Jelzin ordnet seine Medien

Gawarit Moskwa

Vor den Programmchefs der drei größten Fernsehsender Rußlands wurde Präsident Boris Jelzin kürzlich deutlich. "Wir haben das Recht zu bitten, ich will nicht sagen zu verlangen, daß Sie die staatliche Politik im Fernsehen unterstützen." Mit einem umstrittenen Dekret hatte Jelzin Anfang Mai angeordnet, die regionalen russischen Rundfunkstationen in einer Art Holding zusammenzufassen und der direkten Regierungskontrolle zu unterstellen. Obwohl die Sender bereits vorher Regierungseigentum waren, bestimmten bisher die zuständigen Regionalpolitiker, was auf dem Schirm zu sehen war. Damit soll es in spätestens einem Monat vorbei sein, wenn das Dekret umgesetzt wird.

Der Medienriese mit Namen VGTRK wird dann nicht nur mehr als einhundert Rundfunksender kontrollieren, sondern auch einen enormen Einfluß auf die privaten Fernseh- und Radiostationen ausüben, da diese auf seine Technik und Frequenzen angewiesen sind. Wohl nicht zu Unrecht fürchten die Privaten, der neue Medienriese werde sein Monopol auch ökonomisch ausspielen.

Was seine Motive für diesen Schritt angeht, so nimmt Jelzin kein Blatt vor den Mund. Die privaten Besitzer der Mediengruppen seien die schlimmsten Zensoren, verteidigte der Präsident seine Pressefreiheit auf der jährlichen Konferenz des Internationalen Journalisteninstituts. Sie mischten sich in redaktionelle Entscheidungen ein und raubten damit den Lesern und Zuschauern die Möglichkeit, sich objektiv zu informieren.

Im Fernsehgeschäft besitzt der Milliardär Boris Beresowski in der Tat einen Aktienanteil von 26 Prozent am Sender ORT. Zwar gehören 51 Prozent der Anteile dem Staat, doch auch seine Minderheitsbeteiligung erlaubt es dem trickreichen Geschäftsmann, einzugreifen. So bezog ORT vor den wichtigen Gouverneurswahlen in Krasnojarsk Stellung für den späteren Sieger Alexander Lebed, der den Posten als Sprungbrett ins Präsidentenamt nutzen will, und nicht für den Amtsinhaber und Kreml-Protegé Valery Zubow.

NTW, der drittgrößte Fernsehsender, wird von Wladimir Gusinski kontrolliert, der sein Vermögen wie Beresowski im Bankgeschäft gemacht hat. Neben NTW gehören ihm die Tageszeitung Sewodnja, ein Nachrichtenmagazin und der einfluß- reiche Radiosender "Moskaus Echo". Welchem Politiker er den Rücken stärken will, hat er noch nicht bekanntgegeben. Doch der Widerstand, der sich jetzt gegen das Dekret regt, kommt überraschenderweise nicht von den Medienfürsten selbst, sondern von einem Regionalpolitiker. Aman Tulejev, Gouverneur der Kusbass-Region, will das Dekret vor dem Verfassungsgericht anfechten, da ein solcher Eingriff in die Rundfunkhoheit als Verstoß gegen die Verfassung verstanden werde müsse.

Ob Jelzin in zwei Jahren noch einmal für das Präsidentenamt kandidieren wird, steht noch dahin. Bei den Wahlen 1996 wußte er die Medien auf seiner Seite, denn die einzigen ernstzunehmenden Gegner waren die Kommunisten. Gerade die Privaten fürchteten bei ihrem Sieg eine Rückkehr zum alten System staatlicher Kontrolle, was sie dazu bewog, sich hinter Jelzin zu versammeln. Bei den Wahlen im Jahr 2000 jedoch wird es neben den Kommunisten noch andere aussichtsreiche Kandidaten geben, so daß eine erneute Kandidatur Jelzins von den privaten Medien wohl kaum unterstützt werden wird.

Doch mehr als einmal ist es Jelzin gelungen, als Sieger aus scheinbar verlorenen Machtkampfen innerhalb der russischen Politik hervorzugehen. Die Gründung des neuen Medienriesen VGTRK könnte ein Etappensieg in seinem bisher wichtigsten Kampf gewesen sein.