Zoran Djindjic

»Die Albaner brauchen Rechte, nicht Territorien«

Zoran Djindjic ist Vorsitzender der Demokratischen Partei Serbiens und war, neben Vesna Pesic und Vuk Draskovic, einer der drei Sprecher des Oppositionsbündnisses Zajedno. Nach wochenlangen Demonstrationen von Zajedno-Anhängern im Winter 1996/97 mußte Präsident Slobodan Milosevic schließlich seine Niederlage bei den serbischen Kommunalwahlen eingestehen; das daraufhin konstituierte Gemeindeparlament Belgrads wählte Djindjic zum ersten nicht-sozialistischen Bürgermeister der Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Zajedno-Frühling währte jedoch nur kurz: Im Frühsommer 1997 zerfiel die Allianz der ungleichen Partner, im Herbst desselben Jahres wurde Djindjic durch eine Allianz zwischen Sozialisten, Seseljs Ultranationalisten und Draskovic' Monarchisten gestürzt.

Seit Ende letzter Woche gibt es direkte Verhandlungen zwischen dem jugoslawischen Präsidenten Milosevic und Ibrahim Rugova, dem Führer der Kosovo-Albaner. Kann das zu einer Entspannung in der Krisenprovinz führen?

Ich halte das Zustandekommen dieser direkten Gespräche für positiv. Es ist höchste Zeit gewesen, daß die verantwortlichen Politiker direkt miteinander kommunizieren. Die Erfolgsaussichten sind allerdings nicht sehr groß, denn es gibt in Serbien keine demokratischen Institutionen, die einen möglichen Verhandlungskompromiß mit Rugova verbürgen und durchsetzen könnten. Die letzten Wahlen wurden - wieder einmal - gefälscht, die Justiz ist korrupt; die Polizei steht nicht unter demokratischer Kontrolle. Unter diesen Voraussetzungen kann man nicht verlangen, daß die Kosovo-Albaner einer Verhandlungslösung zustimmen werden. Sie haben zu Recht kein Vertrauen.

Kann das fehlende Vertrauen zwischen den Konfliktparteien nicht durch die Vermittlung der USA ersetzt werden? Immerhin haben die US-Unterhändler Holbrooke und Gelbard mit ihrer Pendeldiplomatie doch auch die bilateralen Verhandlungen eingefädelt.

Holbrooke hat jede Seite mit vagen Versprechungen an den Verhandlungstisch gelockt. Milosevic hat zugestimmt, weil er auf eine Aufhebung der Sanktionen hofft. Rugova ist gekommen, weil er darauf spekuliert, daß der Kosovo konstitutionell Serbien und Montenegro gleichgestellt werden, also den Status einer jugoslawischen Teilrepublik erhalten könnte.

Das wäre ein Modell, das auch deutsche Politiker favorisieren.

Vermutlich wissen sie nicht, wie Jugoslawien funktioniert - daher diese Vorschläge. Eine jugoslawische Teilrepublik hat viel mehr Autonomie als etwa ein deutsches Bundesland - so hat Montenegro einen eigenen Präsidenten und betreibt auch eine eigenständige Außenpolitik. Wenn der Kosovo eine solche quasi-staatliche Souveränität bekäme, wäre das nicht der Endpunkt der Entwicklung, sondern nur ein Durchgangsstadium: Die politische Elite der Kosovo-Albaner will die Eigenstaatlichkeit - und den Status einer jugoslawischen Republik würden sie nutzen, um das zu bekommen.

Was wäre schlimm daran? - fragt man sich in Deutschland.

Wo soll das enden? Als nächstes gründen dann die bosnischen Serben ihren eigenen Staat, dann die Türken in Bulgarien, auch die Albaner in Mazedonien könnten eine eigene Republik verlangen. Denken Sie an die Völkerschaften in Rußland: Mit demselben Recht wie im Kosovo könnten dort 20 neue Staaten ausgerufen werden. Die ganze bisherige Staatenwelt wäre gefährdet.

Wie sieht denn Ihre Alternative aus?

Ich habe eine einfache Formel: Die Minderheiten brauchen Rechte, nicht Territorien. Die Kosovo-Albaner sollen eine Vertretung in allen jugoslawischen Institutionen bekommen, mit umfangreichen Kompetenzen in sämtlichen Fragen, die ihre nationale Identität betreffen - also Sprache, Kultur und Religion. Das geht natürlich nur, wenn diese Institutionen ihr Vertrauen haben - sie müssen, anders als heute, demokratisch-rechtsstaatlichen Prinzipien genügen.

Es sieht nicht so aus, als ob die Kosovo-Albaner sich damit zufrieden gäben ...

Es besteht ein begründeter Verdacht, daß es den albanischen Führern gar nicht um demokratische Rechte geht, sondern um einen unabhängigen Staat - mag er auch undemokratisch sein. Solange sie allerdings mit Verweis auf die Praktiken des Milosevic-Regimes behaupten können, daß die territoriale Unabhängigkeit die einzige Garantie für ihre demokratische Rechte sei, werden sie trotzdem die internationale Gemeinschaft für sich gewinnen können. Deshalb müssen die serbischen Demokraten ihnen und der Weltöffentlichkeit zeigen, daß es andere Garantien als die territoriale Unabhängigkeit gibt.

Ist die Zeit für solche anspruchsvollen Lösungen nicht abgelaufen? Auf dem Kosovo finden ethnische Säuberungen wie in der Anfangsphase des bosnischen Krieges statt, behaupten die Albaner.

Der Begriff ethnische Säuberung war gerechtfertigt in Kroatien und Bosnien, auf den Kosovo bezogen ist er völlig falsch. Von 1,6 Millionen Albanern sind in den letzten Jahren vielleicht zehntausend weggegangen - wesentlich weniger, als im gleichen Zeitraum Serben weggezogen sind. Man registriert im Westen leider nicht, daß noch 1945 40 Prozent der Bevölkerung im Kosovo serbisch war - heute sind es nur noch zehn Prozent.

Die Sondereinheiten der serbischen Polizei haben im Kosovo Zivilisten getötet ...

Das ist leider wahr. Das Hauptproblem ist, daß die serbische Polizei keinerlei Kontrolle unterliegt. Das muß anders werden. Ich würde mir wünschen, daß Serbien selbst internationale Beobachter wie amnesty international in den Kosovo einlädt, damit diese die Rechtmäßigkeit des Vorgehens überwachen. Das würde die Glaubwürdigkeit der Polizeieinsätze erhöhen. Denn Serbien kann die Einheiten nicht einfach aus dem Kosovo abziehen - das bewaffnete Potential auf albanischer Seite ist dafür mittlerweile einfach zu groß.

Die serbische Regierung besteht aus einer Koalition der Milosevic-Sozialisten mit den Ultranationalisten von Vojislav Seselj. Die Zajedno-Opposition ist zerfallen, Vuk Draskovic hat sich als Monarchist geoutet. Wo sind die serbischen Demokraten?

Das Problem ist nicht Milosevic allein, sondern tatsächlich die Konstellation Milosevic plus Draskovic plus Seselj. Andererseits sind die jeweiligen Parteien nicht so schlimm wie die Führungsfiguren. Die demokratische Opposition kann aber diesen Widerspruch zwischen den undemokratischen Parteiführern und ihrer Basis nicht dynamisieren, da wir vom Zugang zu den Medien praktisch ausgeschlossen sind.

Die Situation scheint festgefahren...

Ich setze meine Hoffnungen auf Montenegro. Dort sind am 31. Mai Parlamentswahlen. Die montenegrinischen Demokraten von Präsident Djukanovic haben gute Aussichten zu gewinnen. Danach werden wir - Demokraten aus Serbien und Montenegro - ein gesamtjugoslawisches Oppositionsbündnis gründen und aus dieser starken Position heraus erneut Reformen auf die Tagesordnung setzen.