Machtpoker am Golf

Starke Männer

Die USA geben sich die größte Mühe, ihre Friedfertigkeit zu demonstrieren und dabei souverän zu wirken. Der Truppenabzug am Persischen Golf gehe weiter, betonte man in Washington vergangene Woche mehrmals - trotz aller irakischen Provokationen.

Und die Führung in Bagdad kann ihre Flugabwehrraketen verschieben, die Nachrichtenagentur Ina den Abschuß eines US-Kampfjets vermelden oder der stellvertretende Regierungschef Tahin Jassan Ramadan ganz offen ankündigen: "Der Krieg geht weiter." Einem Fernsehteam der Nachrichtenagentur AP erklärte er außerdem, die im April 1991 und August 1992 deklarierten Flugverbotszonen im Norden und Süden des Landes würden konsequent mißachtet und "existieren nur noch in den kranken Vorstellungen der amerikanischen und britischen Regierung".

Der irakische Beschuß von US- und Royal Air Force ist in erster Linie eine Provokation. Ist Saddam Hussein aus den Angriffen der USA und Großbritanniens deutlich gestärkt hervorgegangen, scheint er nun erneut einen Militärschlag gegen sein Land herbeiführen zu wollen. Dadurch könnte sich Hussein, der sich gerne als starker Mann am Golf präsentiert, wieder als Opfer einer US-amerikanischen Machtdemonstration in Szene setzen.

Und diese Rolle ist wichtig: Bei Rußland, Frankreich und China ist sich Bagdad sicher, daß sie den anglo-amerikanischen Militäraktionen skeptisch gegenüberstehen, weil diese ihren eigenen politischen und strategischen Interessen zuwiderlaufen. Schließlich haben alle drei einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UN inne und wollen weltpolitisch mitreden. Und außerdem verfolgen sie im Irak ganz andere Pläne, fordern ein baldiges Ende von Waffenkontrollen, Luftüberwachung und Sanktionen. Wenn das auf internationaler Ebene nicht mehrheitsfähig ist, ist auch ein Alleingang dieser Länder nicht auszuschließen: ein offener Sanktionsbruch - denkbar nur "aus Protest" gegen die US-amerikanisch-britischen Aktionen, versteht sich.

Zudem ist der Rückhalt Iraks in den arabischen Staaten ebenfalls stark von der Opferrolle eines großmäuligen Hussein abhängig. Bisher engagierten sich - neben Islamisten wie Osama Bin Laden, der sich dem "Heiligen Krieg gegen Juden und Christen" verschrieben hat - nur Libyen und Jordaniens Kronprinz Hussein für das Regime in Bagdad, von Demonstrationen in einigen Hauptstädten mal abgesehen. Die Arabische Liga verschob eine nach den Angriffen auf Irak angesetzte Außenministerkonferenz sogar auf den 24. Januar. Für die taktierenden Provokateure in Bagdad eine Ungeheuerlichkeit. Die drohten den Führungen ihrer vermeintlichen Bruderstaaten, sie würden "den Zorn der arabischen Massen" schon noch zu spüren bekommen. Aber das klappt nur, wenn sich Hussein als mutiger und zugleich militärisch unterlegener Vorkämpfer präsentiert - gegen die USA und gegen Israel, das, obwohl gar nicht involviert, obligatorisch hinzugerechnet wird.

So setzt der "kleine" Irak die "großen" USA unter Druck, weil Washington um die diplomatischen Nebenwirkungen eines Angriffs weiß. Und als ebenfalls starker Mann kann (oder will) William Clinton sich nicht alles gefallen lassen. Die Irak-Politik der USA steht ohnehin unter Erfolgsdruck: Eine neue Führung für Bagdad muß her, das ist klar, und in Washington hat man im Dezember keinen Zweifel daran gelassen, daß man einen Wechsel an der irakischen Spitze auf jeden Fall unterstützen würde. Clintons Sicherheitsberater Samuel Berger hat für Anfang Januar auch schon ein Treffen mit irakischen Oppositionellen angekündigt, und Henry Kissinger forderte bereits eine Landoffensive im Irak. Sollten die UN-Sanktionen aufgehoben oder von Frankreich und Rußland ganz offiziell unterlaufen werden, ist es dafür aber zu spät.

Anreize für die Hussein-Nachfolge gibt es genug. Mit der Ölförderung ließe sich eine Menge Geld verdienen, das ist in der politischen und militärischen Elite Iraks bekannt. Aber es ist gefährlich. Hussein spielt nicht nur außenpolitisch den starken Mann: Nach Angaben oppositioneller Kreise wurden kurz vor den Raketenangriffen von USA und Großbritannien mehrere höhere Militärs auf seinen Befehl hin erschossen. Die innere Stärke und seine diplomatischen Erfolge bestärken den Machthaber von Bagdad - und seine Strategen-Großmäuligkeit.