Operation gelungen

Die internationale Unterstützungsfront ist sich einig: Das Verfahren gegen Pinochet ist rechtswidrig, gemein und "unmenschlich"

Der Mann kann einem echt leid tun: Er ist alt und zuckerkrank, benötigt einen Herzschrittmacher und ist von schweren Depressionen geplagt, und nun sollen auch noch seine Konten in der Schweiz und in Luxemburg gesperrt werden. Außerdem erzählte man ihm - dem chilenischen General Augusto Pinochet Ugarte - erst fünf Tage später, daß er am 17. Oktober mit internationalem Haftbefehl zweier spanischer Richter festgenommen worden sei.

Aber zum Glück ist der Mann ja nicht allein, sondern weiß um Unterstützung. Margaret Thatcher fordert seine Freilassung, bei ihr war der Ex-Diktator ein gern gesehener Gast - mindestens fünf mal soll er in den letzten vier Jahren bei der früheren Premierministerin Großbritanniens zum Tee empfangen worden sein, zuletzt Anfang Oktober.

Auch vom militärisch-industriellen Komplex des Landes wird der General protegiert. Nach einem Bericht der Londoner Tageszeitung The Times war Pinochet nicht nur nach Großbritannien gereist, um sich dort einer Bandscheibenoperation zu unterziehen: Die Rüstungsfirma Royal Ordnance habe ihn schriftlich eingeladen, damit der General mit den professionellen Waffendealern über die weitere Ausstattung der chilenischen Armee verhandeln könne - also, das legt der Bericht nahe, habe der Ex-Diktator einen Diplomatenstatus innegehabt.

Am Wochenende landete zudem eine chilenische Militärmaschine auf einem britischen Militärstützpunkt - mit einem Ärzteteam an Bord, berichtete die chilenische Zeitung El Mercurio, die Anfang der siebziger Jahre CIA-gesponsert wurde; die Maschine warte darauf, Pinochet nach seiner Freilassung nach Chile zu fliegen. Und die rechtsextreme Pinochet-Stiftung hat den Papst um "Vermittlung" gebeten. Der wird sich wohl nicht lange zieren, aus reiner Menschlichkeit, versteht sich.

Das spanische Sondergericht Audiencia Nacional, das bereits seit Juni bzw. Juli 1996 in zwei Verfahren gegen Pinochet ermittelt, beruft sich hingegen auf spanisches und internationales Recht: Das Statut des Nürnberger Gerichtshofes von 1945 sowie Resolutionen der Vereinten Nationen. Der Fall Pinochet liege etwa auf derselben Ebene mit der Entführung Adolf Eichmanns aus Argentinien durch den israelischen Geheimdienst. Völkermord, internationaler Terrorismus, Folter und Verschwindenlassen sind die Vorwürfe der beiden Verfahren, die seit der vergangenen Woche beide dem "Superrichter" Baltasar Garz-n Real unterstehen. Garz-n macht Pinochet für die Morde und Folterungen in Chile von 1973 bis 1990 verantwortlich, begangen von der ihm direkt unterstehenden Geheimpolizei Dina, und auch für die Operaci-n C-ndor, eine Junta-Koordination mit den Militärs anderer südamerikanischer Staaten.

Pinochet, so heißt es im internationalen Haftbefehl vom 16. Oktober, sei "als einer der höchsten Verantwortlichen für Organisierung und Anführung" der Operaci-n C-ndor verantwortlich und habe dadurch an einem "systematischen Plan illegaler Verhaftungen (Entführungen), Folter, gewaltsamer Vertreibung von Personen und Ermordung oder Verschwindenlassen zahlreicher Menschen" mitgewirkt.

Daß die spanischen Konservativen von den Ermittlungen alles andere als begeistert sind, stört den für seine Starallüren bekannten Sonderrichter Garz-n wenig, verschafft es ihm doch die Möglichkeit, sich erst recht als Vorkämpfer für Gerechtigkeit und Demokratie zu präsentieren.

Vor allem die Staatsanwaltschaft bemüht sich um eine Einstellung des Verfahrens. Die Putschisten in Chile und Argentinien, so meinte Eduardo Fungairi-o, Chef der Staatsanwaltschaft, hätten die Verfassung doch nur "temporär" außer Kraft gesetzt mit dem Ziel, "die Schwächen der Verfassungsordnung zu beheben und die öffentliche Ordnung zu erhalten". Zusammen mit dem Generalstaatsanwalt Jesœs Cardenal will sich Fungairi-o, der gute Verbindungen zur chilenischen Rechten unterhält, nun darum bemühen, dem eifrigen Demokraten Garz-n das Verfahren abzunehmen. Der Haftbefehl sei verfassungswidrig, das Sondergericht gar nicht zuständig. Ein Verfahren gegen den chilenischen Senator auf Lebenszeit könne - wie bei spanischen Parlamentariern - nur vom Tribunal Supremo eingeleitet werden.

Die konservative Regierung in Madrid hat zwar angekündigt, ein Auslieferungsbegehren Garz-ns, das bis zum 25.November - dem 83.Geburtstag Pinochets - in London vorliegen muß, weiterzuleiten, Ministerpräsident José Mar'a Aznar hält aber von dem gesamten Verfahren nichts : Würde Pinochet in Madrid vor Gericht gestellt, wäre kein anderer Diktator mehr bereit, "den Weg zur Demokratie" einzuschlagen.

In Spanien muß man das ja wissen, folgte die chilenische transici-n doch dem spanischen Beispiel. Entsprechend gerne vergleicht man auf der iberischen Halbinsel Pinochet mit dem von ihm so geachteten spanischen Diktator Francisco Franco. Nicht nur die Konservativen, die mit genau derselben Begründung eine Generalamnestie fordern, sondern auch die Prozeßbefürworter ziehen diese Parallele: Franco, so meinte etwa der Parteisprecher der spanischen Sozialdemokraten, Alfredo Pérez Rubalcaba, wäre ja auch verurteilt worden - wenn er nicht vorher gestorben wäre.

Mit einer personalisierenden Reduzierung diktatorischer Systeme auf die Junta-Chefs allein, auf die auch Garz-n mit um Aufmerksamkeit bemühten Ermittlungen hinarbeitet, wird aber vor allem eines bezweckt: die von den Diktatoren meist selbst angeregte transici-n als Erfolgsmodell zu verkaufen, ohne die mit der Junta paktierende Oligarchie anzutasten.

Unabhängig von Haftbefehl und einem möglichen Auslieferungsantrag der spanischen Justiz könne Pinochet bald schon wieder frei sein, deutete der britische Innenminister Jack Straw am Wochenende an. Am Montag sollte über den Antrag von Pinochets Anwälten beraten werden, die die Freilassung ihres Mandaten fordern - "aus humanitären Gründen".