Kegeln im Weltraum

Zurück in die Zeit der Fernseh-Pubertät: "Star Trek - Der Aufstand"

Ein Volk auf einem abgeschiedenen Planeten, irgendwo im Weltall, das sich nicht für Politik interessiert, von Ackerbau und Viehzucht lebt. Es geht friedlich zu, Waffen sind verpönt, Menschen laufen in einfachen Wickelkleidern durch Haus und Parkanlage - Bauern-Sozialismus mit naturverträglichem Antlitz. Störende Einflüsse Fehlanzeige, die Population wird ständig überwacht von einem Kulturforschungs-Team zivilisierter Mächte, die dafür Sorge tragen, daß hier nichts schief läuft.

Nein, das ist nicht Deutschland, wie es der Morgenthau-Plan vorsah. Dafür ist schon das Wetter viel zu gut. Das ist nur "Star Trek", Folge Nummer neun, Untertitel: "Der Aufstand". Der Planet heißt zukunftsüblich apostrophiert "Ba'ku" und hat eine höchst homogene 600köpfige Bevölkerung, die ein Geheimnis für sich behält: Die Planetenringe in der Umlaufbahn geben eine geile metaphysische Strahlung ab, die den Alterungsprozeß stoppt. Auf Ba'ku sind die Leute alle steinalt, sehen aber aus wie die finanzstarke Neue-Mitte-Zielgruppe im Alter von 14 bis 35.

Bei ihnen treibt sich der altbekannte Android Data (Brent Spiner) vom Raumschiff Enterprise als Mitglied eines unsichtbaren Kultur-Erforschungsteams der Sternen-Flotte herum. Er soll jedoch durchgedreht und Amok gelaufen sein, heißt es zu Hause. Captain Picard (Patrick Stewart) ist besorgt: Der Plaste-Kollege soll gerettet werden. Ist er nicht zu reparieren, kann er nur zerstört werden. Und dafür ist er zu auch zu teuer gewesen. Der Kurs ist eingeschlagen: Auf nach Ba'ku!

Dort erfährt die Mannschaft alsbald vom Geheimnis der Bevölkerung. Und so selbstlos ist die Kulturmission der Sternenflotte nicht: Gemeinsam mit den Alliierten Son'a, deren Angehörige an Frühverfall leiden und sich die herabfallende Kopfhaut noch vor dem Frühstück am Schädel festtackern lassen müssen, will man den Planeten an sich reißen, zum "Nutzen aller Völker", wie es heißt, und dort einen Weltall-Jungbrunnen errichten. Die Ba'ku müssen brutal entsorgt werden.

Das, was die beiden Verbrecher Ru'afo (F.Murray Abraham) und Admiral Dougherty (Anthony Zerbe) vom Sternenflottenkommando planen, läuft auf eine gigantische Volksverarsche raus: Bei Nacht sollen die Ba'ku aufs mobile Illusionsdeck entführt werden, wo ihnen vorgegaukelt werden soll, sie seien immer noch auf ihrem paradiesischen Planeten.

Weil der Plan nicht gelingt, will Ru'afo die Ba'ku komplett vernichten. Die Begründung ist so naheliegend wie einfallsreich: Er ist mit ihnen verwandt! Und nebenbei verletzt Dougherty, der Sternen-Admiral, das Gesetz der Nichteinmischung - bekannt, seit Captain Kirk das erste Mal ins All flog. Es ist die zentrale Übereinkunft, aus der die Föderation in den letzten 3 000 TV-Folgen ihre Stärke bezog - Aliens werden beobachtet, aber nicht verändert. Mit Picard und seinen ritterlichen Weltraumangestellten ist das natürlich nicht zu machen. Es entsteht ein Konflikt, der wie immer moralischer Natur ist: Picard ist gezwungen, Befehle und Direktiven zu mißachten oder aber das oberste Gesetz der Föderation zu übertreten. Pflicht und Sitte, wie bei Kant: Ideal und Familienwert treten auf den Plan; gegen wirtschaftliche Verwertung und das menschliche, pardon, all-gegenwärtige Haßgefühl.

Weitere Themen in diesem Film: das Altern an sich. These: Man darf sich natürlichen Prozessen nicht entgegenstellen. Wenn es ein natürliches Mittel gegen Runzeln gibt - wie schön. Das spielen die Schauspieler verdammt glaubwürdig: Was sind die Helden unserer Enterprise alt geworden. Und fett! Patrick Stewart paßt die Joppe nicht mehr - "Entweder du brauchst eine neue Uniform oder einen neuen Hals", sagt Picards Ex-Freundin Beverly Crusher (Gates McFadden), als sie ihm beim Anziehen hilft. Deanna Trois (Marina Sirtis) Rundungen sind noch etwas runder geworden. Und Chefmechaniker Geordi La Forge (Levar Burton) braucht zwar keinen durchgesägten Ölfilter mehr vor den blinden Augen, dafür ist sein Kopf pausbackig wie ein Kürbis. Und Jonathan Frakes als Erster Offizier William Riker, der in der Vergangenheit schon irgendwie zu massig fürs Fernsehgerät war, paßt vor Leibesfülle auch nicht mehr auf die Leinwand in der Abmessung 1:1,82 - insgesamt das Crew-Schicksal, das auch schon die Garde um Captain Kirk ereilte.

Aber, gemach - dafür geht es lebensfroh im Weltraum-Butterkreuzer zu. Mit ausgedehnten Badewannensitzungen inklusive Schampus und jede Menge lustiger Anspielungen überrascht das Team. "Spielen? Aus Spaß?" fragt Roboter Data ein Ba'ku-Kind. "Ich habe überhaupt keinen Spaß."

Im Ernst: In "Star Trek" gibt es was zu lachen. Und das bügelt stellenweise sogar die offensichtlichen Schwächen der kammerspiellastigen Shakespeare-Ensemble-Serie aus, die da wären: Mangel an schweren Waffen, die auch eingesetzt werden, Planetenkegeln und Milchstraßen-Halma. Nur hier und da wird ein feindlicher Kampfkreuzer angeschossen. Scheiß-Familienkino! Hier wird psychotherapeutisch sinnvoll sublimiert, kunstvoll im Wertehimmel navigiert. Wozu die neue Computer-Animation, wenn der Gewalt-Fetischist nicht auf seine Kosten kommt? Weil der Terror der Realität vorbehalten ist, oder wie Tom Morello von der Pop-Gruppe Rage Against the Machine - er spielt einen Son'a - über die Dreharbeiten sagt: "Los ging's um fünf Uhr morgens, eine Zeit, zu der ich normalerweise gerade in meinen Sarg zurücksteige!"

Zerstörung darf eben nicht sein, und das Menschliche muß auf jeden Fall erkennbar bleiben. Und man will ja Orbit-Phantasmen pflegen, wo wir dieser Tage zum Beispiel aus dem Buch "Loving the Alien" lernen, der Raumschiff-Mythos sei so uralt, daß er uns von den neuesten Schallplatten aller jamaikanischen und afroamerikanischen Musiker entgegenspringt. Aber, geschnitten: Auch der weiße Mann liebt das Fremde, und zwar genauso, wie er es im Fernseher zu sehen kriegt - Picard und seinen Weltraumangestellten sei Dank.

Dazu wäre jetzt ein Kulturkongreß zu veranstalten, mit abgedrehten Theoretikern, vielleicht in der Berliner Volksbühne oder authentischer noch: im Waschsalon. Man könnte der Frage nachgehen, warum die Trekkie-Producer noch nie einen gescheiten Außerirdischen hingekriegt hat.

Alles in allem ist "Star Trek - Der Aufstand" ein Blick zurück, in die Zeit, zu der wir angefangen haben zu denken - vielleicht um 1969 herum, als das Raumschiff Enterprise das erste Mal durch unsere Wohnstube flog. Seitdem pflegt es einen kontinuierlichen Bild- und Wertekodex. Das All ist eine schöne Metapher - ja, wofür? Für alles eben, der Name sagt es schon. Das macht eine populäre Serie aus: "Star Trek" ist ein Kuraufenthalt fürs Köpfchen. Schon weil der Pop-Mythos keinen sozialen Kontakt braucht. Unser Ärztepräsident Karsten Vilmar brachte es schließlich auf den Punkt: Nicht die Planetenringe, sondern das dicke Bankkonto hält jung. Alt macht die Armut und eine leere Krankenkasse.

Aber das würde zu weit führen und dem neuen "Star Trek"-Film unrecht tun. Wer diesen Winter von den dreckigen Straßen, auf denen er gegen die USA demonstrieren geht, genug hat, schaut sich die bunte Natur von Ba'ku im Kino ebendieser USA an. Das Vergnügen kostet 14 Mark plus Nebenkosten. Und allemal ist es gut, den Kids die Kohle für "Star Trek" aus der Tasche zu ziehen, die können dann weniger Drogen kaufen.

"Star Trek - Der Aufstand". USA 1998. R: Jonathan Frakes, D: Patrick Stewart, Jonathan Frakes, LeVar Burton, Michael Dorn, Gates McFadden, Marina Sirtis, Brent Spiner. Start: 31. Dezember