Bundeswehr nach Belgrad

Rühes Krieg

Rühe ruft zum Kriegseintritt. "Ultimatum gegen Milosevic!" forderte er letzte Woche auf der Tagung des Nato-Rats im portugiesischen Vilamoura. Seine Nato-Kollegen drängte er, energischer für Luftangriffe auf Ziele in ganz Jugoslawien zu mobilisieren. Wenige Stunden nach Verabschiedung der Kosovo-Resolution im UN-Sicherheitsrat sicherte Rühe dem Nato-Generalsekretär Solana die Beteiligung deutscher Kampfflieger an Militärschlägen zu. Dabei hatte die Resolution Milosevic nicht einmal ein zeitliches Limit für den Rückzug seiner Truppen aus dem Kosovo gesetzt.

Rühes "beherztes Eingreifen" (FAZ) nimmt Gestalt an. Als erster Staat hat Deutschland 14 Tornado-Jets zum Angriff bereitgestellt. Griechenland, Frankreich und Italien stehen dem Nato-Einsatz noch reserviert gegenüber, obwohl sie in Vilamoura die Teilmobilisierung unterstützten. Für den Militärschlag fehlten am Wochenende immer noch 180 Maschinen.

Mit seinem Vorstoß setzt sich Rühe an die Spitze der Interventionisten. Er treibt zum zweiten Nato-Angriffskrieg außerhalb des Bündnis-Territoriums. Nachdem die Nato bereits im Bosnien-Krieg serbische Stellungen bombardiert hatte, ruft der deutsche Verteidigungsminister jetzt zum Luftkrieg gegen Belgrad. Rühe warnte, die Geduld der USA mit den Europäern könne bald ein Ende haben, wenn diese nicht endlich militärisch im Kosovo eingriffen. Rühes Kronzeugen in Washington fordern zwar auch einen Militärschlag, allerdings mit dem Ziel eines Waffenstillstands, während der Akzent des deutschen Oberbefehlshabers auf der Unterstützung der Kosovo-Sezessionisten liegt.

Rühe geht weit über die Beschlüsse der Vereinten Nationen hinaus, die Außenminister Klaus Kinkel noch wahlkampftrunken als "letztes Signal an Milosevic" abgefeiert hatte. Anders als Kinkel wollte sich Rühe schon von Beginn des Kosovo-Konflikts an nicht um UN-Resolutionen scheren. Ihm reichen die Beschlüsse der Nato zur Durchsetzung eines verstärkten deutschen Militär-Engagements auf dem Balkan: "Wenn unsere westlichen Verbündeten die Nato-Schläge zum Schutz der Zivilbevölkerung für gerechtfertigt halten, dann muß auch Deutschland voll dahinterstehen."

Dafür bescheinigte ihm die FAZ, "Deutschlands Bündnisfähigkeit" unter Beweis gestellt und "seinen Führungswillen bewiesen" zu haben.

Ein Mandat des Sicherheitsrats, sagte Rühe, sei nicht nötig, "zumal die Russen (...) immer offen gesagt haben, daß sie dagegen ein Veto einlegen". Damit kanzelte er Kinkel ab, der nach der überraschenden Zustimmung Rußlands "alle Zweifler" widerlegt sah, "die immer behauptet haben, Rußland werde sich an einer Kosovo-Resolution des Sicherheitsrates nicht beteiligen". Doch Rühe geht der Beschluß längst nicht weit genug.

Wer deutsche Soldaten ohne UN-Mandat auf den Balkan schicken will, muß auch im Innern mobilisieren. Rühe will die Einheit der Volksparteien, schon lange nicht mehr sieht er die SPD als vaterlandslose Gesellen: "Auf Grüne und PDS rechne ich nicht", aber die SPD müsse gemeinsam mit der CDU "Milosevic klarmachen, daß er mit seinen Methoden nicht durchkommt."

Die große Koalition kann noch diese Woche den Kriegseintritt im Kosovo beschließen. Mit so etwas hat sie Übung. Am 30. Juni 1995 beschloß der Bundestag den Einsatz der Bundeswehr in Bosnien. Dreieinhalb Jahre später könnten CDU und SPD erneut zum Krieg gegen Milosevic rufen.