DVU nicht im Landtag

Kameradschaften gestärkt

Alles ist einfach und klar. Warum ist die PDS in Mecklenburg-Vorpommern so stark? Die Arbeitslosigkeit sei schuld, sagt die CDU. Wenn die DVU oder andere Faschisten über fünf Prozent gekommen wären, hätte die Antwort nicht anders gelautet. Und warum schafften die nicht den Einzug in das Parlament? Die CDU habe die Nazis "mit einer klaren Ausländerpolitik" rausgehalten. Sagt sie selbst. Quod erat demonstrandum: Die CDU will rechter sein als die Rassisten von Ultrarechts. Das wußten wir schon.

Also hat sich nichts geändert. Der Miethai Gerhard Frey mit seinem Gemischtwarenladen DVU und den Parteifunktionären, die jeden Rülpser in der Zentrale absegnen lassen müssen, ist politisch und langfristig keine ernstzunehmende Gefahr. Und jeder Experte, der vollmundig von Sachsen-Anhalt auf andere Bundesländer schließen wollte, muß sich fragen lassen, worauf diese Spekulationen sich gründeten. Das ultrarechte Milieu umfaßt, das ist seit zwanzig Jahren unstrittig und auch in anderen europäischen Ländern so, zwischen zehn und fünfzehn Prozent der Wählerstimmen. Es kommt darauf an, ob diese latente rassistische, antisemitische und chauvinistische Einstellung sich jeweils politisch mobilisieren läßt, von wem auch immer. Und warum sollte jemand, der den Staat völkisch definiert, wie es unser Staatsbürgerschaftsrecht noch vorschreibt, und Einwanderer ablehnt, warum sollte der die Nazis wählen, wenn er doch Kanther, Beckstein und Schönbohm hat?

Anders die NPD: Sie hat schon einmal den Einzug in den Bundestag verpaßt, vor knapp dreißig Jahren. Damals zogen die Jungnazis die Konsequenzen: Sie verzichteten darauf, nach Wählerstimmen zu jagen, sondern bauten außerparlamentarisch Wehrsportgruppen auf. Der Aufstieg des westdeutschen Nazis Michael Kühnen und seiner Schlägerbanden war das direkte Ergebnis. Ähnlich wird es auch jetzt sein: Diejenigen, die im Neonazi-Milieu das Konzept der "autonomen Kameradschaften" propagieren und Parteien nur als Durchlauferhitzer benutzen, um langfristig Kader heranzuziehen, werden sich bestärkt fühlen.

Deswegen bedeutet es nicht viel, ob Nazis in den Parlamenten sitzen. Rechte Wählerstimmen sind kaum ein Indiz dafür, ob es für Afrodeutsche oder Menschen mit "südländischem" Aussehen gefährlich ist, durch bestimmte Wohnviertel zu gehen. Der rechte Terror in einigen Städten fand und findet unabhängig davon statt, welche der Parteien das Sagen hatte. Das Milieu, die Subkultur und die Hegemonie rassistischer Einstellungen in Teilen Ostdeutschlands sind kein Produkt der DVU oder der NPD, sondern spülen deren Kader erst nach oben. Wahlverhalten, Musikgeschmack, modisches Outfit, Vorurteile und Freizeitverhalten sind einzelne Segmente dieses rechten Milieus, die sich beliebig kombinieren lassen und die nicht alle gleichzeitig vorhanden sein müssen: Wer rechts denkt, kurze Haare trägt und den Nazi-Troubadix Frank Rennicke hört, kann auch CDU oder PDS wählen. Bundesweit gilt, daß die Wähler sich immer öfter punktuell entscheiden, wem sie zutrauen, ihre Interessen zu vertreten.

Für die NPD hat sich die für sie wichtige Entscheidung verschoben. Im nächsten Jahr wird sich bei den Kommunalwahlen im Osten zeigen, ob sie auf lokaler Ebene medienwirksame Achtungserfolge erzielt. Dann erst könnte ihre Strategie aufgehen, im Spagat zwischen der nationalbolschewistischen Fraktion der PDS und den zerbröselnden Restbeständen des ultrarechten bürgerlichen Milieus von Ostsachsen wie der DSU diejenigen zu vereinen, die "das ist unser Land!" grölen und damit die nationalsozialistische Volkssolidarität meinen.

Eine Prognose ist sicher: Die bürgerliche Rechte wird zum einen wegen und trotz der eindeutigen Niederlage der Nazis an der Totalitarismus-Doktrin festhalten: Sie wird die Holocaust-Leugner der NPD mit Gregor Gysi auf eine Stufe stellen. Ihr Ziel ist es nicht, Nazis aus den Parlamenten fernzuhalten, sondern, daß ihre ureigensten Ideen nicht gar so extrem von anderen vertreten werden. Eine Volksfront gegen Nazis ist selbst mit Heiner Geißler nicht zu machen, auch wenn der beim Thema Einwanderung linker ist als die Mehrheit der SPD. Die Sozialdemokraten muß man, das ist seit 1918 unstrittig, dazu prügeln, politische Entscheidungen zu treffen, die tendenziell nach links weisen. Die einzige Partei, die definitiv und glaubwürdig verlangte, das rassistische deutsche Staatsbürgerschaftsrecht zu ändern, die Grünen, bekam in Mecklenburg weniger Stimmen als die Nazis. Das zeigt, welche Prioritäten die Wähler im Osten setzen: "Arbeit" ist ihnen wichtiger als die Menschenrechte der Einwanderer.