Tarifpolitik mit dem Knüppel

Neue Deutsche Welle

Die Stimmung beim Public-Relations-Sender der Bundesregierung könnte kaum schlechter sein. Der Programmbereichsleiter der Deutschen Welle (DW), Jörg Brüggemann, verkündete vergangene Woche eine neue Dienstanweisung. Demnach sollen die Freien Mitarbeiter einer Abschaffung der Nachtzuschläge und weiteren Honorarkürzungen zustimmen, bevor am 18. Juni die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag aufgenommen werden.

Der Clou dabei: Wer bis zum 1. Juni nicht unterschreibt, wird einfach rausgeschmissen. Nach dem Scheitern der ersten Verhandlungen Anfang Mai hatte der Intendant Dieter Weirich die bestehenden Verträge mit den Freien einseitig aufgekündigt. Als Begründung gab er an, daß sich die Mitarbeiter "neuen ökonomischen Bedingungen" anzupassen hätten. Vor allem die ausländischen Freien, auf deren zahlreiche Mitarbeit die DW ansonsten stolz verweist, haben Nachteile zu befürchten.

"Auf keinen Fall unterschreiben", heißt nun die Parole der Freien - denn der Erpressungsversuch könnte sich für das Staatsfernsehen als Bumerang erweisen. Das DW-Programm wird in Berlin größtenteils von freien Mitarbeitern produziert. Sollten sich diese in ihrer Weigerung, das Papier zu unterschreiben, halbwegs einig sein, könnten schon in nächsten Woche statt Helmut Kohl nur noch Testbilder auf dem Kanal der Welle zu sehen sein.

Der aktuelle Konflikt ist nur ein weiterer Höhepunkt in einer seit langem schwelenden Auseinandersetzung. Erst im letzten Jahr erhielt die DW-Leitung wegen Behinderung des Gesamtpersonalrates vom Kölner Arbeitsgericht einen herben Rüffel. Einen derartigen Umgang, wie ihn die DW-Leitung mit dem Personalrat pflege, habe das Gericht noch nicht erlebt, erklärte damals der Vorsitzende Richter.

Das rüde Vorgehen hat System. Der Sender ist eifrig bemüht, seinen Personalstand kräftig abzubauen. Seit 1994 fielen über 300 Stellen weg, bis 2001 sollen es noch mal 120 sein. Dann sollen an den Standorten Köln und Berlin nur noch 1 700 Mitarbeiter beschäftigt werden. Ein Ende der Kündigungswelle ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Derzeit berät der DW-Rundfunkrat über eine völlige Neustrukturierung - die Welle müsse sich von dem Versuch verabschieden, ein Vollprogramm zu fahren. "My favorite programmes are Lustige Musikanten und Boulevard Deutschland" wird beispielsweise in der DW-Programmzeitschrift plus ein begeisterter DW-Konsument aus Rio zitiert. Doch auf solche High-Lights wird er wohl bald verzichten müssen. Die aufwendige Kombination aus Nachrichten und Unterhaltung ist mit dem knappen Budget nicht mehr länger aufrecht zu erhalten.

Ab 1999 soll nach dem Vorbild des Nachrichtensender CNN ein neues Programm gestaltet werden, daß mit Bei-trägen aus ARD und ZDF angereichert wird. Dazu ist allerdings nur noch ein Bruchteil des derzeitigen Mitarbeiterstamms nötig. Kein Wunder also, daß die Leitung nun versucht, zuerst die freien Mitarbeiter loszuwerden. Die geplante Umstrukturierung hat jedoch nicht nur finanzielle Gründe - nebenbei versucht der Rundfunkrat auch, seinen staatspolitischen Auftrag damit zu erfüllen. Ein künftiges gemeinsames Auslandsfernsehen von ARD, ZDF und DW solle dem "einseitigen" Image Deutschlands entgegenwirken, gibt CDU-Mitglied Weidrich die neue Linie vor, daß durch die "Dominanz" der "anglo-amerikanischen Sichtweise" auf dem Markt entstanden sei.