Frankfurt (Main; nicht Deutschland)

Flüchtlinge: Werden die Grünen die Abschaffung der Flughafenregelung fordern?

Bis auf deutschen Boden hatten sie es geschafft, doch vor dem Gesetz galten sie nicht als nach Deutschland eingereist. Da flohen sie erneut: Diesmal nicht aus einem Bürgerkriegsstaat, sondern aus dem Transitbereich des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens. Seit drei Wochen befinden sich elf Flüchtlinge, die durch den Schacht einer Klimaanlage entkommen konnten, erneut auf der Flucht - als Illegale ohne Anspruch auf Obdach, Sozialleistungen oder auch nur auf ein ordentliches Asylverfahren.

Denn mit der Neuregelung des Asylverfahrensgesetzes trat Anfang Juli 1993 nicht nur die inzwischen von allen EU-Staaten übernommene Drittstaatenregelung (Paragraph 26a AsylVfG) in Kraft, sondern auch das Flughafenverfahren (Paragraph 18a AsylVfG). Während die Drittstaatenregelung jedes Asylbegehren von Flüchtlingen, die über Land einreisen wollen, schon an der Grenze abschmettert, sorgt das Paragraph-18a-Verfahren für die entsprechenden Verhältnisse auf den Flughäfen: Die Flüchtlinge werden im Transitbereich festgehalten; hier prüft das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) in einem Schnellverfahren, ob sie zum eigentlichen Asylverfahren überhaupt zugelassen werden.

Die rechtlichen Möglichkeiten sind stark eingeschränkt; die meisten von ihnen werden schnell zurückgeschickt. Wer aus einem vermeintlich "sicheren Herkunftsland" kommt, hat kaum eine Chance, zum Asylverfahren zugelassen zu werden.

Rund 40 Millionen Menschen frequentieren den Frankfurter Flughafen jährlich, 1400 Grenzschützer tun hier Dienst. Für Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge ist der Airport die wichtigste Pforte zur Bundesrepublik Deutschland - in beiden Richtungen: Mehr als 10000 von ihnen kommen hier jedes Jahr an, fast ebensoviele werden alljährlich über den Frankfurter Flughafen abgeschoben.

Im Transitbereich wurde ein ehemaliger Frachtraum zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Vom Bundesgrenzschutz (BGS) bewacht und nur durch einen Parcours von Kontrollstellen des BGS und der Flughafen AG (FAG) erreichbar, verharren hier in Spitzenzeiten bis zu 200 Asylsuchende in zehn vom kirchlichen Flughafen-Sozialdienst (FSD) betreuten Sechsbett-Zimmern.

Drei Jahre dauerte es nach der Verschärfung der Asylgesetzgebung, bis das Bundesverfassungsgericht am 14. Mai 1996 über die Klagen einiger Flüchtlkinge gegen die Flughafenregelung befand. Die Karlsruher Richter ließen die bis dahin geübte Praxis weitgehend unangetastet: Das seit 1993 gültige Gesetz sei in allen Punkten mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit kompatibel.

Lediglich die Frist zur Begründung von Klage und Eilantrag nach einem ablehnenden Bescheid durch das BAFl wurde um vier Tage verlängert. Eine kostenlose und unabhängige Rechtsberatung in den Räumen des FSD für jene Flüchtlinge, die einen Ablehnungsbescheid des BAFl ausgehändigt bekommen haben, wurde erst im Juni 1998 - zwei Jahre nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts - eingeführt.

Nun könnte das Flughafenverfahren abermals zur Disposition stehen: Das Wahlprogramm der Grünen fordert seine Abschaffung. Auch die Drittstaatenregelung wollen die Grünen insofern aushebeln, als künftig grundsätzlich geprüft werden soll, ob ein Flüchtling in dem Land, in das er abgeschoben wird, vor Verfolgung sicher ist. Mit der einstigen grünen Forderung nach "offenen Grenzen für alle" hat das zwar nicht mehr viel gemein, doch für die Flüchtlinge würde es immerhin eine deutliche Verbesserung ihres Status bedeuten.

Ob die Grünen die Forderung in den Bonner Koalitionsverhandlungen aber überhaupt noch vertreten werden, ist unsicher: Schon vor Monaten hat der künftige Chef des Bundestagsfraktion Rezzo Schlauch seine Einschätzung kundgetan, daß ein Rückkgängigmachen des sogenannten Asylkompromisses mit der SPD wohl nicht zu machen sein werde und deswegen von der Agenda zu streichen sei.