Sicherheitsbehörden gaben Abhörprotokolle weiter

Der »Focus« lauscht mit

Keine Frage: Wenn sich der Journalist Hans Olaf für die Wochenillustrierte Focus gegen Linke ins Zeug legen darf, wird nicht gekleckert. Schon die Überschrift klang hämisch: "Depressive Terroristen." Nicht weniger schadenfroh der Artikel: Da war von "Wehleidigkeit, Selbstmitleid und Verbitterung" die Rede, von den letzten RAF- Gefangenen, die heute "über ihr tristes Dasein" jammerten.

Spätestens, seit das Stadtguerilla-Grüppchen seine Auflösung bekannt gegeben hat, können auch die üblichen Informanten der Behörden nicht mehr so richtig mit Infos über geplante Anschläge rausrücken. Bleiben also nur die acht Frauen und Männer hinter Gittern, die mit dem Prädikat RAF noch die eine oder andere Schlagzeile hergeben.

Warum also nicht "depressive Terroristen", muß sich Olaf gedacht haben, als er für die Ausgabe 36/1998 des Focus einen Artikel zum Thema verfaßte. Und weil die Verbindungen der Ex-Guerilleros zu den "jungen Heißspornen" der "Antifaschistischen Aktion Passau" doch nur einen Absatz hergaben und sich auch aus der - in der Stuttgarter Szene unbekannten - "szenenbekannten Karin L. aus Stuttgart" nur ein einziger Satz zimmern ließ, hat sich der Journalist etwas einfallen lassen. Hemmungslos zitierte Olaf in der im Herbst erschienenen Ausgabe aus Gesprächen, die Gefangene bei Besuchen von Freunden geführt hatten. Da wurde der Focus-Öffentlichkeit eine private Unterhaltung des mittlerweile freigelassenen Helmut Pohl mit der in Frankfurt einsitzenden Eva Haule serviert, in der Pohl "ein bißchen über seine Gesundheit" jammere. Unter der Rubrik "Der Dialog" zitierte das Blatt wortwörtlich ein Gespräch Christian Klars mit "Peter H. aus Kassel".

Olafs Quelle: Die "Akustische Besuchsüberwachung", mit der im Regelfall die Kriminalämter beauftragt sind. Privatsphäre? Datenschutz? Schon seit Beginn ihrer Haft und damit mindestens zehn Jahre, bevor die Legitimität von Lauschangriffen diskutiert wurde, mußten die Gefangenen damit leben, daß jedes Besuchsgespräch mitgeschnitten wurde. Grund genug für Anwältinnen und Anwälte der Inhaftierten, erneut die Aufhebung der Maßnahmen zu fordern. Daß die "streng vertraulichen Überwachungsprotokolle" auch noch via Focus veröffentlicht wurden, veranlaßte sie vergangene Woche zudem zu mehreren Anzeigen: Gegen "unbekannte Bedienstete" des Bundeskriminalamtes (BKA) und zweier Landeskriminalämter (LKA), zwei Gefängnisleiter sowie "Hans Olaf und weitere unbekannte Mitarbeiter der Zeitschrift Focus".

Während Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt seit Jahren keine Interviews mit Journalisten führen durften und damit eine authentische Berichterstattung über ihre Situation unmöglich gemacht werde, habe das BKA ungestört "manipulierte Besuchsüberwachungsprotokolle" an das Blatt weitergegeben. Für die Verteidiger steht fest, "daß damit Amtsträger ein fremdes Geheimnis unbefugt" verteilt hätten.

Beim BKA will man davon natürlich nichts wissen. Man habe, so ließ ein Sprecher der Behörde vergangene Woche wissen, keine "manipulierten" Aufzeichnungen weitergereicht. Möglicherweise hat er sogar recht. Schließlich können auch Bundesanwaltschaft, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst ungehindert auf die protokollierten Gespräche zurückgreifen. Focus-Journalist Olaf muß sich also keine Sorgen machen. Für eventuell notwendigen Nachschub ist gesorgt.