Sozialdemokraten finden zueinander

Mecklenburg-Vorpommerns Rotsocken sind zufrieden: Erstmals könnte die PDS zusammen mit der SPD eine Landesregierung stellen

Die rosaroten Sterne standen günstig, längst bevor sich am vergangenen Montagabend Vorstand und Parteirat der Schweriner Sozialdemokraten zurückzogen, um über die Farbenkombination der künftigen Regierung Mecklenburg-Vorpommerns zu debattieren. Ganz nach dem Geschmack des SPD-Landeschefs Harald Ringstorff hatte Gerhard Schröder schon Anfang September grünes Licht für eine Koalition seiner Partei mit der PDS im Nordosten gegeben. Nun, nachdem die SPD 34,3 Prozent der Wählerstimmen für sich verbuchen konnte, während die Union ihr Planziel "40 plus x Prozent" um ein lockeres Viertel unterboten hat, könnten es die Rotsocken erstmals zu Ministerwürden in einer Landesregierung bringen.

Die PDS selbst hatte schon vorgesorgt: Zwar wurden kurz vor der Wahl des Schweriner Parlaments innerhalb der Partei Stimmen laut, die sich kritisch zur Regierungsbeteiligung äußerten. Doch da war das Koalitionsangebot längst beschlossene Sache. Mitte August hatten die ostdeutschen Sozialisten eine Erklärung veröffentlicht, in der sie die "Mindestanforderungen der PDS an eine neue Politik in Mecklenburg-Vorpommern" niedergeschrieben hatten: 5 000 neue öffentlich geförderte Arbeitsplätze, davon 1 000 im Bereich der Schulsozialarbeit; ein Betreuungsplatz für jedes Kind; Stärkung der Kommunen. Lohndumping etwa auf dem Bau wollen die Sozialisten demnach ebenso den Kampf ansagen wie dem von der SPD gehätschelten Kombi-Lohn.

Wenige Tage vor der Wahl legte die PDS noch nach. In einem Eckpunkte-Papier forderte die Partei vom Partner in spe gleich 20 000 neue Jobs. Zudem müsse eine gemeinsame Landesregierung Initiativen in den Bundesrat einbringen, mit denen die wesentlichen Sozialkürzungen der Ära Kohl rückgängig gemacht würden: Änderungen im Kündigungsschutz, Kürzungen im Renten- und Gesundheitswesen sollen rückgängig gemacht werden. Auf unpopuläre Forderungen wie die Abschaffung des Verfassungsschutzes und der Stasi-Unterlagen-Behörde hatte man mittlerweile freilich verzichtet.

Dennoch reichlich Unbequemes für die Schweriner Sozis - sollte man meinen. Ringstorff ließ sich aber vorab nicht irritieren und gab sich offen: "Wir werden nach den Wahlen mit der CDU und der PDS Gespräche führen und mit der Partei zusammenarbeiten, mit der mehr sozialdemokratische Politik für Mecklenburg-Vorpommern machbar ist."

Daß der Wunschpartner jedoch lieber nicht ein zweites Mal Union heißen sollte, daran hatte Ringstorff in den letzten Jahren nie einen Zweifel gelassen. Nicht erst, als er 1996 versuchte, in seiner damaligen Funktion als Wirtschaftsminister dem Koalitionspartner CDU die Schuld für den Werftenbankrott unterzujubeln und so eine Regierungskrise auslöste. Schon nach den letzten Wahlen hätte der SPD-Politiker lieber mit den Demokratischen Sozialisten regiert, wurde dann aber von der Bonner Baracke, dem sozialdemokratischen Hauptquartier, zurückgepfiffen.

Heute stehen die Aktien für die "rosa-rote Liaison" jedoch besser. Nicht nur durch den relativen Erfolg, den die PDS mit einer Steigerung des Stimmenanteils von 22,7 Prozent auf 24,4 Prozent erreichen konnte. Der Bundestags-Wahlkampf und damit die drohende Rote-Socken-Kampagne sind Vergangenheit. Potentielle andere Bündnispartner wie die FDP (1,6 Prozent) und die Grünen (2,7 Prozent) blieben noch unter dem Ergebnis der DVU, die mit 2,9 Prozent überraschend deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.

Und schließlich kann die SPD mittlerweile auf über vier Jahre "Magdeburger Modell" zurückblicken, mit dem sie gut leben konnte. Etwa eine Milliarde Mark aus dem Haushalt sind durch die Tolerierung der Regierung in Sachsen-Anhalt durch die PDS auf die Bereiche Arbeit, Soziales und Bildung umgeschichtet worden. Ein Veto der Sozialisten hat zudem dazu beigetragen, daß die Kürzungen für die Kommunen um 100 Millionen Mark geringer ausgefallen sind als geplant. Im Rahmen eines Jugendfeststellungsprogramms setzte die PDS 250 bis 300 Arbeitsplätze für Streetworker und andere Sozialarbeiter durch. Dann aber ist auch schon das Ende der Fahnenstange erreicht. Ärger gab es dennoch bislang wenig. Im Gegenteil: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner kann sich rühmen, mit Hilfe der PDS-Tolerierung eine der stabilsten Landesregierungen anzuführen.

Doch mit einer Tolerierung wollen sich Mecklenburg-Vorpommerns Sozialisten nicht abspeisen lassen. Zwar ließ die PDS-Fraktionsvorsitzende Caterina Muth am vergangenen Sonntag offen, ob ihre Partei koalieren, tolerieren oder gar in die Opposition gehen wolle und formulierte nur wachsweich: "Das Wahlergebnis insgesamt kann eine neue linke Politik ermöglichen." Doch Landeschef Helmut Holter machte schon mal eindeutige Avancen an die SPD. Eine indirekte Regierungsbeteiligung ohne Ministerposten, wie in Sachsen-Anhalt, soll es in Schwerin wenn möglich nicht geben. Über die anvisierten Ressorts wollte jedoch noch niemand sprechen. Bislang waren das Umweltministerium unter Führung von Muth und ein dem Landtagsabgeordneten Andreas Bluhm unterstehendes Kulturressort im Gespräch. Holter sollte die Verantwortung für das Soziale übernehmen.

In den eigenen Reihen warb der Landesvorsitzende am Sonntagabend erneut für das Regierungsbündnis. Eine gute Woche vor den Wahlen war innerhalb der Partei ein Diskussionspapier aufgetaucht, das für leichte Aufregung sorgte: Als Koalitionspartner müßte die PDS "Verantwortung für unsoziale, undemokratische Regierungspolitik tragen", hieß es in dem unter anderem von Fraktionsmitarbeiterin Edeltraut Felfe und deren Kollege Karl-Friedrich Gruel formulierten Schreiben. Eine durchgehende Sozialdemokratisierung der PDS mache die Partei überflüssig. Die Autoren und Autorinnen befürchteten eine "geistig-programmatische Wende".

Doch trotz der kritischen Stimmen ist kaum zu erwarten, daß sich die PDS auf ihrem Landesparteitag am 10. Oktober gegen die gemeinsame Regierung mit der SPD aussprechen wird. Und auch bei den Schweriner Sozialdemokraten hielten sich nach der Wahl die Skeptiker zurück. Nicht nur enge Vertraute Ringstorffs wie der Landtagsabgeordnete Gottfried Timm sprachen von einer "Anbindung" der PDS. Selbst Justizminister Rolf Eggert, einst noch scharfer Gegner jeder Liaison mit der SED-Nachfolgepartei, räumte die Möglichkeit einer Tolerierung ein. Von einem möglichen Bündnis mit dem bisherigen Partner CDU redete man eher pflichtgemäß - oder, um die Rotsocken vor den anstehenden Verhandlungen schon mal unter Druck zu setzen.

Dabei müßten die Sozialdemokraten mit dem von Ringstorff geradezu persönlich gehaßten Ministerpräsidenten Berndt Seite nicht mehr rechnen. Nachdem die CDU mit 30,2 Prozent der Wählerstimmen knapp neun Prozent Verluste hinnehmen und damit ihre Position als stärkste Partei abgeben mußte, ließ Seite wissen, er stehe für keine weiteren Ämter mehr zur Verfügung. Damit dürfte Ringstorff also recht behalten haben. Der neue Landeschef hatte seinem Vorgänger und bisherigen Koalitionspartner einmal bescheinigt, er werde "auf den hinteren Bänken verschwinden".

Für den PDS-Politiker Holter hat Ringstorff dagegen immer ein freundliches Wort. Dieser sei ein Mann, "der sehr viel sozialdemokratische Politik vertritt". Da ist es nur logisch, daß die PDS im letzten Eckpunkte-Papier für Bündnisverhandlungen festschrieb, "ideologische Bekenntnisse" sollten bei den anstehenden Gesprächen mit der SPD nicht im Vordergrund stehen. Sonst fällt noch auf, daß hier zwei sozialdemokratische Parteien koalieren.