Drei Farben Lila

Die britische Sozialdemokratie zwischen Staatsmacht, Deregulierung und Kommerz

Lila ist so schön nichtssagend. Eine milde Farbe, gut geeignet, um den Background eines Redners auszuleuchten, wenn dieser "harte Wahrheiten" zu verkünden hat. Zum Beispiel, daß gespart werden muß. Auch und gerade von einer Labour-Regierung.

Lila, auch auf kleinen Flächen - auf Krawatten, Hals- oder Brusttüchern - läßt zudem den Redner selbst freundlicher erscheinen. Wenn mal wieder gesagt werden muß, daß die Armut trotz aller Bemühungen nicht weniger werden will und man deswegen mit einem "Null-Toleranz"-Konzept gegen "Diebe und Bettler" vorgehen werde.

Daß Lila die ideale Farbe für britische Sozialdemokraten ist, weiß auch Tony Blair, Parteichef der britischen Labour Party - genauer: von Englands New Labour. Zwar ist das alles so neu nun auch wieder nicht - immerhin ist Blair seit dem Mai 1997 an der Macht -, doch gilt es den Mittelklassen, die daran Anteil hatten, das zu geben, was sie hören wollen. "Modern, prinzipientreu, am Puls der Zeit", faßt Blair, lila ausgeleuchtet und in gleichfarbiger Krawatte, seinen Kurs zusammen.

Der Labour-Parteitag letzte Woche in Blackpool war von Reden und Symbolik dieser Art geprägt. Selbst die Rückseiten der Passierausweise für Delegierte waren als Werbefläche an eine Supermarktkette verkauft worden; Werbestände für insgesamt 233 Firmen standen zur Verfügung. Der Parteitag wird so zum lohnenden Geschäft. Und zu verkaufen gibt es auch so einiges.

Da ist das Evergreen der europäischen Sozialdemokratie. Statt die kapitalistische Weltwirtschaft abzulehnen oder sie einfach geschehen zu lassen, biete seine Regierung, so Blair, den Menschen den "Dritten Weg": Staatliche Hilfe, um sich anzupassen. An was, bleibt offen. Third Way, spottete die FAZ am letzten Wochenende, würden einige Labour-Mitglieder aus der Provinz "für eine neue Schokoladenmarke halten".

Hoch gehandelt wird auch die "Eigenverantwortung". Mehr davon sollen alle, insbesondere aber Schulen, Krankenhäuser und Rentner übernehmen. Ebenso die Arbeitslosen: Bei beruflicher Weiterbildung werden sie zwar vom Staat unterstützt, aber es gibt nur eine Chance. Wer die nicht nutzt, bekommt die Stütze zusammengestrichen. Staatliche Unterstützung ohne Auflagen gibt es nur für Familien mit Kindern. Wegen deren "hoher Selbstverantwortung."

Und dann ist da noch der propagierte "linke" Labour-Kurs: 40 Milliarden Pfund (rund 115 Milliarden Mark) sollen, so Finanzminister Gordon Brown, dem ein lila Lappen aus der Brusttasche ragt, in das Gesundheits- und Bildungssystem gesteckt werden. Diese Einmalzahlung ist von der Regierung bereits beschlossen, wird von der Parteispitze als Linksruck verkauft und von der Parteibasis - einschließlich des linken Flügels - als solcher gefeiert. Daß dieser "Linksruck" mittelfristig Leistungslöhne im Bildungs- und Gesundheitssystem mit sich bringen wird, interessiert nur die wenigsten.

Lila verbindet. Den Gewerkschaftsflügel, der innerhalb der Partei immer noch soviel Einfluß hat wie er außerhalb über keinen verfügt, mit dem Yuppie- und Unternehmerflügel. Zusammen will man auch die nächsten Wahlen im Jahr 2001 gewinnen. Und sie schweißt die hohen Parteifunktionäre, für die in der Hierarchie der Parteifarben Lila vorgesehen ist, mit den einfachen Delegierten zusammen. Denn diese tragen zum Teil Passierausweise der mit Labour verbündeten Handelsgenossenschaft Co-Operative Society, die auf der Rückseite ebenfalls lila sind.

Als Mischung aus dem traditionellen Rot der Gewerkschaften und dem Blau der Konservativen verbindet Lila auch politisch. Die jüngsten Massenentlassungen bei Rover, Siemens und Fujitsu werden von der Parteibasis beklagt. Um so etwas künftig zu vermeiden, müssen die Steuersätze - auch für Unternehmen - gesenkt und die "zu niedrige Produktivität" erhöht werden, fordert Blair.

Ein weiteres Top-Thema des Parteitags ist die Währungsstabilität. Alle sind sich einig, daß das irgendwie wichtig ist. Und daß es gut ist, mit Gerhard Schröder einen weiteren sozialdemokratischen Staatschef in Europa zu haben. Mit ihm und der französischen Regierung soll eine Reform von IWF und Weltbank in Angriff genommen werden. Diese Institutionen müßten künftig wieder mehr "Kontrolle" übernehmen und die Finanzmärkte besser "regulieren", erklärte Finanzminister Brown.

Lila paßt zur britischen Sozialdemokratie, könnte aber auch rasch zur Farbe der gesamten europäischen Sozialdemokratie werden. Der Duden bemerkt zur Herkunft des Wortes salopp, daß "Lila nicht eindeutig als Rot od. Blau zu bestimmen ist od. entstellt aus lala" entstanden sein könnte, was wiederum "in der Verbindung so lala (ugs.; einigermaßen)" verwendet werde.