Deutschland tanzt den Dimitroff

Haltet den Banker!

Soll man sich über den Vergleich der Schweizer Banken mit jüdischen Klägern freuen oder ärgern? Zunächst überwiegt die Freude: Für die Überlebenden der Shoah und die Angehörigen der Opfer, die nun zumindest einen Bruchteil dessen wiedererhalten, was ihnen und ihren Familien geraubt wurde. Erst recht über ihr entschlossenes Handeln, das einen Jahrzehnte währenden demütigenden Bittgang in einen erfolgreichen politischen Angriff verwandelt hat. Gegen die, die von "nachrichtenlosen Konten" nichts wissen wollten. Und gegen die, die im Wissen, daß die SS keine Totenscheine ausgestellt hat, diese dennoch verlangten.

Besonders erfreulich ist, jetzt auch die erwiesenen Kriegs- und Arisierungsgewinnler der Deutschen und Dresdner Bank sowie der Allianz zappeln zu sehen, angesichts des Drucks, unter dem sie nun stehen: Sammelklagen, mögliche "Ablaßgeschäfte" (FAZ) in Milliardenhöhe, dazu eventuell Boykottdrohungen, vielleicht sogar Sanktionsmaßnahmen auf dem US-Markt. Daß sie sich der politischen Dimension ihrer Verbrechen stellen, wäre noch schöner, bleibt aber Wunschdenken bürgerlicher Medien und Konzernpropaganda.

Die Mischung aus republikanischem Protektionismus und demokratischem Antifaschismus, die viele US-Bundesstaaten gegen Schweizer Banken angewandt haben (und die weiter gegen die Schweizer Versicherungen Zürcher, Basler und Winterthur angewendet wird), hat Erfolg gehabt. Mit Mitteln, die dem Kapitalismus immanent sind: Ein Viertelliter Boykott hier, ein Schuß Sanktion dort, den Rest aufgefüllt mit Diplomatie, politischem Druck und juristischen Klagen. Ein guter Drink, der demnächst auch auf Kosten deutscher Banker und Versicherer getrunken werden wird.

Doch da fängt schon der Ärger an. Darüber, daß es so lange gedauert hat, bis auch die deutschen Groß-Profiteure drangekommen sind. Noch mehr aber über den Umstand, daß es bei ihnen bleiben wird. Der Rest der deutschen Volksgemeinschaft steht wieder einmal außen vor. Und freut sich nach dem Motto: "Haltet den Banker!" Schon die Diskussion um das Verhalten der Schweizer Banken war hierzulande davon geprägt, Ursache und Wirkung endgültig vertauschen zu wollen: "Schau an, der Schweizer, mit den Nazis hat er gemeinsame Sache gemacht." Kollaboration ist immer die Kollaboration der anderen.

Dann kamen auch noch andere hinzu: Portugal, die Türkei, Schweden. Selbst auf britischen Konten sollten plötzlich noch Erlöse aus dem Raubgold-Handel liegen. "Raubgold. Die Schuld wird europäisch" titelte die FAZ. Nazis sind immer die anderen. Ganz so, als hätte die Schweizer Bundesarmee Europa in Schutt und Asche gelegt und die Vernichtungslager hätten schon immer in Lissabon, Lausanne oder Linköping gestanden.

Nun sind es wieder die Großbanken, nur eben die deutschen: "Hitlers willige Banker" (Christian Semler) entlasten das einig Volk von "Hitlers willigen Vollstreckern" (Daniel Jonah Goldhagen): Die Angestellten von 1933, die 1938 für einen Spottpreis Firmenbesitzer wurden. Deutsche Arbeiter, die den Chef im kleinen (Vorarbeiter), den SA-Unterscharführer oder den Blockwart machen durften (nicht selten gleichzeitig als Vermieter plötzlich leerstehender Wohnungen). Das Großbürgertum, das nie wieder so günstig an Antiquitäten und Kunstgegenstände kam. Die unzähligen Privat- und Hobby-Arisierer aller Klassen, die von (nie zurückgezahlten) jüdischen Beitragszahlungen in Sozial- und Rentenversicherung profitiert haben.

Liebhaber von "Schnäppchen aus Judenkisten", so die Überschrift eines Spiegel-Artikels vom Anfang des Jahres über mehr als hunderttausend Bewohner des so liberalen Hamburgs (vom Proleten bis zum Großhändler), die von deportierten Juden alles abgezockt haben, was zu kriegen war - Wohnungen, Möbel, Haushaltsgegenstände, selbst die Wäsche -, waren sie alle. Und hätten sie die Möglichkeit gehabt, Juden das Zahngold aus dem Mund zu brechen, hätten sie es vermutlich auch selbst getan. So blieb es bei Ringen und Ketten, die man sich häufig noch in letzter Minute von den zur Deportation Vorgesehenen holte. Den Rest mußten die Eliten aus Staat und Wirtschaft übernehmen. Die Staatsführung eine effiziente Planung, die SS das Ausbrechen, die Reichsbank das Verteilen im Inneren, Degussa und Preußische Münze das Umschmelzen, Deutsche und Dresdner Bank das Verteilen nach außen. Sofern diese Unternehmen noch bestehen, sollten sie dafür zahlen. Und nicht zu knapp.