Ausbilder für den kleinen König

Ein Mitglied der rechtsextremen norditalienischen Legion Brennus packt aus

Brennus hieß einst ein legendärer Häuptling der Gallier, der, angeblich von der Plünderung Delphis kommend, jenen Gebirgspaß, den Brenner, überschritt, der seitdem seinen Namen tragen soll. Denselben hat sich nun ebenfalls eine mysteriöse Organisation der äußersten Rechten in Norditalien zugelegt.

Der "Legione Brenno", die ein paar Dutzend Legionäre zählt, wird einiges vorgeworfen: neben illegalen Waffengeschäften im ehemaligen Jugoslawien, Verbindungen zu kroatischen Faschisten und einem im großen Stil aufgezogenen Drogenhandel in den Megadiskotheken Norditaliens nun auch ein in der Nacht vom 3. auf den 4. September 1995 verübter Überfall auf einen in Marghera/Venedig patrouillierenden Streifenwagen der Polizei. Bei der damaligen Schießerei wurde ein Polizist so schwer verletzt, daß er für immer an einen Rollstuhl gefesselt bleibt.

Zunächst ermittelte die Polizei gegen in einem nahegelegenen Lager lebende Nomaden aus dem ehemaligen Jugoslawien, die jedoch bei einem gegen sie angestrengten Prozeß entlastet wurden. Mitte November enthüllte nun ein gewisser Bruno Forzato, ein an dem Überfall beteiligter 39jähriger Legionär, der venezianischen Polizei die Hintergründe der Tat und die Geheimnisse jener paramiltärischen Struktur, der er seit fünf Jahren angehört hat.

Die Legion Brennus wurde 1991 in Forl' von einem ehemaligen Carabiniere zusammen mit anderen Exmilitärs gegründet. Die Legionäre unterstützten im jugoslawischen Bürgerkrieg die Kroaten und beteiligten sich mitunter sogar an militärischen Aktionen. In Italien wollte man ein Äquivalent zur rechten kroatischen "Partei des Rechts" ins Leben rufen. Die Legion Brennus sollte deren bewaffneter Arm sein.

Ihre Mitglieder rekrutierte die Legion wohl nicht zufällig vornehmlich im Hinterland des Veneto zwischen Padua, Verona, Treviso und Trient, das seit Jahrzehnten die Bühne für faschistischen Terror im Rahmen von Geheimdienstoperationen und verdeckten Natostrukturen abgibt. Die Bombenanschläge, mit denen beispielsweise 1969 die Dekade der "Strategie der Spannung" eingeleitet worden ist, waren u.a. von den venetischen Faschisten des Ordine Nuovo ebenfalls im Umkreis von Mestre/Marghera ausgeheckt worden. Die "Soldaten" und Ideologen der selbsternannten "Armee des Veneto Serenessimo Governo", die im vergangenen Jahr den Campanile am Markusplatz besetzt hatten, um die Unabhängigkeit der Republik Venedig auszurufen, kommen teilweise aus denselben Dörfern wie die Legionäre des Brennus.

So wie seinerzeit die Terroristen von Avanguardia Nazionale und Ordine Nuovo einer ideologischen Mixtur aus Rudolf Steiner, Zen, Tolkien und dem italienischen neuheidnischen Faschisten Julius Evola anhingen, haben auch die heutigen Legionäre und Paladine einer neuen Ordnung - neben ihrem soldatischen Kodex - einen eigenartigen Glauben synthetisiert, der unter dem Zeichen des Keltenkreuzes und der Templerrituale Mut und Opferbereitschaft einfordert. Ihr Verschwörertum ist, wie die bestürzende Vergangenheit rechtsextremen Terrors in Italien im Übermaß gezeigt hat, bestimmt gefährlich, entbehrt aber auch nicht lächerlicher Merkmale. Um sich gegenüber ihren Verfolgern eine Tarnung zuzulegen, ließ sich ein Teil der Milizionäre als Ausbilder der Leibgarde Seiner Ehrwürdigen Hoheit Georg des Ersten, König von Seborga, verpflichten. Seborga ist ein kurioses, 362 Seelen zählendes Königtum im Hinterland von Imperia, das mit den Luigini immerhin über eine eigene Münze (ein Luigino entspricht sechs Dollar) verfügt und hin und wieder auf den vermischten Seiten der internationalen Tageszeitungen von sich reden macht.

Warum die Legionäre vor drei Jahren den Streifenwagen der Polizei beschossen haben, ist nun Gegenstand wildester Vermutungen: Hatten sie einen Anschlag auf die Petrochemie Margheras vor, wollten sie den Besuch des italienischen Staatspräsidenten Oscar Luigi Scalfaro in Venedig für ein Attentat nutzen, oder wurden sie gerade bei einem Waffentransport ertappt? Als gesichert erscheint nur eines: Mit der neuerlichen Aufdeckung einer paramilitärischen Geheimorganisation ist den bis heute offenbarten zahllosen Mysterien italienischer Geheimbündelei eine weitere Variante hinzugefügt worden.