Die drei von der Plattform

PDS-Kommunisten auf nationalem Kurs. Die KPF verteidigt mit der DDR auch den "deutschen Sozialismus".
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Die Wahlschlappe von DVU, NPD und Reps bei den Wahlen kann nicht beruhigen. Man muß keiner Nazi-Partei die Stimme geben, um rechtsextrem oder zumindest rassistisch und nationalistisch zu wählen. In Gollwitz wurde der parteilose Bürgermeister Andreas Heldt ("Ich bin vielleicht ausländerfeindlich, aber nicht braun"), der mit rassistischen und antisemitischen Sprüchen sein Dorf wacker gegen den Zuzug jüdischer SpätaussiedlerInnen verteidigte, bei den Brandenburger Kommunalwahlen demonstrativ bestätigt: 87 Prozent der 356 wahlberechtigten GollwitzerInnen stimmten für ihn. Als Heldt erstmals in das Amt gewählt wurde, hatte er einen knappen Vorsprung von nur 20 Stimmen. Sein Kurs wurde also eindrucksvoll honoriert.

Kein Wunder. Die GollwitzerInnen waren seinerzeit trotz ihrer üblen Hetzparolen gegen Jüdinnen und Juden und gegen AusländerInnen eifrig verteidigt worden: von Ministerpräsident Stolpe, der mit "Planungsfehlern der Verwaltung" argumentierte, ebenso wie von der Kommunistischen Plattform (KPF) der PDS und ihrem Leib- und Magenblättchen junge Welt. Die soziale Lage der "ostdeutschen Krisenopfer" sei so desaströs, hieß es da, daß man sich nicht wundern dürfe, daß die armen Ossis ausländerfeindlich werden.

Seitdem ist einiges passiert: Die Nazis, speziell die NPD, orientieren sich verstärkt auf soziale Fragen und verteidigen die DDR als den "besseren deutschen Staat". Und das Neue Deutschland gibt dieser nationalbolschewistischen Tendenz von der anderen Seite Futter, indem die Zeitung einen ausgemachten Rechtsextremen ein Plädoyer für seine nationalen Ansichten halten ließ und anschließend mit einer Debatte für eine Hinwendung der Linken zur Nation warb. Kein Wunder, daß sich in die konstruktive Diskussion mit dem Rechten ausgerechnet Ellen Brombacher (Kommunistische Plattform; KPF) einmischte, die sich auch bei der Verteidigung der GollwitzerInnen schon hervorgetan hatte.

Jetzt veröffentlichte die Plattform in ihren Mitteilungen der KPF einen Beitrag, mit dem sie ihren Kurs fortschreibt. In dem Artikel, den die junge Welt brav nachdruckte, versucht ein AutorInnenkollektiv aus Ellen Brombacher, Heinz Marohn und Gerald Schwember, eine Studie des Brandenburger Extremismusforschers Bernd Wagner (Zentrum Demokratische Kultur) zu widerlegen. In der Studie kommt Wagner zu dem Ergebnis, daß die hohe Akzeptanz rechtsextremer Positionen vor allem durch junge Männer im Osten Deutschlands ihre Wurzeln in der autoritären, vormundschaftlichen und konformitären Prägung der DDR hat.

Doch Autoritäres gehört für Brombacher und Co. offenbar ebensowenig zum Faschismus wie Rassismus, Patriarchat, Nationalismus und Militarismus. Kein Wunder, das gehörte ja auch zur DDR. Ihre Faschismusanalyse drückt sich in dem aktuellen Papier so aus: Es sei ein Fehler, daß sich Menschen eher "durch Bilder von DDR-Fahnenappellen" an Nazi-Deutschland erinnert fühlten als "durch die Dresdner Bankfiliale an der Ecke oder den parkenden Daimler vor der Tür". Brombacher bestimmt hier - als wenn in den letzten 80 Jahren nichts geschehen wäre - die politischen Fronten nach dem alten dualistischen Klassenkampf. Hier der ausgebeutete Arbeiter, da "das nach 1945 ungebrochen Weiterexistieren des deutschen Bankwesens", das internationale Großkapital. Sie sind für die KPF der Kern des Faschismus.

Die NPD hat dieselben Feinde. Nur sind das für sie Symbole der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung. Für die KPF ist der Faschismus nicht nur schlicht ein Auswuchs des Kapitalismus, im Grunde setzt sie beides gleich. Wenn AusländerInnen angezündet werden, denkt die KPF nicht an Auschwitz. Aber beim Anblick einer Bankfiliale oder eines Mercedes an Krupp und Thyssen. Gaskammern hatten ihrer Auffassung nach weniger einen rassistischen als einen ökonomischen Zweck - der Bereicherung an "arisiertem" Vermögen. Matthias Küntzel hat dies zu Recht kritisiert. Diese Kommunisten denken den Faschismus ohne rassistisch-antisemitische Vernichtungspolitik, ohne Holocaust.

Im Diskurs mit dem rechtsextremen wir selbst-Redakteur Roland Wehl zitierte Brombacher im Neuen Deutschland wohlwollend Lenin: "Das Vaterland" sei "der stärkste Faktor im Klassenkampf". Sie beklagte die "faktisch schon existierende globale Herrschaft der Monopole und Banken", das Verschwinden der Nation. NPD-Sympathisant Prof. Michael Nier verurteilte in einem Leserbrief an das ND, Brombacher zustimmend, die "volksfeindliche Politik des transnationalen Kapitals". Hier wird deutlich, was Klassenkampf heute bedeutet: Alle Zwistigkeiten beiseite gegen den dicken Kapitalisten mit Zylinder, Zigarre - und Hakennase. Ein Kampfbündnis des kleinen Mannes, des kleinen deutschen Mannes, wohlgemerkt. Seite an Seite mit dem sexistischen und rassistischen Drecksack von nebenan gegen Bill Gates. Sind wir nicht alle Krisenopfer? Wer die Ökonomie für alles verantwortlich macht und jedes Unrecht, jede Perversion und jedes Unterdrückungsverhältnis daraus ableitet, der muß schließlich bei Gollwitz landen.

Vor einem Jahr schrieb Brombacher in der jungen Welt, unsere Sozialordnung gleiche einem Hühnerhof, wo ein Huhn auf das auf der sozialen Leiter rangniedrigere einhacke. Die Ossis, im konkreten Fall die Gollwitzer, seien "auf der vorletzten Sprosse in diesem Land". Man dürfe sich also nicht wundern, wenn sie auf die einzigen, die noch ärmer dran seien in Deutschland - die jüdischen AusländerInnen - rumhackten. So einfach kann man sich's machen. Auch in ihrem jetzt veröffentlichten Pamphlet führt Brombacher "die Wirksamkeit der Nazis unter jungen Leuten" "maßgeblich" auf die "soziale Misere" zurück. Mal davon abgesehen, daß sie so tut, als seien Nazis irgendwelche vom Mond gefallenen oder aus dem Westen importierten grünen Männchen, und nicht etwa die "jungen Leute" selbst, wischt sie das - gerade für SozialistInnen - naheliegende Gegenargument, daß viele sozial gebeutelten Menschen eben nicht Nazis werden, mit einer raschen Handbewegung beiseite: "Unerheblich" sei es, "daß ein Teil der Jugendlichen, die rechten Parolen folgen, weder arbeitslos noch ohne Lehrstellen" seien. "Es ist das allgemeine Klima im Osten, eine ungekannte kulturelle und moralische Verelendung eingeschlossen."

Dann legen Brombacher und ihre Genossen noch einen drauf. Nicht die autoritären, nationalen, militaristischen, patriarchalen, rassistischen Werte der DDR-Gesellschaft seien schuld am Wiederaufblühen dieser Werte heute. Sondern im Gegenteil der Zusammenbruch all der ach so guten "antifaschistischen" und "menschlichen" Werte der DDR in der Wendezeit. Ein "Kulturschock" sei der Mauerfall gewesen, allem habe man "abschwören" müssen, beklagen sich die drei von der Plattform. Nur noch "Geld und Stärke" hätten plötzlich gezählt. In dieser orientierungslosen Phase hätten die Nazis "ihre Kader schnurstracks in den Osten befördert" und so bei den Kids gewaltig punkten können.

Rassismus ist für die Brombachers eine "Massenprojektion". AusländerInnen würden zum "Sündenbock" gemacht. Letzteres ist sicher nicht verkehrt, genauso wie klar ist, daß es ohne "Wende" einen solchen Nazi-Boom im Osten nicht gegeben hätte. Doch die elementare Frage, warum die Ausgebeuteten und sozial Unterdrückten ihren Haß ausgerechnet auf Nichtdeutsche projizieren, bleibt damit unbeantwortet. Zumal im Osten Deutschlands kaum AusländerInnen leben, die zum Beispiel irgend einem Ossi den Arbeitsplatz wegnehmen könnten. Daß genau dieser monokulturelle Gesellschaftszustand auch ein Grund für die Fremdenfeindlichkeit im Osten sein könnte, kommt Brombacher nicht in den Sinn. Klar: Es ist schließlich vor allem der SED-Politik, die Einwanderung nie vorgesehen hatte, zu verdanken, daß das Gebiet der ehemaligen DDR eine fast ausländerfreie Zone war und ist. Der "Daimler vor der Tür" hat damit verdammt wenig zu tun.

Die Orthodoxen werfen der antiautoritären Linken in diesem Zusammenhang gerne einen bürgerlichen Totalitarismus-Diskurs vor. Doch dieser Vorwurf fällt auf sie selbst zurück. Der Totalitarismus-Diskurs bekommt nicht dadurch Nahrung, daß man die DDR als autoritär kritisiert, sondern indem man die DDR verklärt. Wer Sozialismus nur in sozialen und ökonomischen Kategorien denkt ("Die Brötchen kosteten nur fünf Pfennig!") und dabei alle emanzipatorischen und libertären Ansprüche ausklammert, nähert sich dem Strasser-Sozialismus an. Die NPD propagiert den "deutschen Sozialismus", und das, was die Gollwitz-Linken anzubieten haben, ist nichts anderes. Was sie Klasse nennen, ist die Volksgemeinschaft.

Zuerst kritische Marxisten, dann Feministinnen, später antiautoritäre/ autonome Linke, schließlich die Antinationalen - viele haben in den letzten 30 Jahren versucht, Betonköpfen wie Ellen Brombacher verständlich zu machen, daß linke, also emanzipatorische Politik mehr sein muß als die Lösung des "Arbeitslosenproblems", und daß es Macht- und Herrschaftsmechanismen gibt, die nicht mit der Enteignung der Dresdner Bank aufgehoben sind. Nachdem sich in der sogenannten "sozialen Frage", also an dem Kampf gegen das globale Kapital, immer mehr ein Zusammenrücken von Rot und Braun abzeichnet, gilt es, einen Schritt weiterzugehen: Die Ökonomie ist hierzulande ein Nebenwiderspruch, solange es nicht wieder einen gesellschaftlichen Konsens gibt, daß man Menschen anderer Hautfarbe nicht totschlägt.