Joan Brossa ist tot

Das große Publikum hat ihn nicht gleich entdeckt, Joan Brossa, den spanischen Poeten, Dramaturgen, Filmemacher und Bildhauer, aber als man ihn erst einmal richtig entdeckt hatte - das war in den achtziger Jahren -, konnte man gar nicht genug von ihm bekommen. Und dieser "unklassifizierbare Künstler" (El Pa's), obgleich alles andere als volkstümlich, enttäuschte sein Publikum nie. Er publizierte mehr als 80 Gedichtbände mit zumeist experimenteller Poesie und über 300 Theaterstücke, in denen er die Grundlagen des klassischen Theaters systematisch in Frage stellte, schuf Skulpturen und drehte Filme. Dem Filmemacher Brossa war 1997 die Retrospektive der Biennale in Venedig gewidmet.

Eines seiner letzten Projekte war eine Plastik, die er für ein Krankenhaus in der Provinz Barcelona fertigte, ein baumförmiges Gebilde mit Buchstaben-Blättern, das er möglichst in einem See aufgestellt wissen wollte. "Sonst", so Brossa, "kommen die Kinder da ran, und Kinder sind schlimm". Brossa, 1919 in Barcelona geboren, von Dadaismus und Surrealismus, Psychoanalyse und Zen-Buddhismus fasziniert, fühlte sich der Linken zugehörig, verzichtete aber darauf, sich seine Positionen institutionell beglaubigen zu lassen; Parteipolitik interessierte ihn nicht.

Freunde beschreiben ihn als unkomplizierten, überaus witzigen Menschen, der eine Existenz "am Rande des Geldes" (Joan de Sagarra) führte. Zu seinen künstlerischen Arbeiten, für die er stets schlichte Materialien verwandte, befragt, sagte Brossa: "Die Konsumgesellschaft hat ihre schlechten Seiten, aber sie hat auch gute: daß sie den Bildern einen Wert gibt, das ermöglicht den Dichtern, Codes zu ändern. Kinder entdecken das Bild als neues Mittel, sich auszudrücken, und das erlaubt ihnen, ihre Vorstellungskraft zu entwickeln. Das ist, was ich will." Wichtig vor allem wurden seine Ding-Gedichte, Poesien des Gegenstands innerhalb einer glücklichen "brossianischen" Welt (El Pa's), errichtet aus den Buchstaben des Alphabets, in der Uhren, Löffel, Brillen, Bälle, Hämmer und Karten wichtig waren und Fußbälle mit Kämmen gekrönt, Schinken mit Fingerabdrücken signiert wurden.

Wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, den man in Spanien ausgiebig feiern wollte, ist Joan Brossa am 30. Dezember in Barcelona gestorben.