Rainald Goetz' "Jeff Koons"

Nie Harmonie

Rainald Goetz tut, was er zu tun hat. Nicht nur, daß er täglich sein Tagebuch als "Abfall für alle" ins Netz stellt (www.rainaldgoetz.de) und im Frühjahr den Roman "Rave" veröffentlicht hat, mit "Jeff Koons" ist jetzt auch ein Stück da. Und nicht nur das: Alles zusammen kommt als gemeinsame Werkgruppe daher, für die auch noch Platten, ein Interview-Band und eine weitere Erzählung anstehen. Nach den Rave-Wochenenden des Romans geht es jetzt um ein Wochenende Kunst, "schön knapp abgepackt", in freien Versen und sieben Akten. "Es geht um einen Augenblick / den es auch gibt / im Menschenleben kurz / zumindest manchmal / gibt es das / es geht, / so blöd das klingt, / um Harmonie. / Stimmt gar nicht, / halt, stop, Lüge, falsch, / im Gegenteil, / es geht um das Nie der Harmonie."

Damit geht es natürlich um alles und nichts, um Fehler und Perfektion, um "Dinge, Sachen und Ideen". Was konkret allerdings nichts anderes ist als ein Tag und drei Nächte, ein Interview und schließlich der Abschluß, allein mit sieben Bildern in einer Galerie.

In "Jeff Koons" geht es um bestimmte Situationen, und die Kunst - im Sinne von Werk - ist darin ein Moment unter anderen. Vielleicht ein auslösendes Moment, meistens aber nur ein Anlaß oder ein Ort, um den herum sich der ganze Rest versammelt. Als da wären: Sex, Reden, Drogen nehmen, Rumstehen, die Welt erklären, Arbeiten, Schauen, sonstwie sich bewegen. Da gehen Leute in Clubs, hängen an der Bar ab, liegen in Sesseln und auf dem Boden herum, im Bett, sind im Büro, bei Tisch, auf der Tanzfläche, gehen an die frische Luft, spazieren nach Hause, haben Sex, frühstücken, telefonieren und schwätzen Fragmente einer Sprache der Vernissage in die Luft.

Natürlich ist die Kunst dann doch mehr als der Anlaß, doch das Einlösen des großen Versprechens, dieses Aufgehen des einen kleinen Augenblicks in das große Ganze findet nicht statt. Ist aber auch gar nicht vorgesehen, weil das ganze Drumrum, die versammelten Momentaufnahmen, die Schnipsel, der Tau, den Goetz da auf den Wiesen aufgelesen hat, so gut getroffen sind. "Ich hab die Mörderpillen da / echt? / schau dich mal um hier / das sind hier alles meine Pillen heute / wieviel kosten die? / für dich zwanzig / ganz schön teuer / eh Alter / weißt du wieviel Uhr / wir haben?" Allerdings ist das ganze Theater und harrt seiner Aufführung. Damit wäre es nicht der erste Goetz-Text, der aufgeführt oder gesprochen besser funktioniert als still gelesen.

Wenn es in "Rave" nicht zuletzt darum ging, die Ehre des Drogen-Einschmeißers wiederherzustellen und den strahlenden Hedonismus ins Zentrum des Nachtlebens zu rücken und all jenen, die das nicht kapieren, ihren Platz anzuweisen, nämlich den vor der Tür, handelt "Jeff Koons" weniger von drinnen und draußen - bis auf den Chefredakteur der B.Z. dürfen alle rein. "Wie schauts aus? /super / wollen wir mal rein gehen? / unbedingt." - "Eine schöne Sache / ein Tag Leben und drei Nächte / die sieben Bilder in der Galerie / nicht übergroß, gerade richtig / so daß man denkt, wenn man das sieht / ja, doch, das paßt." Und viel mehr ist über "Jeff Koons" auch nicht zu vermelden. Es sucht quer durch ein Wochenende in sieben Bildern lauter kleine Splitter zusammen, die vielleicht nichts anderes sollen als einem einem einzigen glücklichen Augenblick Sinn zu verleihen. Das ist keine Geschichte, das ist pathetisch, aber das gibt's, und das fühlt sich gut an.

Rainald Goetz: Jeff Koons. Suhrkamp, Frankfurt/M 1998, 160 S., DM 34