Berndt Petri

»Stollmann hat Druck ausgeübt«

Der neue Star in Gerhard Schröders Schattenkabinett ist unter Beschuß geraten. Die Gewerkschaften werfen dem Unternehmer und potentiellen Wirtschaftsminister Jost Stollmann vor, in seiner ehemaligen Firma Compunet die Wahl eines Betriebsrates verhindert zu haben. Doch der sieht darin kein Problem. Seine Mitarbeiter hätten sich damals mit großer Mehrheit gegen einen Betriebsrat ausgesprochen - denn seiner Meinung nach gebe es kaum ein Unternehmen, in dem die Beschäftigten so viel zu sagen hätten wie bei Compunet. Berndt Petri ist geschäftsführender Sekretär bei der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) in Köln.

Jost Stollmann bezeichnet seine ehemalige Firma CompuNet gerne als "Kulturexperiment" und als "Funcompany", bei der es kaum noch Unterschiede zwischen Betriebsführung und Belegschaft gebe. Alle sitzen im selben Boot, ein Betriebsrat sei bei einer modernen Unternehmensführung überflüssig.

Das Problem mit dem Boot ist nur, daß die einen rudern - und die anderen steuern und entscheiden. Die Beschäftigten haben mittlerweile unter dem Eindruck von viereinhalb Millionen Arbeitslosen ohnehin ein positives Verhältnis zu ihren jeweiligen Betrieben; da ist es ganz gleich, welche jeweilige interne Firmenideologie vertreten wird, unabhängig davon, ob die nun Stollmann oder Dussmann heißen. Die Mittel sind verschieden, aber am Ende geht es immer darum, Gewinne zu erzielen. Und wenn Herr Stollmann nun erklärt, daß er als Unternehmer ohnehin alle Probleme der Beschäftigten regeln würde und keinen Betriebsrat benötige, ist das alter Wein in neuen Schläuchen. Diese Erklärung gibt es, seitdem es Betriebsräte gibt.

Dennoch gilt Stollmann bei vielen als Synonym für Erfolg, Fortschritt und den Aufbruch in eine neue Wirtschaftspolitik. Der DGB halte hingegen an alten Besitzständen fest und betreibe einen "Klassenkrieg" gegen den neuen Hoffnungsträger, kommentierte die taz vergangene Woche.

Dieser Erfolg wird von den Medien sehr begierig aufgegriffen, von daher sind es zum Teil herbeigeschriebene Wunderwerke. Stollmann war zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Branche. Wer Ende der siebziger Jahre in den Großhandel mit Computer eingestiegen ist, konnte mit einem halbwegs vernünftigen Geschäftskonzept Ähnliches erreichen, was Herr Stollmann geschafft hat.

Ich vermag dieser Erfolgsgeschichte daher nicht viel abzugewinnen. Als Gewerkschafter ist für mich vielmehr die Frage entscheidend, wieviel Mitsprache die Beschäftigten in ihrer Firma haben. Und dazu gehört die Frage nach der innerbetrieblichen und überbetrieblichen Mitbestimmung und als dritte Komponente die Mitbestimmung am Arbeitsplatz. Dies sollte auch einer genauen Regelung unterliegen - und nicht davon abhängig sein, wie es ein Herr Stollmann oder ein Herr Dussmann gerade wünschen und nach Tageslage für richtig halten. Für die Arbeitnehmer muß dies eine rechtlich garantierte Veranstaltung sein, wo sie sich tatsächlich dauerhaft wiederfinden.

Welchen Einfluß hatte Herr Stollman auf die Betriebratswahlen bei CompuNet ausgeübt?

Die Wahl eines Betriebsrates ist die ureigenste Angelegenheit der Arbeitnehmer, da haben Unternehmer oder leitende Angestellte nichts zu suchen. Herr Stollmann hat sich jedoch mit Hilfe von Rechtsanwälten aktiv in die Frage der Bildung eines Wahlvorstandes eingeschalten.

Wie hat er es gemacht?

Bei CompuNet ging es um die Bildung eines Wahlvorstandes, der dann die Wahl eines Betriebsrates durchführen sollte. Diese Versammlung fand in Köln statt, ungefähr 20 Kilometer vom Firmensitz in Kerpen entfernt.

Herr Stollmann hat dafür gesorgt, daß die CompuNet-Mitarbeiter mit Bussen nach Köln kamen, er selbst erschien in Begleitung eines Rechtsanwaltes zur Versammlung, obwohl ihm dieser Zutritt eigentlich rechtlich nicht zusteht.

Wir gehen davon aus, daß dann passiert ist, was üblicherweise passiert, wenn ein Unternehmer die Bildung eines Betriebsrates verhindern will: Auf die Arbeitnehmer wurde in unterschiedlicher Form Druck ausgeübt. Das wird im Regelfall immer schwer nachweisbar sein, aber aus der ganzen Art und Weise, wie die Veranstaltung ablief, war dies für uns unschwer erkennbar.

Wie sah dieser Druck aus?

Nach unseren Eindrücken ist den Beschäftigten vermittelt worden, daß die Gewährung des Weihnachtsgeldes in Abhängigkeit mit einem entsprechenden Verhalten bei der Bildung dieses Wahlvorstandes stehen würde. Das haben wir am nächsten Tag auch in einem Flugblatt noch einmal so dargestellt - ohne daß unsere Vermutung dabei auf Widerspruch gestoßen wäre.

Und was war das Ergebnis?

Es wurde zwar ein Wahlvorstand gewählt, aber ein Großteil der Arbeitnehmer hat sich der Stimme enthalten. Wir haben dem gewählten Vorstand dann empfohlen, Abstand von der weiteren Durchführung der Betriebsratswahlen zu nehmen - weil wir befürchtet haben, daß die Vorstandsmitglieder erheblichem Druck ausgesetzt sein würden.

Was halten Sie von Stollmann als zukünftigem Wirtschaftsminister?

Das ist schiere Spekulation. Ob die Luftblasen von Herrn Rexrodt oder Herrn Stollmann produziert werden, das bleibt sich gleich. Nicht auszuschließen ist allerdings, daß Herr Stollmann merkt, daß das, was er in seiner kleinen Welt geregelt hat, nicht bruchlos auf die gesamte Wirtschaft übertragbar ist. Ich halte den Rummel für eine geschickt inszenierte Werbekampagne von Gerhard Schröder. Vermutlich wären die Vokabeln die gleichen, auch wenn die Person anders heißen würde.

Gibt es bei CompuNet mittlerweile einen Betriebsrat?

Nein. Wie in manchen anderen Firmen, die einen Betriebsrat vermeiden wollen, wurde ein sogenannter Vertrauensmann eingeführt, der über keinerlei rechtliche Sicherheiten verfügt. Das ist eine Institution, die keine Grundlage hat für irgendwas und die auch nur so lange existiert, wie dies im Interesse der Firmenleitung liegt. Das ist ein Betriebsrat ohne eigenständige Rechte, der vom Wohl und Wehe des jeweiligen Unternehmers abhängig ist, eine Schönwettereinrichtung.

Erhalten Sie Informationen über betriebsinterne Konflikte ?

Aus einem derartigen Unternehmen kommen nur wenige Informationen raus. Hintergründe sind nur zu erhalten, wenn man mit einem Betriebsrat reden kann. Nur dieser hat Anspruch auf derartige Informationen - der betriebseigene Vertrauensmann nicht. Es gibt keine gesetzlich geregelte Interessensvertretung und demzufolge müßte jeder, der in dieser Funktion ist, verrückt sein, wenn er Kontakt zur Gewerkschaft hält. Der Betriebsrat hat einen gesetzlich verbrieften Kündigungsschutz. Dieser Vertrauensmann hat gar nichts.