Wähler hoffen. Lautet der Preis dagegen, zumindest anzuerkennen, daß linke Parteien eben auch antifaschistische Parteien sind, dann lassen die Konservativen dem Faschismus lieber seinen Lauf.

So widerlich das alles ist, es kommt nicht sehr überraschend. Daß Bergners CDU der Höppnerschen Absprache nicht zustimmen würde, war vorherzusehen gewesen. Reinhard Höppner ist dafür zu danken, daß er es vorgeführt hat. Die Folge wird, wie CDU-Pfarrer Hintze schnell ankündigte, eine erneute Rote-Socken-Kampagne der Konservativen sein. Doch die einzige Alternative dazu hieß für Höppner spätestens seit dem Einzug der DVU in Sachsen-Anhalts Landtag und dem damit einhergehenden Ende der Träume von einer absoluten Mehrheit der SPD: Große Koalition mit der CDU. Und mit so einer Partei koaliert ein anständiger Sozialdemokrat wie Höppner lieber nicht.

Verdienstvollerweise inszenierte Höppner statt dessen gemeinsam mit seinem Parlamentarischen Geschäftsführer Jens Bullerjahn einen Eklat, der sinnfällig vor Augen führte, wo die fundamentale Differenz zu den Christdemokraten liegt. Damit gab er seiner Partei auch das einzige Mittel gegen die vorhersehbare Hintzesche Schlammlawine in die Hand: Den "Lagerwahlkampf" annehmen, die Roten Socken mit Braunen Stiefeln kontern. Schließlich war "das Zusammengehen der SPD mit der PDS" (Hintze) die Folge der CDU-Weigerung gewesen, mit beiden Parteien gegen die neofaschistische DVU zu kooperieren.

Bedauerlicherweise sind aber bei weitem nicht alle Sozialdemokraten so anständig oder so klug, eine solche Vorlage anzunehmen. Am Tag nach dem Eklat von Magdeburg trat im fernen Amberg Gerhard Schröder ans Rednerpult des bayerischen SPD-Landesparteitags - jener Gerhard Schröder, der noch am Wahlabend vorgeschlagen hatte, die Nazi-Wähler der DVU mit Jugendzentren und dergleichen mehr zu belohnen. An Höppner hatte Schröder bei gleicher Gelegenheit die Empfehlung gerichtet, "eine stabile Regierung für Sachsen-Anhalt" zu bilden - ein Große Koalition mit der CDU also, und nicht irgendwelche Tolerierungsmodelle. In Bayern wiederholte Schröder trotz bereits gescheiterter Koaltitionsverhandlungen diese Aufforderung, wurde aber noch etwas deutlicher: Der "Kampf gegen rechts", so der SPD-Kanzlerkandidat, dürfe "nicht mit den falschen Bündnispartnern" geführt werden. Nicht die DVU sei das zentrale Problem der Politik, sondern die Arbeitslosigkeit.

Daß sich mit der CDU kein antifaschistischer Konsens erzielen ließ, konnte nicht besonders überraschen. Jetzt weiß man, daß es auch mit dem Kanzlerkandidaten der SPD nicht geht. Für diese Erkenntnis sollte man Reinhard Höppner wirklich einen Preis verleihen.