Paris

Schwach gefurzt

Die bürgerlichen Parteien haben ein neues Bündnis geschlossen, die "Alliance pour la France"

"Die 'Alliance pour la France' wollte mit Karacho loslegen. Doch das, was die 'offizielle Gründungsversammlung' bilden sollte, endete gestern mit einem schwachen Furz", kommentiert Libération die Gründung der bürgerlichen Sammlungsbewegung" Alliance pour la France".

Mitte Mai (Jungle World, Nr. 21/98) hatten die gaullistische RPR und das liberal-konservative Parteienbündnis UDF ihre Absicht bekanntgegeben, sich zu einer einheitlichen Formation - nach Vorbild der deutschen CDU / CSU - zusammenzuschließen. Als dann der größte UDF-Teilhaber, die Démocratie libérale (DL) unter Führung des Ex-Wirtschaftsministers Alain Madelin, am 16. Mai ihren vollständigen Rückzug aus der UDF beschloß, stand ein weiterer Partner für die neue Sammlungsbewegung auf der Matte.

Jeder der beteiligten Parteiapparate war darum bemüht, eine Entmachtung bestehender Strukturen zugunsten der neuen Konföderation zu verhindern. Man einigte sich darauf, jedem der drei Parteivorsitzenden (Philippe Séguin für den RPR, Fran ç ois Léotard für die Reste der UDF und Alain Madelin für die DL) ein Vetorecht gegenüber Entscheidungen des 30-köpfigen "Politischen Komitees", der Führungsinstanz der Alliance pour la France, einzuräumen - jeder der drei Partner kann so die politische Handlungsfähigkeit des Gesamtbündnisses blockieren.

Nicht einmal auf die Bildung einer gemeinsamen Parlamentsfraktion konnte man sich einigen; nur eine "Inter-Fraktion" als Dachstruktur für die drei Abgeordnetengruppen wollte der RPR, der das stärkste Parlamentarierkontingent stellt, akzeptieren.

Die Madelin-Partei Démocratie libérale spielt indes die Karte der "politischen Erneuerung" gegen die überkommenen Strukturen der beiden größeren Formationen aus; aus ihren Reihen kamen eine Reihe von Anträgen zur Bildung einer gemeinsamen Fraktion, und ihre Führung setzt derzeit auf die Gründung lokaler Allianzen als örtliche Abbilder des nationalen Parteienbündnisses - mit dem deutlichen Interesse, an den Pariser Führungsstäben vorbei die Basis des konservativen Lagers aufzurollen.

Auf programmatischer Ebene gibt es natürlich erst recht nichts Neues bei der Alliance pour la France: mehr innere Sicherheit, eine Modernisierung des Staates, eine Flexibilisierung der Arbeitsgesetzgebung und Steuersenkungen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ein paar marode Unternehmen ihre Läden zusammengelegt haben - ohne eine zündende Geschäftsidee allerdings, die ihnen neue Kunden zutreiben würde.

Die Märkte jedoch sind zusammengebrochen. Anfang der Neunziger, als die Sozialdemokratie nach langen Regierungsjahren unter Mitterrand crashte, sah es nach einem Aufschwung für die Bürgerlichen aus: Dank des Mehrheitswahlrechts konnten RPR und UDF 84 Prozent der Parlamentssitze erobern, sie regierten 20 von 22 Regionen und stellten den Staatspräsidenten. Die Aussichten auf Karriere zogen viele bürgerliche Persönlichkeiten an, von denen heute - nach dem Scheitern der Rechten nach einer kurzen Regierungszeit (1993 bis 1997) - sich nurmehr ein Bruchteil mit politischen Posten versorgen läßt, da rund zwei Drittel der (nationalen und regionalen) Parlamentsmandate weggefallen sind.

So ist die Panik verständlich, die einen Teil des konservativen Personals erfaßt hat - und die der neofaschistische Front National (FN) nach den Regionalwahlen im März nur für sich zu mobilisieren hatte, indem er mit neuen lukrativen Ämtern lockte, um innerhalb der bürgerlichen Politikapparate selbstzerstörerische Energien zu entfesseln.

Einer, der es besonders eilig hatte und ein offenes Bündnis mit den Neofaschisten in seinem Regionalparlament

Rh(tm)ne-Alpes eingegangen ist, hat sich kurz nach der Gründung der Alliance erneut mit seinem eigenen Projekt in der Öffentlichkeit präsentiert: Ex-Verteidigungsminister Charles Millon und seine Partei "La Droite" (Jungle World, Nr. 18 und 21/98). Der hatte seinen "Vorgründungskongreß", zu dem rund 1 500 Anhänger in Paris zusammenkamen, um einen Tag vorgezogen, um in örtlicher und zeitlicher Nähe zu einem Kolloquium kleiner und kleinster Parteien am rechten Rande des konservativen Spektrums zu tagen, die sich für ein Bündnis mit dem rechtsextremen FN aussprechen.

Potentiellen Interessenten sollte die Teilnahme an beiden Veranstaltungen ermöglicht werden, um so zu einer möglichst optimalen Bündelung aller Verfechter eines Bündnisses zwischen Konservativen und Rechtsextremen beizutragen.

Veranstalter dieses Kolloquiums war die Splitterpartei PPL ("Parti pour la liberté"), die ein hemmungslos marktradikales Brachialprogramm predigt - Senkung der Staatsausgaben um 500 Milliarden Francs, Abschaffung aller gesetzlichen Regelungen im Kündigungsschutz oder des staatlich garantierten Mindestlohns. Während sie landesweit bei der letzten Parlamentswahl 0,0 Prozent erhielt (nur im großbürgerlichen 5. Pariser Bezirk kam sie auf fast fünf Prozent), schien sie dem FN-Chefideologen Buno Mégret immerhin so wichtig, daß er als Gast an ihrem letzten Kongreß teilnahm.

Die PPL hatte einiges an rechter Prominenz aufgeboten: Henry de Lesquen, Präsident des Club de l'Horloge, einer rechten Denkfabrik, die zahlreiche Kader des FN (darunter Mégret) hervorgebracht hat, aber auch in den Reihen von UDF und RPR Anhänger aufweist; oder Jean-Gilles Malliarakis, ehemaliger nationalrevolutionärer Aktivist und heute Mitglied eines von Alain Madelin gegründeten und geleiteten Clubs ("Idées-Action"); dazu die Chefs der beiden Kleinparteien CNIP ("Nationales Zentrum der Landwirte und Selbständigen", eine reaktionäre Mittelstandspartei) und der Parti National-Républicain (eine Abspaltung des Front National), Jean Perrin und Jean-Fran ç ois Touzé; und den früheren UDF-Abgeordneten und Leitartikler des Figaro-Magazine, Alain Griotteray, der seit über einem Jahrzehnt als begeisterter Vorkämpfer für ein Bündnis der Rechten mit dem FN agiert.

Millons Kalkül ist deutlich, denn sollte La Droite Erfolg haben, wird sie unzweifelhaft zum Sammelbecken des politischen Spektrums zwischen Alliance und FN werden.