Hools und Entschuldiger haben dasselbe Motiv

Tschuldigung!

"Pardon France" steht auf einem Transparent, das deutsche Fußball-Fans während des Spiels gegen Iran im Stadion aufgehängt haben. Deutschland entschuldigt sich für die chauvinistische Visage, die es bei den Hooligan-Ausschreitungen in Lens gezeigt hat.

Es ist gut, daß dies während der WM in Frankreich passiert ist - vor den Augen der Weltöffentlichkeit - und nicht, wie fast jede Woche, irgendwo in Deutschland. Während Frankreich gerüstet war auf vermeintliche islamistische Störer, zeigte sich, daß das Zivilisationsmanko nicht bei den islamischen Fundamentalisten auszumachen ist, sondern bei einer Bande brutaler Schläger aus Deutschland.

Das sah nicht gut aus für "unser Vaterland" (Berti Vogts) - und so müssen alle ran, den Schaden wiedergutzumachen, den "Deutschlands Ansehen" (SPD-MdB Jürgen Meyer) genommen hatte. Kohl spricht von einer "Schande für unser Land", freilich nicht ohne den Hinweis, daß die Urheber auch aus anderen Ländern kommen könnten. Fernsehsender blenden Spendenkontos für die Opfer des Krawalls ein, deutsche Fans in Frankreich sammeln 1 800 Mark, die Bild-Zeitung spendet 50 000. DFB-Chef Egidius Braun vergißt Tränen und mag nicht mehr mitspielen.

Andere, weniger sentimental, "sehen den Vorfall mit Entsetzen" (Deutsch-Französische Handelskammer) oder kündigen, wie Innenminister Manfred Kanther, härteres Vorgehen gegen die "Gewaltverbrecher" (Klaus Kinkel) an. Oder lamentieren wie Simpel Berti Vogts, Deutschland habe bei seinen Auslandsgastspielen bisher immer eine gute Visitenkarte abgegeben - selbst in Israel. Womit er wohl meinte, nicht einmal dort sei jemand zu Schaden gekommen. Immerhin, er gäbe für das Leben des Polizisten den Sieg der deutschen Mannschaft gegen Jugoslawien her. Und, als seien noch nicht genug Peinlichkeiten ausgesprochen, macht auch der Straßen-Hooligan Michael "Schumi" Schumacher das, was er am wenigsten kann und dachte nach: "Ich weiß nicht, ob man die auch Menschen nennen darf ... Also, bei einem Tier geht man hin und schläfert es ein. Vielleicht sollte man das gleiche da auch machen."

Warum all diese Aufregung? Weil deutsche Männerbanden auf Nichtdeutsche eingeprügelt haben? Ist daran etwas neu? Regt das noch jemand auf?

Die politische Klasse sicher nicht, die Mehrheit der Deutschen ebensowenig, teilt sie doch die Abneigung gegen fremde Schmarotzer, und für die Medien gehören Meldungen von Übergriffen gegen MigrantInnen längst zu den Brotnachrichten.

Ein paar Tage im Juni: Am 7. Juni beschimpfen und schlagen 15 bis 20 junge Leute sieben Afrikaner in Anklam in Vorpommern. Zwei der Opfer müssen im Krankenhaus behandelt werden. Am 16. Juni greifen zwei Jugendliche einen indischen Asylbewerber in Fürstenwalde / Oder an und würgen ihn mit einem Gürtel. Am 19. Juni attackieren 21 Jugendliche eine Gruppe kasachischer Aussiedler bei Grimma (Sachsen). Am 22. Juni überfallen drei 16- bis 18jährige Rechtsradikale auf einem Schulhof in Cottbus einen 16jährigen Kurden und verprügeln ihn. Am 26. Juni schlagen drei Skins in Berlin auf einen 43jährigen Vietnamesen ein, jagen ihn auf die Gleise der S-Bahn und lassen erst von ihm ab, als sich ein Zug nähert. Der Schwerverletzte kann sich im letzten Moment von den Schienen rollen. Die Aufzählung wird fortgesetzt.

Nicht, daß Menschen Opfer rassistischer oder chauvinistischer Gewalt werden, bewegt die Gemüter, sondern daß das Bild des "neuen Deutschland" ( Vogts) beschädigt wurde.

Der Instinkt, der Deutschland jetzt zu einer Entschuldigung treibt, ist derselbe, der die Schläger von Lens auf ihre Opfer eindreschen ließ.