Fetisch Globalisierung

Hirsch legt nach

Eine Art "Volksausgabe" des 1995 erschienenen Buchs "Der nationale Wettbewerbsstaat" von Joachim Hirsch hat der ID-Verlag unter dem Titel "Vom Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat" vorgelegt. "Globalisierung" kritisiert Hirsch als einen "schwammigen Begriff", der sich durch eine "erhebliche Unschärfe" auszeichnet und den Blick auf das verstellt, was das Wesen der unter diesem Begriff subsumierten Vorgänge ausmacht. Seiner Einschätzung nach ist die Globalisierung als eine "Strategie des Kapitals zur Lösung der Fordismus-Krise", als "Projekt des kapitalistischen Klassenkampfs" und daher als "politische Strategie" zu verstehen, wobei die Aspekte von Zwangsläufigkeit innerhalb der gegenwärtigen Entwicklung bei Hirsch unterbelichtet bleiben.

Der kapitalistischen Strategie entspricht die Transformation vom keynesianisch geprägten Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat. Hirsch wendet sich gegen die These von der Schwächung bzw. vom Verschwinden des Staates im Zuge der Liberalisierung. Er beharrt darauf, daß der "freie Markt" staatlich-politisch, durch "Herrschaft und Unterdrückung eingerichtet und gesteuert" ist. Eine der auffallendsten Kontinuitäten zwischen fordistischem Sicherheitsstaat und nationalem Wettbewerbsstaat sieht Hirsch in der innerstaatlichen Aufrüstung. Einen Unterschied entdeckt er darin, daß sich die Politik im nationalen Wettbewerbsstaat von "materieller zu ideologischer, autoritär-populistisch, nationalistisch und rassistisch unterfütterter Integration" verlagert. Unabhängig davon verweist er darauf, daß der Nationalstaat ungeachtet seiner empirischen Konkretion strukturell auf Rassismus, Nationalismus und auch Sexismus basiert.

Was Hirschs Arbeiten der jüngsten Zeit interessant macht, ist die scharfe Kritik an den Zivilgesellschaftskonzepten in den neueren demokratiepolitischen Debatten und die damit einhergehende Ablehnung einer unkritischen Bezugnahme auf NGOs als emanzipatives Potential. In früheren Schriften schien es oft so, als würden die Ausführungen des Autor zu den Perspektiven linker Politik stets hinter seine eigene Kritik zurückfallen. Zwar ist auch im vorliegenden Buch etwas nebulös von "alternativen" Netzwerken, "wahrer" Demokratie und "wirklichen" Zivilgesellschaften die Rede, aber der Autor hat merklich darauf geachtet, daß sein Konzept eines "radikalen Reformismus" nicht als Absage an die soziale Revolution mißverstanden wird. Das bedeutet aber nicht, daß an seiner an Poulantzas orientierten Vorstellung von einer Politik, "die sich in und mit dem Staat zugleich gegen ihn richtet", nichts mehr zu kritisieren wäre. Es scheint so, als würde Hirsch seine an anderer Stelle mit Nachdruck vorgebrachte prinzipielle Ablehnung des Staates als Mittel zur Emanzipation zumindest relativieren.

Auch wenn sich in diesem Buch Ansätze einer Auseinandersetzung mit klassischen Imperialismus- und Dependenztheorien finden, denen Hirsch zu Recht gravierende Mängel vorwirft, verzichtet er explizit auf eine Darstellung des theoretischen Hintergrunds seiner Ausführungen. Während sich sein vor drei Jahren erschienenes Buch auch dadurch auszeichnete, daß versucht wurde, den Begriff des Staatsfetisch aus dem Warenfetisch zu entwickeln und somit zwei grundlegende soziale Formen, in denen Verdinglichung im Kapitalismus zum Ausdruck kommt, miteinander in Beziehung gesetzt wurden, verzichtet Hirsch in diesem Band auf einen an Marx orientierten Fetischbegriff.

Joachim Hirsch: Vom Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat. ID-Verlag, Berlin 1998, 170 S., DM 28